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Streichung von Staatsgeld für HarvardEchter Widerstand sieht anders aus

Leon Holly
Kommentar von Leon Holly

Gut so: Der Harvard-Präsident wehrt sich gegen einen fatalen Angriff der Trump-Regierung. Doch sonst agiert die Elite-Universität in Massachusetts eher kleinlaut.

Protest vor der Harvard-Universität in Cambridge, 12. April Foto: Erin Clark/ap

E s ist, mal wieder, ein Angriff auf die Meinungs- und die Wissenschaftsfreiheit. Die Trump-Regierung hat angekündigt, der Universität Harvard rund 2,3 Milliarden Dollar an Mitteln zu streichen. Der Grund: Die US-Eliteuni hatte sich geweigert, einem dreisten Forderungskatalog nachzukommen. Die Regierung verlangte von Harvard unter anderem, sie solle Studierende melden, die sich „feindlich“ den amerikanischen Werten gegenüber verhalten, und ihr Mitsprache bei der Prüfung interner Programme geben, die vermeintlich antisemitischen Hass fördern.

Die Trump-Regierung führt so mal wieder den Antisemitismusvorwurf ins Feld, um ihre Repression zu rechtfertigen. Sie gibt absurderweise vor, gegen Diskriminierung vorzugehen, um dann propalästinensische Studierende abzuschieben, oder – wie hier – die Streichung von Diversity-Programmen zu forcieren. Gut also, dass Harvard hier nicht klein beigibt. „Die Universität wird ihre Unabhängigkeit und ihre verfassungsmäßigen Rechte nicht aufgeben“, sagt Unipräsident Alan Garber. Das liberale Establishment in den USA sprang Harvard bei, von Barack Obama bis Bernie Sanders. Umso feiger wirkt da das Einknicken der Universität Columbia, die einem ähnlichen Forderungskatalog nachgab, um Bundesmittel in Höhe von 400 Millionen Dollar zu behalten.

Nun könnte man meinen, dass Harvard es sich als reichste Universität der Welt ja leisten kann. So schreibt die New York Times, dass ihr Budget in Höhe von 53 Milliarden Dollar höher ist als das BIP von fast 100 Staaten. Doch das ist nur der Gesamttopf an Spenden, die langfristige Sicherheit geben sollen. Harvards jährlicher Betriebsetat liegt bei „nur“ 6,4 Milliarden Dollar. Taugt Harvard also als Bastion im Kampf für die Freiheit? Was die Uni selbst angeht, gibt es berechtigte Zweifel. Denn wenn es nicht um die eigene Finanzierung geht, klingt Harvard eher kleinlaut.

Da ist etwa der Fall von Kseniia Petrova. Die russische Wissenschaftlerin, die an der Harvard Medical School forscht, hatte ihr Heimatland nach dem Überfall auf die Ukraine aus politischen Gründen verlassen. Wegen einer Nachlässigkeit bei einer Rückreise in die USA, die eigentlich höchstens eine Strafzahlung nach sich zieht, entzogen Zollbeamte ihr unmittelbar das Visum. Derzeit sitzt sie in einem Abschiebeknast in Louisiana.

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Doch Harvard äußerte sich zu ihrem Fall nur in Allgemeinplätzen: Man beobachte die „sich schnell verändernden Migrationsbestimmungen“ und „stehe im Kontakt mit Petrovas Anwalt“, hieß es. Echter Widerstand, ein echtes Einstehen für die Freiheit sieht anders aus.

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Leon Holly
Jahrgang 1996, studierte Politik und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Von 2023 bis 2024 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Kultur, und was ihn sonst so interessiert.
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9 Kommentare

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  • Harvard hat sich in den vergangenen Jahren eher nicht als Hort der Freiheit gezeigt. Exemplarisch sollen hier die Fälle von Carole Hooven und Claudine Gay genannt sein. Die Evolutionsbiologin hat die Universität nach massiven Angriffen auf ihre Person verlassen, nachdem sie sich geäußert hatte, dass es in der Evolutionsbiologie nur zwei Geschlechter geben könne. Die Präsdientin von Harvard hat den Aufruf zum Völkermord an Juden als freie Meinungsäußerung verteidigt und die Bewertung der Aussage als "vom Kontext abhängig" bezeichnet.

    Harvard hat lange Jahre auf Grundlage der postmodernen Theorie Freiheit eingeschränkt. Doland Trump versucht nun, von rechts-identitärer Seite dasselbe zu tun. Beides ist falsch. Beides verstößt gegen die Freiheit. Freiheit muss in der Mitte verteidigt werden. Gegen die linken und die rechten Extreme.

  • Vielleicht sollten wir als EU der Harvard-Universität und evtl. auch gleich den Universitäten Yale und Stanford anbieten, ihnen den Umzug nach Europa zu bezahlen. Die paar Milliarden wären sehr gut angelegtes Geld.

    • @Aurego:

      Ja aber die Infrastruktur aufzubauen würde in Deutschland Jahrzehnte dauern, dann klagt da irgendein Ortsverein, irgendeine Feldmaus ist bedroht und ein Bauer will sein Feld nicht verkaufen und klagt bis zum Verfassungsgericht.

      • @Machiavelli:

        So schlecht ist unsere universitäre Infrastruktur gar nicht.

        • @Aurego:

          Ja aber in dem oben beschriebenen Szenario müssten wir eine komplett neue uni bauen.

          • @Machiavelli:

            Fällt uns das schwer? Wir könnten dafür eines der vielen Schlösser nehmen, die es in Deutschland gibt. Wird sich bestimmt eines finden lassen.

  • Der Artikel hört dann auf, wo es anfängt, mich zu interessieren. Ein echtes Einstehen für die Freiheit sieht anders aus. Eine echte ziemlich vage Formulierung für - was genau soll dann wie anders aussehen?



    ich hoffe nicht, dass sich die Frage noch mal stellt, wenn vielleicht genau die Afd hier bald an der Macht sein kann...