piwik no script img

Streit um Bremer BeiratswahlenPiraten fechten Wahl an

Die Piratenpartei wurde nicht zur Bremer Beiratswahl zugelassen und sieht eine Benachteiligung kleiner Parteien. Sie will die Wahl wiederholen lassen.

Wenn die Piraten Recht kriegen, darf auch Bürgermeister Carsten Sieling nochmal zur Wahl gehen Foto: dpa

Bremen taz | Die Piratenpartei will die Bremer Beiratswahlen vom 26. Mai wiederholen lassen. Das sagte Gunnar Christiansen, Spitzenkandidat für die Landtagswahl, vergangene Woche. Der Wahlbereichsausschuss der Stadt Bremen hatte die Partei wegen Formfehlern nicht zu den Beiratswahlen zugelassen. Dagegen will die Partei jetzt Einspruch beim Wahlprüfungsgericht einlegen.

Der Hintergrund: Der Wahlbereichsausschuss hält das Aufstellungsverfahren der Piraten für die Beiratswahlen – also die Wahlen der Stadtteilparlamente – für fehlerhaft. Nach Auffassung des Wahlamtes schreibt das Wahlgesetz vor, dass nur die Mitglieder einer Partei die Beiratskandidat*innen wählen dürfen, die im entsprechenden Beiratsgebiet wohnen.

Die Piraten haben allerdings bei einer Versammlung alle Mitglieder Bremens über die Beiratskandidat*innen abstimmen lassen. Auch bei den Grünen hatten Parteimitglieder über Beiratslisten abgestimmt, obwohl sie nicht in diesen Stadtteilen lebten.

Daraufhin hatte die Wahlbereichsleiterin die Listen von Grünen und Piraten abgelehnt. Weil die Grünen ihre Wahlvorschläge frühzeitig eingereicht hatten, kam die Ablehnung Wochen vor Fristende und sie konnten sie fristgerecht wiederholen.

Den Piraten gelang das nicht: Sie hatten erst Mitte März, drei Tage vor Fristende, ihre Kandidat*innenliste eingereicht und schafften es nicht, die Wahl zu wiederholen. Eine Beschwerde gegen den Ausschluss von den Beiratswahlen wurde abgelehnt, ebenso ein Eilantrag auf Zulassung beim Verwaltungsgericht.

Hier war es so offenkundig, dass mehrere nicht wahlberechtigte Mitglieder abgestimmt haben, das geht nicht

Evelyn Temme, Wahlamt

Den jetzt angekündigten Einspruch begründet die Piratenpartei damit, dass sie die Beiratskandidat*innen 2011 und 2015 nach demselben Verfahren aufgestellt hatten – ohne Einspruch des Wahlausschusses.

Evelyn Temme, die Leiterin der Geschäftsstelle des Wahlleiters erklärt, dass die fehlerhafte Praxis dem Wahlamt erst bei dieser Wahl bewusst geworden sei. „Das ist zuvor nicht aufgefallen“, sagt sie, „doch hier war es so offenkundig, dass mehrere nicht wahlberechtigte Mitglieder abgestimmt haben, das geht nicht.“

Gunnar Christiansen kritisiert, dass eine solche Auslegung des Gesetzes kleinere Parteien wie seine benachteilige. Denn das Wahlamt fordert, dass es mindestens drei wahlberechtigte Parteimitglieder geben muss, die in dem Beiratsgebiet gemeldet sind, für das sie abstimmen.

Dies sei notwendig, sagt Temme, um eine geheime Wahl zu ermöglichen. Sie orientiere sich bei dieser Auslegung einer geheimen Wahl an einer Kommentierung des Bundeswahlgesetzes. „Wenn sie zu zweit wählen, wissen sie immer, was der andere gewählt hat“, sagt Temme. Christiansen hingegen hält das für „demokratiefeindlich“.

Die Piraten müssen mit ihrem Einspruch aber noch warten. Er kann erst eingereicht werden, wenn die neue Bürgerschaft zusammengetreten ist – dies kann sie erst, wenn das Endergebnis offiziell verkündet wurde, nach Schätzung von Temme wird dies in den kommenden zwei Wochen der Fall sein. Erst dann kann das zuständige Wahlprüfungsgericht gebildet werden.

Sollte der Einspruch Erfolg haben, muss das Wahlprüfungsgericht entscheiden, ob die gesamte Beiratswahl wiederholt werden muss – oder nur in den sechs Bezirken, in denen die Piraten kandidieren wollen. Im letzteren Fall müssten in der Neustadt, Walle, Burglesum, Vahr, Mitte und Östliche Vorstadt die Wähler*innen erneut zur Urne.

Der Bremer Wahlrechtsexperte Wilko Zicht von den Grünen saß im Wahlbereichs­ausschuss und teilt die Meinung des Wahlamtes, dass ein Landesverband keine Beiratskandidat*innen wählen dürfe. Daher hatte er dem Antrag auf Nichtzulassung der Piratenpartei auch zugestimmt.

