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Streit über CetaUnsicher! Schlecht. Positiv?

Kritik von allen Seiten: Belgien überlegt, ein Ceta-Veto einzulegen. Die IG-Metall kritisiert die Zusatzerklärung des Abkommens.

Nur er findet's gut Foto: dpa

Brüssel/Berlin taz | Der Streit über Ceta überschattet den EU-Gipfel in Brüssel. Ursprünglich wollten die 28 Staats- und Regierungschefs den Vertrag zwischen der EU und Kanada dort als das „fortschrittlichste Handelsabkommen der Welt“ feiern. Stattdessen mussten sie auf Neuigkeiten vom belgischen Premier Charles Michel warten, der den Widerstand der Region Wallonie brechen soll.

Dort stehen die regierenden Sozialisten unter hohem Druck. Ministerpräsident Paul Magnette wurde von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und dem französischen Premierminister Manuel Valls gedrängt, sein Veto gegen Ceta aufzugeben. Malmström hatte zunächst ein Ultimatum bis Freitag – also zum Ende des EU-Gipfels – gestellt.

Doch Magnette wies das zurück und warnte, die Verhandlungen könnten Wochen dauern. So lange will die EU aber nicht mehr warten. Sie fordert nun eine Einigung bis Montag, damit das Abkommen kommende Woche beim EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden kann. Alles andere wäre eine Blamage, heißt es in Brüssel.

Auch im Bundestag: Kritik, Kritik, Kritik

Auch in Deutschland wird weiter heftig über Ceta gestritten. In einer Aktuellen Stunde im Bundestag warf Klaus Ernst (Die Linke) der Regierung vor, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht vollständig umgesetzt würden. So sei keineswegs gesichert, dass Deutschland die vorläufige Anwendung wie gefordert einseitig beenden könne, sagte Ernst. Die Fraktion prüfe daher neue rechtliche Schritte.

Für die Grünen kritisierte Bärbel Höhn, durch die Zusatzerklärung zu Ceta, auf die sich die EU und Kanada geeinigt hätten, würde das Abkommen nicht besser, sondern – etwa beim Vorsorgeprinzip – sogar schlechter.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wies die Kritik zurück. Die Zusatzerklärung behebe viele noch bestehende Kritikpunkte an Ceta, betonte der SPD-Chef – „und zwar rechtsverbindlich“. Genau das bestreitet allerdings ein neues Gutachten, das die IG Metall bei der früheren SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin in Auftrag gegeben hat. „Es handelt sich um eine Auslegungserklärung“, betonte sie. Diese komme nur in Konfliktfällen zur Anwendung. „Und es ist überhaupt nicht gesagt, dass Gerichte diese berücksichtigen“, sagte Däubler-Gmelin.

Auch der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hoffmann, der Ceta im Grundsatz positiv sieht, äußerte als Konsequenz aus dem Gutachten Kritik. Notwendig sei „eine völkerrechtlich verbindliche Aufnahme einer inhaltlich weiterentwickelten Erklärung in das Ceta-Vertragswerk“, sagte er.

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9 Kommentare

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  • Steckt euch CETA an den Hut. Da gibt es nichts nachzubessern, weil es noch nie gut war. Und TISA gleich mit.

     

    Warum lassen wir uns diesen Betrug, diesen Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat und diese Mätzchen überhaupt noch bieten?

  • Respekt für die - wie auch immer motivierte - Standhaftigkeit der Wallonen: Selbst wenn die Behauptungen, dass mit der Zusatzerklärung alle rechtlichen Bedenken ausgeräumt seien (was heftig bezweifelt werden darf), zutreffen sollten, haben Kommission und insbesondere auch die deutsche Regierung, speziell Merkel und Gabriel, für den unsäglichen Dilettantismus im Umgang mit dem Streitthema jede noch so heftige Klatsche redlich verdient.

     

    CETA ist seit langem ausverhandelt; der Vertragstext (zumindest in der englischen Version) ist seit September 2014 öffentlich. Die ersten Klagen beim BVerfG gegen das Abkommen wurden 2015 eingereicht. Statt sich aber mit den nachvollziehbaren Klagegründen sachlich auseinanderzusetzen, haben unsere "Regierenden" es vorgezogen, weiterhin gegen die CETA-Gegner zu stänkern ("Hysterie", "Antiamerikanismus"). Erst als vor wenigen Wochen (und nach gigantischen Demonstrationen) deutlich wurde, dass das BVerfG die Klägerargumente doch ernst nehmen könnte, wurde hektische Aktivität entfaltet und die "Zusatzvereinbarung" geboren.

     

    Die völkerrechtliche Verbindlichkeit dieses Papiers ist bislang nur behauptet, aber nicht belegt. Herr Gabriel möge bitte verzeihen, dass nicht nur ich nach allen bisherigen Erfahrungen in die Redlichkeit oder Verbindlichkeit seiner Behauptungen kein Vertrauen habe - was möglicherweise eher dem Eindruck geschuldet ist, dass er von den Details der Materie offensichtlich keine Ahnung hat.

     

    Es gibt keinen sachlichen Grund, CETA in der aktuellen zusammengeflickten, "unordentlichen" Version jetzt und gleich durchpauken zu wollen. Wer nachweisen will, dass es wirklich "das beste je ausgehandelte Freihandelsabkommen" ist, möge sich und uns bitte ein halbes Jahr Zeit gewähren, um die versprochenen Verbesserungen und Bereinigungen in den Vertragstext einzuarbeiten und insbesondere die Sondergerichtsbarkeit, für die zwischen Rechtsstaaten keinerlei Notwendigkeit besteht, zu streichen. Jede andere Vorgehensweise ist verdächtig.

