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Streit über TransitzonenSPD soll „Bockigkeit“ aufgeben

Union und SPD können sich nicht über sogenannte Transitzonen für Flüchtlinge einigen. Die SPD schlägt stattdessen offene Einreisezentren vor.

Ein afghanischer Flüchtling wartet an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Foto: dpa

BERLIN dpa | Nach dem Scheitern des Koalitionsgipfels zur Flüchtlingskrise streiten Union und SPD heftig über die Schaffung sogenannter Transitzonen. Die Vorsitzende der CSU-Bundestagsabgeordneten, Gerda Hasselfeldt, forderte den Koalitionspartner am Montag im Deutschlandfunk auf, sich in dem Punkt zu bewegen. Es sei für die SPD an der Zeit, zu einer sachlichen Bewertung der Transitzonen zurückzukehren.

Bei dem vorgeschlagenen Konzept handle es sich weder um umzäunte Gefängnisse noch würden Haftbedingungen vorherrschen, „weil man sehr wohl raus kann, und in die Richtung des Landes, aus dem man kommt“. Die Parteien seien in einer gemeinsamen Verantwortung, für die Aufnahme der Flüchtlinge eine schnelle Lösung zu finden, erklärte die CSU-Landesgruppenchefin.

Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte den Koalitionspartner im ARD-„Morgenmagazin“ auf, „diese Bockigkeit aufzugeben“. Die Partei müsse erkennen, dass man die Integrationskraft der Gesellschaft nicht überfordern dürfe.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner dagegen bezeichnete Transitzonen als „nicht praktikabel, nicht verfassungskonform und nicht human“. Das Unionskonzept würde nichts nützen und nur der Stimmungsmache dienen. Die SPD lehnt es vor allem ab, Flüchtlinge in solchen Zonen notfalls auch festzuhalten. Als Alternative hat sie dezentrale und nicht abgeriegelte sogenannte Einreisezentren vorgeschlagen, in denen sich Flüchtlinge als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen registrieren lassen sollen.

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5 Kommentare

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  • Ich frage mich, was die CSU will. Wir sehen ganz klar ihre Hetze, und wie sie sich in der Flüchtlingsfrage offenbar mit Erfolg querstellt. Gleichzeitig nehmen fremdenfeindliche Anschläge zu; gerade dieses Wochenende wieder. Ich bin offenbar nicht die Einzige, die hier einen Zusammenhang erkennt. Will die CSU wirklich soziale Unruhen? Wenn ja, was ist ihr Kalkül dabei? Denn ihre Politik läuft geradezu darauf hinaus.

     

    Gleichzeitig fällt mir auf, dass nicht nur von der SPD in dieser Situation kaum etwas zu hören ist, sondern gerade auch von der Opposition, also den Grünen und der Linkspartei. Was bedeutet das?

    • @Smaragd:

      Es bedeutet, dass längst ein Regierungswechsel zu rot-(rot)-grün vorbereitet wird. Dafür ist es notwendig, dass die Groko nicht funktioniert, und eine Art Oder-Flut-Effekt aufrecht erhalten bleibt.

      Ich sehe es nicht, dass von der SPD nichts zu hören ist, sondern, dass die einfach nichts zur Problemlösung tun - absichtlich. Statt dessen fliegt Steinmeier mit Hüpfburg-Ötzi nach Afghanistan, Oppermann beruhigt zusammen mit Trittin die Bürger - der rot-grüne Wahlkampf hat längst begonnen. Dummerweise sind die Anschläge und Pack-Rhetorik die einzigen Argumente.

      • @Rolf Erler:

        Ein nettes Szenario. Ich spinne es mal weiter:

         

        Es kommt Anfang 2016 zu vorgezogenen Bundestagswahlen. Da die Meinungsforschungsinstitute einhellig prognostizieren, dass weder die CDU/CSU noch Rot/Rot/Grün eine Mehrheit schaffen werden, kommt es zur 137. überraschenden Wende in der politischen Karriere Merkels. Sie wird zur Spitzenkandidatin der Grünen gekürt.

         

        Die Folge dieses Tapetenwechsels ist ein grandioser Sieg von Rot/Rot/Grün, Selbstverständlich heißt die nächste Kanzlerin dann Merkel.

         

        Wir leben ja in Deutschland.

  • Womöglich sollte sich auch die CDU bewegen? Die unionsparteien haben zwar die meisten Stimmen. Aber die MEHRHEIT ist trotzdem gegen Transitzonen. SPD Grüne und Linke haben schließlich die Mehrheit. Eine Minderheit versucht hier etwas auf biegen und brechen durch zu bringen.

     

    Und das Transitzonen Verfassungskonform sind, dagegen spricht eigentlich ein Fakt. Der Vorschlag kam von der CSU. Welcher Vorschlag den die CSU in den letzten 2 Legislaturperioden durchgebracht hat ist nicht am Verfassungsgericht gescheitert?

  • Ich kann Ralf Stegner nicht widersprechen: Die Transitzonen, auf denen die CSU bockig wie selten beharrt, sind weder verfassungskonform noch praktikabel. Zumindest, wenn sie nicht wie Gefängnisse gestaltet werden. Umenschlich sind sie außerdem. Sie dienen, ganz sachlich gesehen, tatsächlich nur der "Stimmungsmache".

     

    Allerdings braucht sich die SPD jetzt gar nicht so zu echauffieren (und auch die Grünen sollten eher schweigsam sein). Die SPD hat der CSU schließlich den Weg geebnet. Und zwar mit Blick auf eine Stimmung, die sie womöglich zwar nicht machen wollte, die sie aber gefürchtet hat. Wer sichere Herkunftsstaaten deklariert bzw. deklarieren lässt, der macht es CSU-Politikern erst möglich, ein ziemlich ekliges Prinzip bis an sein (vorläufiges) Ende auszuspinnen. Da hat das Vorurteil Gesetzesform erhalten. Nun kann man (wieder) Lager installieren, in denen man ganz ohne Anschauung des Einzelfalls nach Nationalität und/oder Volksgruppe selektiert. Seinen Wählern aber kann man diese Lager als rechtsstaatliche Einrichtung verkaufen. Als demokratisch legitimierte Panikbewältigungsstrategie, für die man sich nicht mal zu schämen braucht.

     

    Unmenschlichkeit als Staatsdoktrin – hatten wir das nicht schon mal?

     

    Übrigens: Die deutsche "Gesellschaft" hat bisher noch gar keine Gelegenheit bekommen, ihre "Integrationskraft" auszutesten. Bisher, nämlich, sind erst mal nur deutsche Verwaltungen gescheitert. Und zwar an Bewältigung selbst aufgestellter Hürden. Mit einer gleichbleibenden Zahl von Mitarbeitern kann man einfach nicht in der selben Zeit ein Vielfache an Anträgen ganau so penibel prüfen wie noch vor zwei Jahren. Die CSU darf das natürlich nicht so laut erklären. Sie selber nämlich ist so etwas wie der Chef der Bayerischen Verwaltungsmitarbeiter – und selber ein Versager, wenn ihre Untertanen nicht so richtig unfallfrei parieren können.