Streik der GEW: Kritik ist unberechtigt

Immer größer wird die Kritik am jüngsten Streik der Lehrerinnen und Lehrer. Dabei ist es der Senat, der bislang vor allem durch Untätigkeit glänzt.

Schon vor mehr als einem Jahr haben Lehrerinnen und Lehrer in Berlin gestreikt Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Menschen zu kritisieren, die aus guten Gründen ihr Grundrecht auf Streik wahrnehmen, ist ein leidiger, aber fester Bestandteil deutscher Kultur. Der Warnstreik der Berliner Leh­re­r:in­nen am Mittwoch, zu dem die Bildungsgewerkschaft GEW aufgerufen hatte, bildet da keine Ausnahme.

„Illusorisch“ seien die Forderung nach kleineren Klassen angesichts des Lehrkräftemangels, bemängelt Guido Richter, der Co-Vorsitzende der Berliner Grundschulleitervereinigung, gegenüber dem Tagesspiegel. Ein Warnstreik, inmitten der Abiprüfungen, „schadet primär den Schülern“, kritisiert Landesschülersprecher Aimo Görne. Zudem sei die GEW nach drei Jahren und insgesamt 18 Streiktagen noch keinen Schritt weitergekommen, moniert der Elternausschuss.

Dabei sind die fast schon regelmäßigen, aber kurzen Warnstreiks der Leh­re­r:in­nen noch eine verhältnismäßig milde Form, auf eine Krise aufmerksam zu machen, die die Funktionsfähigkeit unseres Schulsystems grundlegend infrage stellt: der Lehrkräftemangel.

Illusorisch ist hingegen die Haltung, man könne so weiter machen wie bisher. Ganz vorne mit dabei ist der Senat, der scheinbar davon ausgeht, die Krise würde sich irgendwann von alleine in Luft auflösen. Denn bislang reagiert der Senat überhaupt nicht auf die Forderungen der Gewerkschaft.

Das Ziel der GEW ist es, mit dem geforderten „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ die Klassengrößen zu verkleinern und so die Arbeitsbedingungen der Leh­re­r:in­nen deutlich zu verbessern. So soll das unter den derzeitigen Bedingungen akut Burnout-gefährdete Personal im Beruf gehalten werden. Pro Jahr verlassen 1.000 Leh­re­r:in­nen vorzeitig den Beruf, dazu kommen die überproportional vielen Eintritte ins Rentenalter.

Bessere Arbeitsbedingungen helfen auch, den Beruf wieder attraktiver zu machen. Um die Lücken zu füllen, müssen deutlich mehr Leh­re­r:in­nen ausgebildet werden.

Senat ist ohne Plan

Diesen Plan zu kritisieren, ist absolut legitim. Arbeitskräfte werden schließlich auch in anderen Branchen knapp. Nur müsste man dann auch einen Gegenvorschlag bringen, wie der Krise im Bildungssystem beizukommen ist. Hier hat der Senat bisher wenig vorzuweisen. Wie schon die Vorgängerregierung setzt Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) alleine auf Quer­ein­stei­ge­r:in­nen und hofft, dass die zahlreichen Werbekampagnen schon irgendwie zünden werden. Eine glaubhafte, langfristige Strategie ist das nicht.

Auch der aktuelle Vorstoß der Bildungssenatorin, dass Re­fe­ren­da­r:in­nen nun mehr Unterrichtsstunden leisten müssen, steht stellvertretend für die Art des Senats, Krisen zu bewältigen – nur an Symptomen kurieren und immer auf den Rücken der Beschäftigten. Unendlich viel mehr werden auch die Re­fe­ren­da­r:in­nen nicht arbeiten können, attraktiver macht die Entscheidung die Ausbildung auch nicht.

Dabei fordern die Leh­re­r:in­nen genau das. Keine sofortige Reduktion der Klassengrößen, sondern lediglich einen verbindlichen Weg, wie diese zu erreichen ist – darüber, wie lange es braucht, ließe sich ja streiten, wenn der Senat mal bereit dazu wäre.

Wenn es beim Streik der GEW was zu kritisieren gibt, dann nicht die streikenden Lehrer:innen, sondern die Untätigkeit des Berliner Senats.

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