Streit um EU-Gaspreismechanismus: Deckel ohne Wert
Der EU-Gipfel einigt sich auf einen Gaspreisdeckel mit zweifelhaftem Nutzen. „Ich hoffe, dass er niemals relevant wird“, sagt Bundeskanzler Scholz.
Ein Deckel, der nicht genutzt wird, kann auch keine Preise senken. Genau dieses Ziel verfolgen jedoch 15 EU-Staaten, die seit Monaten auf ein gemeinsames Preislimit drängen. Sie wollen verhindern, dass der hochspekulative Gasmarkt erneut übers Ziel hinausschießt. Dies war zuletzt im Sommer geschehen; die Verbraucher in Europa zahlen nun – mit einiger Verzögerung – die Quittung.
Es könnte kontrovers werden
Beim EU-Gipfel am Donnerstag war dazu noch keine Einigung gelungen. Die Staats- und Regierungschefs sprachen zwar über Regeln für den Gasmarkt, klammerten jedoch das wichtigste Detail aus: die Höhe des Preisdeckels. Darüber soll nun am Montag Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel entscheiden. Es könnte kontrovers werden.
Die Preisvorstellungen liegen nämlich noch sehr weit auseinander. Den „fanatischen vier“ Italien, Belgien, Griechenland und Polen schwebt ein Preis von 160 Euro je Megawattstunde vor. Zu einem höheren Preis soll das Gas, das am Großhandelsplatz TTF verkauft wird, nicht mehr angeboten werden dürfen. Im Gespräch ist nun eine weniger drastische Linie von 180 bis 220 Euro. Deutschland will höher gehen: mindestens 220 Euro sollten es schon sein. Derzeit liegt der Marktpreis allerdings bei rund 133 Euro. Der Deckel wäre also in weiter Ferne.
„Trigger-Mechanismus“ soll restriktiv sein
Doch das ist nicht der einzige Streitpunkt, den es noch zu klären gilt. Deutschland will auch den sogenannten Trigger-Mechanismus möglichst restriktiv gestalten – eben damit der Deckel „niemals relevant wird“, wie Scholz sagt. So soll nicht ein einmaliges, kurzzeitiges Überschreiten des Preislimits ausreichen. Außerdem soll der Unterschied zum Weltmarktpreis eine Rolle spielen.
Wenn Flüssiggas überall teuer ist, dann könne man den Deckel leider nicht anwenden, heißt es in Berlin. Auch bei drohenden Versorgungsengpässen soll das Preislimit nicht gelten. Das Ziel sei es, immer ausreichend Flüssiggas in Europa zu haben. Letztlich will sich Deutschland die Möglichkeit sichern, Flüssiggas meistbietend zu kaufen – wie auf dem Höhepunkt der Gaskrise im Sommer. Seit Monaten wehrt sich die Bundesregierung gegen den Deckel, weil für sie Versorgungssicherheit Priorität hat. Sie befürchtet, dass die Preisgrenze Gaseinkäufe erschweren könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs