Streit um CO2-Vermeidung: Unterelbe soll Gas geben
In Stade und Brunsbüttel sollen Import-Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) entstehen. Ein Schritt Richtung Energiewende oder das Gegenteil?
An der Unterelbe stehen die Atomruinen (in spe) als Symbole für eine Energiepolitik, die sich als Sackgasse erwiesen hat. Einen ähnlichen Fehler, so befürchten Umweltschützer, könnte die Politik jetzt wieder begehen, indem sie sich mit den LNG-Terminals langfristig auf einen Versorgungspfad festlegt, der möglicherweise mehr Probleme als Lösungen mit sich bringt.
Die Landesregierungen in Kiel und Hannover sehen in den Terminals eine Chance, ihre Häfen zu stärken und damit eine CO2-arme Brückentechnologie zu installieren – hin zu einer Energieversorgung, die gar kein Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre entlässt. Viele Umweltverbände halten das für gefährlichen Unsinn.
„Wir brauchen keine Brückentechnologie sondern eine Energiewende“, sagt Reinhard Knof von der Bürgerinitiative Kein CO2-Endlager. Das Problem beim LNG sei nicht so sehr das CO2, sondern das vielfach klimawirksamere Methan, das damit freigesetzt werde. „Das bedeutet, wir dürfen keinen Cent mehr in die Methaninfrastruktur investieren“, sagt Knof.
31 Umweltorganisationen – lokale, überregionale und internationale von derjenigen Knofs bis zu Friends of the Earth Europa haben deshalb im Februar einen „letter of desinterest“ an die Landes- und Bundesministerium für Wirtschaft sowie die Investoren geschrieben. Sie warnen vor „negativen Klimawirkungen fossilen Gases und LNG im Besonderen“. Der Bau der LNG-Terminals drohe eine fossile, klimaschädliche Energieversorgung zu verfestigen oder Investitionsruinen zu hinterlassen.
Die Investitionssummen haben es in sich: Für Stade werden 800 Millionen Euro veranschlagt, für Brunsbüttel 500 Millionen. Dafür sollen Piers für bis zu 345 Meter lange Tanker gebaut werden und kleinere, an denen das Gas umgeladen werden kann oder Schiffe LNG direkt als Treibstoff aufnehmen können. Dazu kommen Tanks, Gasifizierungsanlagen und Leitungen.
Die Landesregierungen in Kiel (schwarz-gelb-grün) und Hannover (rot-schwarz) unterstützen den Bau der LNG-Terminals. Der Standort Brunsbüttel biete sich an, heißt es in einer Veröffentlichung des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums: „Die Lage an Nord-Ostsee-Kanal und Elbe schafft beste Voraussetzungen“, heißt es da. „Zudem ist Brunsbüttel das größte zusammenhängende Industriegebiet Schleswig-Holsteins.“ Dort seien vor allem viele Chemie-Unternehmen angesiedelt, die einen hohen Gasbedarf haben und für die LNG eine interessante Alternative zu Pipelinegas darstellen könnte.
Ähnlich stellt sich die Lage im niedersächsischen Stade mit dem Chemieriesen Dow dar. Hier verspricht der designierte Betreiber Hanseatic Energy Hub einen Null-Emissions-Terminal: Für die Regasifizierung könne die industrielle Abwärme der Chemiefabrik genutzt werden. Sie könne auch die anfallenden Dämpfe verbrennen und die im LNG gespeicherte Kälte zur Kühlung verwenden.
Das von dem Freien Demokraten Bernd Buchholz geführte Kieler Ministerium verweist auf eine Studie des Engler-Bunte-Instituts im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (BMVI). Demnach stoßen LNG-betriebene Lastwagen 20 Prozent weniger CO2 aus als solche mit Diesel und Schiffe 23 Prozent weniger. Dabei wird die gesamte Prozesskette von der Förderung bis zum Rad oder der Schiffsschraube berücksichtigt. Im Vergleich zu Erdgas aus der Pipeline schneidet LNG jedoch schlechter ab, wie eine Metastudie im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt.
