Streikstimmung am Flughafen: Viel Spaß, wenig Geld
Beschäftigte eines Dienstleisters am Hamburger Flughafen verlangen 1,50 Euro mehr pro Stunde – und drohen mit Streik. Die Arbeitgeber verweisen auf Kostendruck und Konkurrenz.
Bei den Beschäftigten der „Aviation Handling Service“ am Hamburger Airport rumort es: Wenn es am heutigen Donnerstag bei den Tarifgesprächen nicht zu einem neuen Angebot für die 300 Beschäftigten kommt, steht womöglich dem Flughafen erneut ein Arbeitskampf im Abfertigungssektor bevor. Im Winter hatten bereits die Sicherheits-Assistenten der Passagierkontrolle durch Streiks den Airport für Tage lahmgelegt und eine 15-prozentige Lohnerhöhung durchgesetzt.
„Wir suchen nicht den Konflikt“, sagt die Luftverkehr-Sekretärin der Gewerkschaft Ver.di, Irene Hatzidimou der taz. „Aber wir sind an einem Punkt angekommen, dass wir auf der Grundlage eines Angebots von einem Prozent mehr Lohn nicht weiter verhandeln können.“
Als Horst Müller* den ersten Tag in seinem neuen Job am Fuhlsbüttler Flughafen angetreten hatte und bei strömendem Regen vor einem großen Flieger bei der Gepäckverladung auf dem Rollfeld stand, atmete er, „frische Luft“, wie er sagt. „Das ist eine Welt, die ich mir erträumt hatte“, sagt er. Zuvor hatte er mehrere Jahre einen Büro-Job am Rechner. Auch seine Kollegin Sabine Meier* sagt: „Der Job macht Spaß, das merkt man an der täglichen Arbeit mit den Kollegen.“ Doch an einem hapert es: am Geld. Die AHS zahlt als Dienstleister in der Vorfeldabfertigung des Airports Löhne ab 8,25 Euro pro Stunde, die Verträge garantieren nur 40 Arbeitsstunden im Monat. Viele Betroffene arbeiten zwar mehr, aber trotz 120 Stunden pro Monat bei Schicht-, Feiertags- und Wochenenddiensten reicht es im Jahresdurchschnitt immer noch nicht.
Die "Aviation Handling Service" (AHS) ist eine Holding, die an deutschen Flughäfen im Bund mit den Flughafengesellschaften Dienstleistungen rund um das Rollfeld anbieten.
Zu AHS-Dienstleistungen gehören: Ticket-Verkauf, Check-in am Terminal, die Überwachung der Abfertigungsvorgänge, Verladung der Gepäckstücke im Flieger und Enteisung von Flugzeugen.
Firmensitz ist Hamburg, vertreten ist die AHS aber auch in Bremen, Hannover und Münster/Osnabrück. In Hamburg hält die städtische Flughafen Hamburg GmbH 51 Prozent an der Fuhlsbüttler AHS-GmbH.
„Niemand spricht gerne darüber, aber ich habe viele Kolleginnen, die am Monatsende mit Hartz IV aufstocken müssen“, sagt Ver.di-Akivistin Aynur Dogan, die seit sechs Jahren am Check-in arbeitet und Mitglied der Ver.di-Tarifkommission ist. „Es gibt Kollegen, die nach der Arbeit Flaschen sammeln. Das finde ich unerträglich.“ Auch Hasim Bafcarl ist enttäuscht. „Seit fast 30 Jahren arbeite ich am Flughafen bei der AHS. Seit ich angefangen habe, hat sich mein Lohn um rund einen Euro pro Stunde erhöht“, sagt Bafcar. Er fordert nun 1,50 Euro mehr die Stunde.
Das lehnt die AHS als nicht finanzierbar ab. Die Unternehmensleitung begründet dies mit der prekären Lage und dem Kostendruck durch die Konkurrenz. Die AHS ist bestenfalls bereit, wenn 2013 schwarze Zahlen geschrieben werden, eine Einmalzahlung auszuschütten und in den folgenden Jahren eine Lohnerhöhung von einem Prozent zu zahlen. Das wären acht Cent.
Verdianerin Hatzidimou fordert ein Umdenken. „Die Kunden der AHS, wie zum Beispiel Air France, KLM, Condor oder Tui haben mit ihrer Niedrigpreispolitik auch die Niedriglöhne bei der AHS mit zu verantworten“, sagt Hatzidimou. Es sei Aufgabe des AHS-Konzerns und der Gesellschafter, zu denen der Flughafen Hamburg gehört, Verträge mit den Fluggesellschaften auszuhandeln, die eine positive Lohnentwicklung bei den Beschäftigten der AHS ermöglichen.
*Name geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen