Streit im Berliner Senat: Müller interveniert beim Tierschutz
Müller schreitet ein: Der Regierungschef will Spitzenforschung, Coronabekämpfung und Jobs nicht durch Komplett-Verzicht auf Tierversuche gefährden.
![Das Foto zeigt den Regierenden Bürgermeister Mciahel Müller von der SPD neben Justizsenator Dirk behrednt von den Grünen, Am rechten Bildrand steht SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Das Foto zeigt den Regierenden Bürgermeister Mciahel Müller von der SPD neben Justizsenator Dirk behrednt von den Grünen, Am rechten Bildrand steht SPD-Fraktionschef Raed Saleh.](https://taz.de/picture/4513003/14/26318012-1.jpeg)
Zuvor hatten erst die Spitzen der Charité und des Robert-Koch-Instituts einen mahnenden Brief an die Senatskanzlei geschickt, kurz darauf auch Vorstände von Pharma-Unternehmen. Darin heißt es unter anderem: „Sollte beabsichtigt sein, Tierversuche im Land Berlin zu unterbinden, wird dies zur Folge haben, dass Studien für neue Medikamente, wie zum Beispiel Therapien zur Behandlung von Covid betroffenen Patienten, mit sofortiger Wirkung gestoppt werden müssten.“
Anlass war zum einen eine Äußerung der von Behrendt eingesetzten Tierschutzbeauftragten, wonach Berlin „Hauptstadt der tierfreien Forschungsmethoden“ werden soll. Zum anderen tagt die für Tierversuche zuständige Kommission seit Anfang September nicht mehr – wegen der noch offenen und umstrittenen Neubesetzung mit mehr Tierschützern.
Auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Adrian Grasse sagte Müller, der auch Wissenschaftssenator ist und gerne nach der Wahl 2021 Bundesminister für dieses Ressort wäre, man müsse mit Tierversuchen zwar „sehr sensibel umgehen“, aber auch „Wissenschaft und Wirtschaft“ berücksichtigen. Zwar würden inzwischen deutlich weniger Tiere für Versuche gebraucht, aber: „Zur Wahrheit gehört auch, dass wir noch nicht in allen Bereichen auf Tierversuche verzichten können.“
Auch in der Corona-Pandemie wichtig
Aus Müllers Sicht haben fast alle wirtschaftlichen Erfolge Berlins in den vergangenen Jahren eine Verbindung zu Wissenschaft und Forschung. Unternehmen träfen Investitionsentscheidungen, die mit Arbeitsplätzen verbunden seien, weil sie hier eine solche Schnittstelle vorfänden – „und wir dürfen nicht riskieren, dass es da zu einem Abbruch kommt.“
Notparlament Das Abgeordnetenhaus will auf einen noch schwereren Verlauf der Coronakrise vorbereitet und auch mit weniger als der Hälfte seiner Mitglieder beschlussfähig sein. Mit Ausnahme der AfD einigten sich alle Fraktionen auf eine bis Ende 2021 befristete Verfassungsänderung, die das Parlament am 10. Dezember beschließen will. Künftig soll es in Krisenzeiten für Beschlüsse reichen, wenn ein Viertel der Abgeordneten – 40 von 160 – im Saal sind.
Mietendeckel In den neun Monaten des Mietendeckels sind bei den Bezirken 1.722 Verstöße angezeigt worden. Diese Zahl nannte Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linkspartei). Bezogen auf die vom Deckel betroffenen 1,5 Millionen Wohnungen entspricht das einem sehr geringen Anteil von wenig mehr als einem Promille. In 1.014 Fällen ging es um das Verbot, die Bestandsmieten zu erhöhen. Die rot-rot-grüne Koalition feierte den Deckel in der Plenardebatte als Erfolg, Oppositionsredner machten ihn für Stillstand und weniger Angebot verantwortlich. FDP-Fraktionschef Czaja sah durch den Deckel gar „Chaos auf dem Wohnungsmarkt". (sta)
Der Regierungschef hob zudem die Bedeutung der Forschung in der Coronakrise hervor, dank derer voraussichtlich nach nur 15 Monaten ein Impfstoff zur Verfügung steht. „Und das ist eben leider im Moment nur möglich durch den Einsatz von Tierversuchen, die in diesen Bereichen unabdingbar sind.“
Behrendt und Staatsekretär Krach hatten sich zuvor heftig attackiert. „Natürlich wünschen wir uns alle so wenige Tierversuche wie möglich“, sagte Krach am Montag. Aber Wissenschaft sei keine Spielwiese für „Wunschdenken“, es gehe auch nicht um Hautcreme, sondern um Krebs und Corona – „da helfen Globuli nicht weiter.“ Behrendt soll sich daraufhin bei Müller über Krach beschwert haben. Zudem sagte er: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Einzelne die Situation nutzen wollen, um hinter die Vereinbarungen in der Koalition zugunsten von mehr Tierschutz in der Forschung insgesamt zurückzufallen.“
Von einer bereits kolportierten Koalitionskrise wollte Müller im Abgeordnetenhaus aber nichts wissen – er habe im Senat „keine andere Position gehört“, die von seiner Sichtweise abweicht. Eher wolkig äußerte er sich zur Besetzung der Tierversuchskommission: „Wir werden auf dieser Grundlage zu einem guten Ergebnis kommen.“
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