Dem Einspruch der Piraten gibt er wenig Chancen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wahl für ungültig erklärt wird, aber ganz ausschließen würde ich es auch nicht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Soweit ich das sehe sollte spätestens der Bremische Staatsgerichtshof den Piraten recht geben.

    1. In §19 Abs. 2 BremWahlG steht (für die Bürgerschaftswahl): "Die Bewerber können auch in einer gemeinsamen Mitglieder- oder Vertreterversammlung im Gebiet der Freien Hansestadt Bremen gewählt werden." Also: Der Landesverband kann die Bürgerschaftslisten für Bremen und Bremerhaven aufstellen. Bei den Beiratswahlen legt dann §48 Abs. 2 fest: "Es treten an die Stelle (...) des Gebietes der Freien Hansestadt Bremen --> das Gebiet aller Beiratsbereiche, in § 19 Abs. 2 der für mehrere Beiratsbereiche satzungsmäßig zuständige unterste Gebietsverband (...)".



    Das übersetzt sich dann für die Beiratswahlen in: "Die Bewerber können auch in einer gemeinsamen Mitglieder- oder Vertreterversammlung des für mehrere Beiratsbereiche satzungsmäßig zuständigen untersten Gebietsverbands gewählt werden."



    Ist schon recht kompliziert. Wenn aber die Piraten sagen, unterhalb des Landesverbands gibt es keine weitere Aufteilung, dann ist der Landesverband ihr unterster Gebietsverband. Und er wäre zweifellos für mehrere Beiratsbereiche, nämlich für alle zuständig.



    2. Wenn die BewerberInnen für die Bürgerschaftswahl, wie in § 19 Abs. 2 angegeben, vom Landesverband aufgestellt werden können, heißt das, dass die Mitglieder in der Stadt Bremen auch BewerberInnen für den Wahlbereich Bremerhaven aufstellen können und umgekehrt, also für Wahlbereiche, in denen sie selbst letzten Endes gar nicht wählen dürfen. Das müsste dann analog auch für die Beiräte gelten, zumindest fällt mir kein stichhaltiger Grund ein, warum ein Bremerhavener zwar BewerberInnen für den Wahlbereich Stadt Bremen aufstellen dürfte, nicht aber für die Beiräte der Stadt Bremen, die ja viel weniger Macht haben.

    • @V. Ohneland:

      3. Interessant auch das Verhältnis zu EinzelbewerberInnen, die ja bei den Beiratswahlen zugelassen sind. Die Piraten merken ganz zu Recht an, dass sie als Partei gegenüber Einzelnen nicht schlechter gestellt werden dürfen. Nach Lesart des Wahlamts jedoch braucht es im Beirat min. drei Mitglieder einer Partei, um eineN KandidatIn aufzustellen, also zwei mehr als bei einer Einzelperson. Das ergibt keinen Sinn.

      4. Nicht zuletzt widerspricht diese Entscheidung auch dem Grundsatz der Normenklarheit. Wenn schon der Landeswahlleiter das Gesetz in der Vergangenheit anders gelesen hat, wieso soll eine Partei es besser auslegen können? Laut Piraten hat der Wahlbereichsausschuss in der Niederschrift der Sitzung sogar selbst die Bürgerschaft dazu aufgerufen, die Passagen klarer zu formulieren. Aber so geht‘s ja nun auch nicht: Erst restriktiv auslegen, dann um Klärung bitten? Besser wäre wohl gewesen, die bisher angewandte Regel beizubehalten und erst dann eine restriktivere anzuwenden, wenn diese klar im Gesetz steht.

      5. Übrigens: Aus der Bremischen Landesverfassung: „Artikel 78 (1) Das Recht auf Bildung und Ausübung parlamentarischer Opposition wird gewährleistet. (2) Oppositionsfraktionen haben das Recht auf politische Chancengleichheit sowie Anspruch auf eine zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben erforderliche Ausstattung.“ Das bezieht sich zwar rechtssystematisch eher auf die Arbeit in der Bürgerschaft, impliziert aber schon auch, dass kleinere Parteien nicht benachteiligt werden dürfen, indem es ihnen z.B. erschwert wird, BeiratskandidatInnen aufzustellen.

      • @V. Ohneland:

        Vielleicht hab ich ja irgendwas übersehen oder missverstanden, aber mir erschließt sich diese Entscheidung des Wahlamts bzw. Wahlbereichsausschusses immer weniger je länger ich über sie nachdenke. Sie fiel laut Piraten auch nicht einstimmig, sondern mit fünf zu zwei Stimmen. Dafür dass hier unter Umständen die Wahlen in gleich sechs Beiratsbereichen nachgeholt werden müssten ist das reichlich knapp und wackelig.

        Noch eine Anmerkung: Wenn ich das richtig verstanden habe, haben die Piraten ihre Wahlvorschläge schon am 15. Februar eingereicht, nicht erst Mitte März wie hier im Artikel steht.

        Weiterführende Informationen bei den Piraten findet man vor allem hier: piratenpartei-brem...nlegen/2019/04/06/

        To whom it may concern.