Streit um Antisemitismus: Trotzkisten verlassen Linkspartei
Die Gruppe Sozialismus von unten um Christine Buchholz verlässt die Linke. Sie solidarisiert sich mit ihrem ausgeschlossenen Mitglied Ramsis Kilani.
Nach dem Ausschluss des Palästina-Aktivisten und Neuköllner Linken-Mitglieds Ramsis Kilani aufgrund israelfeindlicher und auch Hamas-verherrlichender Aussagen ziehen sich weitere Mitglieder der Partei zurück. Sozialismus von unten, eine Abspaltung des in der Linken organisierten trotzkistischen Netzwerks Marx 21, dem Kilani angehört, hat in einer Erklärung seinen Mitgliedern empfohlen, „die Arbeit in der Linken zu beenden“.
Die einige Dutzend Personen umfassende Gruppe Sozialismus von unten hatte sich vor einem Jahr von Marx 21 abgespalten und sich auf den Aufbau einer eigenständigen Gruppe fokussiert. Nach dem Bundesparteitag der Linken in Halle/Saale im Oktober wurde der Schritt hin zu einer parteiunabhängigen Organisierung bekräftigt.
Nun folgt der letzte Schritt. Der Partei wird „politisches Versagen“ vorgeworfen, weil sie sich „nicht der Hetze von Teilen der Medien entgegenstellt, die Linke habe ein Antisemitismusproblem“. Kilani war mit provozierenden Äußerungen im Zuge einer aus dem Ruder gelaufenen Debatte um eine Antisemitismus-Resolution auf dem Landesparteitag der Berliner Linken im Oktober öffentlich bekannt geworden.
Sozialismus von unten stellt ebenso wie Marx 21 das Existenzrecht Israels infrage, plädiert für eine Einstaatenlösung und verteidigt pauschal das „Recht auf Widerstand“. Der Ausschluss Kilanis aufgrund dieser Positionen wird als „Attacke auf alle Teile der Linken, die in der Bewegung für Solidarität mit Palästina aktiv sind“, gewertet.
Chirstine Buchholz geht
Mit dem Abgang von Sozialismus von unten verlässt auch eine prominente Linke die Partei: Die in Treptow-Köpenick organisierte ehemalige Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz. In ihrer Austrittserklärung wirft sie der Linken-Führung vor, sich nicht vor den öffentlich angegriffenen Kilani gestellt zu haben: „Diese Feigheit ist die Kehrseite der absoluten Zaghaftigkeit, den Genozid in Gaza und die deutsche Mittäterschaft anzuklagen.“
Als Zentrum der Marx 21-Aktiven und auch ihrer beiden Abspaltungen gilt der Bezirksverband Neukölln. Dieser hatte das Mittel von Parteiausschlussverfahren kritisiert. Nach Informationen der taz ist es dort im Zuge der Ankündigung von Sozialismus von unten bislang zu einem Parteiaustritt gekommen. Eine Schwächung der Parteistrukturen werde nicht erwartet. Die Neuköllner Linke hat zuletzt mit Hunderten Aktiven, darunter vielen von Marx 21, den Haustürwahlkampf gestartet, um die Kandidatur von Ferat Koçak, Mitglied des Abgeordnetenhauses, als Direktkandidat für den Bundestag zu unterstützen.
In der Partei gab es zuletzt Stimmen, konsequenter gegen die trotzkistischen Gruppierungen vorzugehen. So hatte der Berliner Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg, der im Zuge des Streits um Antisemitismus in der Berliner Linken selbst ausgetreten war, „Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit Sekten wie ‚Marx21‘, ‚Palästina spricht‘ oder ‚Sozialismus von unten‘ gefordert.
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