Streit um Berliner Neutralitätsgesetz: Soll das Kopftuch verboten bleiben?
Eine Lehrerin, die ihr Kopftuch im Unterricht tragen will, klagt vor dem Berliner Arbeitsgericht auf Entschädigung – wegen Diskriminierung.
Ihre Mandantin, die beide Staatsexamen sowie das Referendariat absolviert habe, sei mehrfach als Grundschullehrerin nicht genommen worden, so Haschemi Yekani – obwohl in diesem Bereich derzeit auch QuereinsteigerInnen eingestellt würden. „Es geht offensichtlich um ihr Kopftuch, nicht um ihre Qualifikation als Lehrerin“, sagte die Anwältin der taz. Dass eine Diskriminierung nach dem AGG vorliegt, stehe also außer Frage. „Im Rahmen dieses Rechtsstreits wird es um die Frage gehen, inwieweit das Berliner Neutralitätsgesetz eine Diskriminierung rechtfertigt.“
Dieses Gesetz verbietet seit 2005 BeamtInnen „im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs oder der Polizei“ sowie LehrerInnen im Dienst das sichtbare Tragen von Symbolen oder Kleidungsstücken, „die eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft“ erkennen lassen. Die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes wird seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) von Januar 2015 allerdings breit diskutiert.
Damals hatte das oberste deutsche Gericht zwei Klägerinnen gegen das Kopftuchverbot in NRW recht gegeben. Hauptargument der Richter war, dass allein der Verweis auf das Gebot der staatlichen Neutralität nicht genüge, um LehrerInnen ihr Grundrecht auf freie Religionsausübung zu verbieten. Vielmehr müsse im konkreten Fall durch das Kopftuch der Schulfrieden oder die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet sein.
In Berlin kam daraufhin der wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses zu dem Schluss, auch das Berliner Neutralitätsgesetz müsse nun überarbeitet werden. Rot-Schwarz entschied dennoch im Oktober, es unverändert beizubehalten.
Laut Anwältin Haschemi Yekani hat das BVG-Urteil ihre Mandantin motiviert, gegen das Land Berlin zu klagen. Unterstützt wird die Klägerin dabei vom Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg sowie vom Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan). Berlin übergehe „geltendes höheres Recht“, sagt Nina Mühe von Inssan, „das ist keine haltbare Situation.“
Das Gesetz kippen kann das Arbeitsgericht allerdings nicht. Dies stehe allein in der Macht des BVG, erklärte eine Sprecherin des Arbeitsgerichts. Allerdings sei es möglich, dass die Arbeitsrichter den Fall dem BVG vorlegen. Und das kann dann dauern.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen