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Streichliste geht ins AbgeordnetenhausVon der Kürzungsliste zum Haushalts-Update

Der Senat beschließt den Entwurf eines Nachtragshaushalts, über den nun das Parlament entscheidet. Laut Finanzsenator sind „Anpassungen“ noch möglich.

Der Senat hat jetzt den Entwurf des Nachtragshaushalts beschlossen, aber die letztliche Entscheidung trifft das Abgeordnetenhaus Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Der Senat hat den Entwurf am Dienstag beschlossen, jetzt ist das Abgeordnetenhaus an der Reihe: Schon Mittwoch soll der Hauptausschuss des Parlaments den Nachtragshaushalt mit milliardenschweren Umwälzungen diskutieren, acht Tage später die erste Lesung im gesamten Parlament anstehen. Die Abstimmung über die Nachbesserung des Haushalts für 2024 und 2025 ist für den 19. Dezember vorgesehen – fast genau ein Jahr nach dem eigentlichen Beschluss dazu.

Die schwarz-rote Landesregierung segnete dieses Haushalts-Update, das eine drei Milliarden Euro große Etatlücke mit Kürzungen und neuen Krediten schließen soll, quasi unterwegs ab, auf Bezirkstour in Reinickendorf. Im Roten Rathaus gegenüber Journalisten rechtfertigte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) die vielfach kritisierten Kürzungen erneut als unumgänglich – und erinnerte daran, dass künftig weitere zwei Milliarden einzusparen seien.

Die führenden Köpfe von CDU und SPD in Partei, Fraktion und Regierung hatten ihr Einsparprogramm am Montag voriger Woche vorgestellt. Der Nachtragshaushalt setze die dort präsentierte Liste „eins zu eins“ um, sagte Evers. Er kündigte allerdings „Anpassungsbedarf“ an. Darüber werde in den kommenden Tagen und Wochen im Parlament beraten.

Die Grünen-Fraktion kritisierte am Dienstag gegenüber Journalisten das Vorgehen der schwarz-roten Koalition. Die habe Möglichkeiten zu höheren Einnahmen und auch die Expertise der Senatsverwaltungen zu wenig oder gar nicht genutzt. „Es hätte Alternativen gegeben“, sagte Fraktionschef Werner Graf, „die Kürzungen in den Bereichen, in denen es besonders bitter ist, wären dadurch vermeidbar gewesen.“ Als Beispiel nannte er die unverändert niedrige Gebühr fürs Anwohnerparken.

Harte Kritik von der Caritas-Direktorin

Auf Einladung der Grünen-Fraktion berichtete Ulrike Kostka, die Direktorin der Caritas, des Wohlfahrtsverbands der katholischen Kirchen, von zwei dieser besonders bitteren Kürzungen. Nach ihren Worten ist durch die Streichungen die mit zahlreichen Ehrenamtlichen betriebene Caritas-Ambulanz am Bahnhof Zoo in Gefahr, die monatlich über 450 Menschen ohne Wohnung oder Krankenversicherung behandle. Gleiches soll für die Caritas-Krankenwohnung für 20 obdachlose Menschen gelten, die sich auch um Sterbebegleitung kümmert. Dieses Modell habe man „mühselig mit dem Senat über viele Jahre aufgebaut“, sagte Kostka.

Die Caritas-Direktorin wandte sich entschieden gegen die Darstellung der schwarz-roten Koalition, der Bereich Soziales komme bei den Kürzungen glimpflich weg, während die Felder Verkehr und Kultur die Hauptlast tragen würden. „Berlin bleibt soziale Hauptstadt. Wir sparen nicht an den Menschen“, hatte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) vorige Woche via Pressemitteilung hervorgehoben. Dabei bezifferte sie die Einsparungen in ihrem Bereich auf 3,8 Prozent.

„Das stimmt einfach nicht“, sagte Ulrike Kostka und sprach von einer „­Märchenstunde“ des Senats. Nach ihren Berechnungen geht es vielmehr um 15 bis 20 Prozent. Darin enthalten sind Tarifsteigerungen, die der Senat nicht berücksichtigen würde. Die Caritas-­Direktorin widersprach nicht grundsätzlich Kürzungen, aber sie sieht die vorliegende Liste weder von Logik noch von Sachkenntnis geprägt – „wir erleben Haushaltspolitik im Blindflug“.

Im Roten Rathaus darauf angesprochen, vermochte Finanzsenator Evers den Vorwurf nicht nachzuvollziehen. Zur Kritik der Caritas und anderen sagte er, beim Thema des sozialen Zusammenhalts habe die Koalition „ausdrücklich Zurückhaltung geübt“.

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