Eine Frage der Herkunft
Darin wird klar, dass es sehr auf die Herkunft des Flüssiggases ankommt. Auf langen Transportwegen wird viel Methan freigesetzt; ebenso, wenn das Gas durch unkonventionelles Fracking gewonnen wird, bei dem vor allem in den USA tief unter der Erde Gestein aufgesprengt wird. Methan heizt das Klima um ein Vielfaches stärker auf als CO2.
Die Autoren der UBA-Studie – wiederum vom Engler-Bunte-Institut sowie vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung – kommen zu dem Schluss, dass LNG in der Regel klimafreundlicher ist als Kohle und Erdöl. Allerdings sorgten der Energieaufand bei der Verflüssigung und beim Transport dafür, dass LNG beim Klimaschutz schlechter abschneidet als Erdgas aus der Pipeline.
Bei einzelnen Anwendungen, wo es schwierig sei, Alternativen zu finden, könne der Einsatz daher sinnvoll sein. Das gelte insbesondere für die Schifffahrt, die aufgrund verschärfter Abgasvorschriften nach Lösungen sucht, wie sie weniger Stickoxid, Schwefel und Ruß emittieren kann. Unterm Strich sei aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten ein verstärkter Einsatz von LNG insbesondere im Vergleich zu per Pipeline transportiertem Gas nicht begründbar.
Die Befürworter der LNG-Terminals argumentieren damit, dass die neue Infrastruktur genutzt werden könnte, um „grünes“ Gas zu importierten – Gas, das irgendwo auf der Welt mit erneuerbarer Energie über den Umweg Wasserstoff erzeugt würde. Sinnvoll wäre das aber nur bei einem weltweit großen Überschuss an erneuerbarer Energie.
„Gute Voraussetzungen“ für Brunsbüttel
Der designierte Terminal-Betreiber German LNG-Terminal, ein Joint Venture aus Gasunie, Oiltanking und Vopak, hat die TU Hamburg beauftragt zu prüfen, was das geplante LNG Terminal durch einen zunehmenden Import von „grüner“ Energie zum Klimaschutz beitragen könnte. „Brunsbüttel hat gute Voraussetzungen, sich zu einem Hub für eine norddeutsche Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln“, ließ sich der TU-Professor Martin Kaltschmitt vorab zitieren. Ein erstes Ergebnis soll im August vorliegen.
Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Klimabündnis LNG, dem sich auch eine Reihe lokaler Initiativen angschlossen hat, ist der Fall jedenfalls klar. Sie gehen davon aus, dass die Methanemissionen weitaus größer sind, als die Anlagenbetreiber zugeben wollen, und haben Proteste sowie rechtliche Schritte angekündigt, nachdem German LNG am 1. Juli einen Antrag auf Planfeststellung für den Terminal in Brunsbüttel gestellt hat.
Die DUH legte ein Rechtsgutachten der Berliner Anwältin Cornelia Ziehm vor. Sie hält der Bundesregierung vor, bei den Terminalplänen den Klimaschutz außer Acht zu lassen. Im Übrigen sei der Terminal in Brunsbüttel als Störfallbetrieb zu bewerten, der nicht in der Nähe anderer Störfallbetriebe errichtet werden dürfe. Gleich nebenan gibt es eine Anlage zur Verbrennung von Sondermüll und das Lager mit den abgebrannten Brennelementen des AKW Brunsbüttel.
Brunsbüttels parteiloser Bürgermeister Martin Schmedtje findet, so ein Terminal würde gut zum Industriestandort Brunsbüttel passen. Die Stadt habe die Fläche. Das Projekt werde von Experten als notwendig erachtet und schaffe 70 Arbeitsplätze. „Wir würden das Terminal gerne nehmen“, sagt der Bürgermeister.
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