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Streik gegen Lukaschenko in BelarusStaatsbetriebe stehen still

In Belarus rufen die Gegner von Präsident Lukaschenko zum Generalstreik auf – und in den Industriebetrieben geht fast nichts mehr.

Lukaschenko besucht den staatlichen Fahrzeugbauer MZKT, dort wird trotzdem gegen ihn demonstriert Foto: Vasily Fedosenko/reuters

Kiew taz | Wortlos steht Alexander Lukaschenko vor den Arbeitern des Minsker Fahrzeugherstellers MZKT. Bevor er mit seiner Rede beginnen kann, muss er erst einmal zuhören. „Geh!“, schreien die Arbeiter ihm zu. Etwas gekränkt kommt der Staatschef auch gleich zur Sache. Er kenne die Forderung der Arbeiter nach Neuwahlen und seinem Rücktritt. „Solange ihr mich noch nicht umgebracht habt, gibt es keine Neuwahlen“, so Lukaschenko zu den Arbeitern, die diesen immer wieder mit Missfallensbekundungen und Rufen „geh“ unterbrechen.

Seit Bekanntgabe der Wahlergebnisse am Sonntag, den 9. August, finden täglich im ganzen Land Demonstrationen gegen den autoritären Staatschef statt. Die Protestierenden fordern Neuwahlen, eine Freilassung aller politischen Gefangenen, Bestrafung der Polizisten, die Gefangene geschlagen und gefoltert haben und den Rücktritt von Präsident Lukaschenko.

Tragende Säule der Proteste sind Zigtausende Arbeiter und Angestellte, die für diese Woche einen landesweiten Generalstreik ausgerufen haben. So streiken Arbeiter im Minsker MZKT genauso wie Bedienstete des weltbekannten Minsker Traktorenwerkes. Belaruskali, einer der größten Kaliproduzenten der Welt, hat seine Förderung am Montag eingestellt. Gestreikt wird auch beim Petrochemie-Marktführer Naftan.

Auch im metallurgischen Werk BMZ stehen seit Montag alle Öfen still. Mehrere Kolonnen von streikenden Arbeitern machten sich am Nachmittag auf den Weg zu einem „Meeting für die Freiheit“ vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens. Auch beim staatlichen Fernsehen und den Kanälen ONT und STW wird gestreikt. Dutzende bekannte Journalisten und Moderator*innen haben aus Solidarität mit den Protestierenden ihren Dienst gekündigt. „Meiner Freundin, einer Zitherspielerin, haben sie auf die Hände geschlagen, sechs Tage war sie praktisch in der Hölle. Was die Machthaber mit meinen Freunden gemacht haben, kann ich nicht verzeihen“, wandte sich die bekannte Moderatorin kultureller Programme, Katerina Wodonosowa, an die vor dem Fernsehhaus versammelten streikenden Mitarbeiter und erklärte gleichzeitig, dass sie ihren Dienst beim Fernsehen quittiert habe.

Bei Treffen mit Bürgern zeigt sich, wie sehr das System Lukaschenko in der Defensive ist

Am Sonntag waren in zahlreichen Städten in Belarus Hunderttausende auf die Straße gegangen. Allein in Minsk hatten sich unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 100.000 und 500.000 Menschen am „Marsch für die Freiheit“ beteiligt.

Erstmalig waren am Sonntag auch Anhänger von Lukaschenko mobilisiert worden. Nach Angaben des Innenministeriums hatten 70.000 Menschen diese Kundgebung besucht, unabhängige belarussische Medien sprechen hingegen von maximal 10.000.

Wenn Belarus, wie von Litauen, Lettland, Polen und der Ukraine gefordert, Neuwahlen durchführe, „sterben wir als Nation“, warnte Lukaschenko in seiner Ansprache. „Ich bin sehr lebendig und ich werde leben“, gab sich der Präsident kämpferisch. Am Montag hieß es dann, er sei mit Neuwahlen unter der Bedingung einverstanden, wenn es eine neue Verfassung gebe. Spiel auf Zeit, so scheint es.

Lukaschenkos Macht bröckelt. Inzwischen hat auch Sergej Rumas, der noch bis zum 3. Juni Ministerpräsident war, seine Wut über die Gewalt an Demonstranten öffentlich gemacht. Und am Montag hat Lukaschenko sogar seine Bereitschaft erklärt, so die Nachrichtenagentur tut.by, einen Teil seiner Machtbefugnisse abzugeben.

Bürgermeister werden niedergeschrien

Der belarussische Journalist Franak Wjatschorka berichtet gegenüber der Current Time, dass hohe Beamte der Sicherheitskräfte, Ministerien und Offiziere der Armee Kontakt zur Opposition suchten. „Alle haben begriffen, dass man besser auf der Seite der Gewinner und nicht des Losers ist“, begründet Wjatschorka die neue informelle Gesprächsbereitschaft.

In vielen Städten sind Bürgermeister und andere hohe Verwaltungsbedienstete in einen Dialog mit der Opposition getreten. Und diese Treffen zeigen, wie sehr die Vertreter der Macht außerhalb der Hauptstadt in der Defensive sind.

Bei einem Treffen mit Demon­stranten musste sich der Bürgermeister der Großstadt Brest, Alexander Rogatschuk, den Unmut seiner BürgerInnen anhören. Kaum war er in Begleitung des örtlichen Polizeichefs, des städtischen Staatsanwaltes und des leitenden Ermittlungsbeamten vor die Demonstrierenden getreten, wurde die Gruppe mit Rufen wie „Mörder“ und „Wir verzeihen euch nicht“ niedergeschrien. Und als der Bürgermeister berichtete, er habe sich mit den Forderungen der Protestierenden vertraut gemacht, schrie ihm die Menge ein „Dann erfülle auch diese Forderungen“ und „Tritt zurück, du Schwätzer“ entgegen.

Lukaschenkos Macht bröckelt

In Hrodna, in der Nähe des Dreiländerecks mit Polen und Litauen, kritisierte Igor Loban, ein Offizier der staatlichen Ermittlungsbehörden, auf Instagram das brutale Vorgehen der Polizei und erklärte gleichzeitig, Innenminister Jurij Karaejew müsse verstehen, dass Derartiges strafrechtliche Konsequenzen habe.

Unterdessen werden weitere Gefangene freigelassen. Derzeit seien noch 122 Personen in Haft, zitiert die Nachrichtenagentur naviny.by eine Sprecherin des Innenministeriums.

Für Mittwoch hat EU-Ratspräsident Charles Michel einen Sondergipfel der EU zu Belarus einberufen. Die Menschen in Belarus hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen, so Michel. Gewalt gegen die Demonstranten sei inakzeptabel.

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1 Kommentar

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Und dann sag mal einer, der Generalstreik wär zu nix nütze.