  • Über CETA sollte allein das Europäische Parlament entscheiden und die Oarlamentarier dafür politisch gegenüber ihren Wählern verantworten. Das wäre demokratisch, transparent und effektiv. Wozu haben wir das Parlament gewählt?

    • @OPanini:

      Von über 700 Mitglieder dieser Quasselbude kann ich gerade mal 96 wählen.

      Das Europaparlament ist nicht demokratisch.

    • @OPanini:

      Wenn man so überhaupt nicht weiß, mein guter @Opanini, worum es bei dem Konflikt eigentlich geht, sollte man sich der Kommentierung enthalten.

       

      Das EU-Parlament hat keinerlei Legitimation, wesentliche Elemente des deutschen Grundgesetzes (und vermutlich auch anderer Verfassungen) außer Kraft zu setzen.

      • @Bitbändiger:

        Wieso denn nicht? Und wenn die von und und unseren Europäischen Mitbürgern in demokratischer Wahl gewählten gewählten EU-Organe wirklich nicht die Kompetenz haben, einen Handelsvertrag abzuschließen (nur einen Handelsvertrag für die Mitglieder eines gemeinsamen Wirtschaftsraums!) dann sollte man dem Europäischen Parlament dafür die Kompetenz einräumen. Man kann ja dafür oder dagegen sein. Aber warum kann darüber nicht auf Europäischer Ebene abgestimmt werden. Und das Ergebnis, wie es auch immer ausfällt, wird dann eben von allen Demokraten akzeptiert. Letzteres scheint manchen wohl schwierig zu verkraften, wenn das Ergebnis eventuell nicht das gewünschte sein sollte. Wie würde wohl in diesem Forum diskutiert werden, wenn ein wallonisches Regionalparlament die europaweite Abschaffung der Atomkraft blockierte, unterstellt, das läge in der Kompetenz der EU, während die Grünen im Europäischen Parlament eine absolute Mehrheit hätten?

        • @OPanini:

          Schön, dass Sie so interessiert sind, lieber @Opanini.

           

          Die Kritik (auch der Wallonen) richtet sich gegen

           

          - die Entmachtung des verfassungsmäßigen Gesetzgebers, wenn es um Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozialgesetzgebung geht,

           

          - die drohende Absenkung von Verbraucherschutz-, Arbeitsrechts- und Umweltstandards,

           

          - die Übertragung verbindlicher Regelungskompetenzen auf ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium ("gemeinsamer CETA-Ausschuss") und

           

          - die Etablierung einer Sondergerichtsbarkeit, die nur Investoren der "Gegenseite", nicht aber Einheimischen offensteht.

           

          Näheres dazu in der Begründung einer der Klagen gegen CETA

          https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2016-08-30_CETA-Klage.pdf

           

          sowie einer Ergänzung dazu

          https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2016-10-09_1._Ergaenzung_der_CETA-Klage.pdf.

           

          Nach dieser Lektüre wissen Sie mehr und verstehen vor allem, dass unsere famose Regierung, von der EU-Kommission ganz zu schweigen, besser daran getan hätte, sich mit den sachlichen Argumenten auseinanderzusetzen, statt die Gegner als Hysteriker und Antiamerikanisten zu beschimpfen.

        • @OPanini:

          Lesen Sie mal Grundgesetz Artikel 23 und 79. Das Grundgesetz war nun mal zu erst da und legt deutlich fest, dass auch das EU-Parlament - egal, ob dafür eine zusätzliche Wahl stattfindet oder nicht - nur mit Zustimmung einer 2/3-Mehrheit Gesetze beschließen kann, die das Grundgesetz beeinflussen. Wer das ändern will, muss das Grundgesetz ändern - und braucht dafür ebenfalls eine 2/3-Mehrheit im Bundestag. Es wäre aber dumm, daran etwas zu ändern, denn diese Regelung stellt sicher, dass gravierende Gesetzesänderungen nur mit einer sehr breiten parlamentarischen Mehrheit erfolgen können. Eine einfache Mehrheit reicht auch in einer Demokratie nicht immer aus, um etwas durchzusetzen. Sehen Sie sich doch mal an, in was für ein Chaos Großbritannien die 50/50-Brexit-Abstimmung gestürzt hat...

          • @mancunian:

            Ich halte wenig von Verrechtlichung politischer Debatten. Das ist leider eine neue Mode, die dazu führt, dass Laien sich ohne Mehrwert für die politische - und letztlich wesentliche - Debatte aufs Glatteis begeben. Meine Meinung, ein echter Europäer und Demokrat müsse dafür sein, allein das Europäische Parlament über den Abschluss eines Handelsabkommens (bei aller Empörung vergißt man immer, dass es nicht um die Abschaffung des Abendlandes oder die Wiedereinführung der Todesstrafe geht) entscheiden zu lassen, mit der Folge, dass die Entscheidung von allen europäischen Demokraten, welcher politischen Richtung auch immer, akzeptiert wird, ist ein (verfassungs)politischer Einwurf. Und ja, wenn erpolitisch richtig wäre, schiene es ziemlich kleinkariert, sich in dieser Frage über die Blockademöglichkeit eines Regionalparlamentes zu freuen. Zum Juristischen: Wenn Sie meinen, unsere nationale Verfassung stünde hier de lege lata einer alleinigen Entscheidung durch das von allen Europäern gewählten Parlaments entgegen, dann verstehen Sie bitte meine Ausführungen de lege ferenda. Nebenbei: Das Bundesverfassungsgericht hat ja in der Sache noch nicht entschieden und de lege laga die Ratifizierung unter Vorbehalten erlaubt. Auch kann man ja darüber nachdenken, mit welcher Mehrheit das Europäische Parlament abstimmen sollte. Das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten für bestimme Entscheidungen ist natürlich kein Privileg des deutschen Verfassungsrechts.