Streit bei Grünen um NSU-Ausschuss: Rücktritt wegen Rückgrat
Gorden Isler findet den Umgang der Hamburger Grünen mit ihrer Abgeordneten Miriam Block „unerträglich“. Sein Amt im Landesvorstand legt er nun nieder.
Mitte April waren die Grünen an dem Versuch gescheitert, der mitregierenden SPD einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Umstände des Mords an Süleyman Taşköprü abzuringen. Taşköprü wurde 2001 vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) erschossen. Die Hamburger Ermittlungsbehörden waren nicht in der Lage, den Mord aufzuklären, ein rechtsextremes Motiv sahen sie gar nicht erst.
Anders als die Grünen fand die SPD jedoch in den Fraktionsgesprächen der vorhergehenden Wochen, es gebe keine offenen Fragen mehr zum NSU-Komplex in Hamburg. Am Ende der Verhandlungen stand ein Kompromiss, der bei den Grünen eine Menge Wut auslöste: Statt eines PUA mit weitreichenden Anhörungsrechten der Parlamentarier:innen soll es nun lediglich eine wissenschaftliche Aufarbeitung geben.
Die Grünen-Abgeordnete Miriam Block rebellierte gegen den Kompromiss: Sie stimmte in der Bürgerschaft gegen ihre Fraktion und für den Antrag der Linkspartei zur Einsetzung eines PUA.
Umgang mit Miriam Block „völlig unverhältnismäßig“
Den nachfolgenden Umgang der Fraktionsspitze um Dominik Lorenzen und Jenny Jasberg kritisiert der nun zurückgetretene Isler scharf: „Für mich persönlich ist das unerträglich. In meiner Rolle als Mitglied des Landesvorstandes halte ich die Maßnahmen der Fraktion gegen die Abgeordnete Miriam Block für völlig unverhältnismäßig“, sagt Isler.
Denn nachdem Block sich nicht an die eingeforderte Fraktionsdisziplin gehalten hatte, stimmte die Fraktion dem Antrag der Fraktionsspitze zu, die 33-Jährige als Sprecherin für Wissenschaft und Hochschule abzuwählen sowie aus den Ausschüssen für Wissenschaft und Inneres abzuberufen. Isler sagt, er hätte in dieser Situation von der Fraktionsspitze „eine weitreichendere Einbindung des Landesvorstands erwartet“.
Dabei hatte sich die Fraktionsspitze bei dem Umgang mit Block nicht nur die Rückendeckung der grünen Senator:innen geholt, sondern auch der Spitze des Landesvorstandes. Isler, der im Mai 2021 in den Landesvorstand gewählt wurde, sieht sich dabei als Beisitzer nicht gehört.
Er verbindet seinen Rücktritt nun mit einem Appell an die Fraktionsspitze: Sie solle „politische Verantwortung für diese schwerwiegende Krise übernehmen“ und die Abstrafung Blocks neu überdenken.
Miriam Block soll neues Amt bekommen
Fraktionschef Dominik Lorenzen verweist hingegen darauf, dass die Fraktion schließlich mit einer deutlichen Zwei-Drittel-Mehrheit entschieden habe, Block von ihren bisherigen Ämtern abzuziehen. Allerdings deutet Lorenzen an, dass Block künftig wieder enger in die Fraktion eingebunden werden soll: „Wir blicken nun nach vorn und beraten aktuell, in welchem Ausschuss Miriam Block einen zusätzlichen Vollsitz übernehmen wird“, sagt Lorenzen der taz.
Ohnehin herrscht bei den Grünen nun die Hoffnung, dass nach den debakelreichen Wochen, in denen auch das Platzen der Koalition zwischenzeitlich denkbar schien, wieder Ruhe einkehrt. Schließlich hatte das grüne Agieren bundesweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen, selbst in der Bundestagsfraktion gab es verständnislose Reaktionen für den Umgang der Hamburger Grünen mit Block.
Und so verwundert es kaum, dass die Hamburger Parteispitze um die beiden Vorsitzenden Maryam Blumenthal und Leon Adam schmallippig auf den Rücktritt Islers reagiert. Sein Name war bereits vor einigen Tagen hinweislos von der Liste des Landesvorstandes auf der Grünen-Homepage entfernt worden: „Wir bedauern den Rücktritt von Gorden Isler sehr“, teilt die Parteispitze auf Anfrage mit. „Wir danken ihm für sein großes Engagement und die gute Zusammenarbeit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker