Streamingdienst-Übersättigung: Die Party geht zu Ende

Hat der Streamingboom bei Filmen und Serien mittlerweile seinen Höhepunkt überschritten? Ein Zwischenstand.

Ryan Gosling in der Netflix-Show "The Gray Man"

Die bisher teuerste Netflix-Produktion: „The Gray Man“ mit Ryan Gosling kostete 200 Millionen Dollar Foto: Stanislav Honzik/Netflix/ap

Wie Pro­du­zen­t*in­nen und Strea­ming­portale zusammenarbeiten, das war Thema der Paneldiskussion „How to Produce Drama Series for Streaming Platforms (Fast)“ in Köln. „Ich hoffe, dass die Goldgräberstimmung, die durch die Streamer nach Deutschland kam, noch nicht vorbei ist“, wünschte sich direkt zu Anfang des Gesprächs Philipp Kässbohrer.

Die Hoffnung des Produzenten, der bereits zwei Serien für Netflix produziert hat, dürfte sich erfüllen, denn in der Domstadt machten Vertreterinnen von Net­flix und Amazon während der Diskussion, die im Rahmen des „Alumni Summits“ des Mediengründerzentrums NRW stattfand, klar, dass sie auch weiterhin intensiv auf der Suche nach gut gemachten Inhalten sind. Von daher sah auch Mediengründerzentrum-Geschäftsfüh­rer Rainer ­Weiland trotz der aktuellen Debatten über die Grenzen des Wachstums bei den Streaming-Plattformen „keinen Grund zur Panik“.

Fehlende Refinanzierung durch Content

Was für die Pro­du­zen­t*in­nen Hochkonjunktur bedeutet, verwandelt sich allerdings für die Port­al­be­trei­be­r*in­nen immer mehr zu einer Bedrohung. Denn noch kein Player kann sich durch sein Portfolio refinanzieren. Es sind beispielsweise Gebührengelder, Einnahmen aus dem klassischen Werbegeschäft sowie Börsengänge, Kredite oder wie bei Amazon Umsätze, die durch den Onlinehandel erwirtschaftet werden, mit denen das Content-Business quersubventioniert wird. Parallel dazu wird der Kuchen für die Videoportale immer kleiner, weil immer mehr Wett­be­wer­be­r*in­nen auf dem umkämpften Markt auftauchen.

In Deutschland sind es inzwischen über 15, dieses Jahr soll beispielsweise unter anderem Paramount+ dazukommen. Und sie alle müssen kräftig weiter investieren. Denn nur, wer ständig neue hochwertige Filme oder Serien bringt, kann die Kundschaft halten. Net­flix etwa wird demnächst seinen bisher teuersten Film veröffentlichen: Die Auftragskiller-Geschichte „The Gray Man“ mit Ryan Gosling und Chris Evans hat 200 Millionen Dollar gekostet. Solche Ausgaben hinterlassen Spuren. Zum letzten abgelaufenen Geschäftsjahr belief sich der Schuldenstand von Netflix auf 13,7 Milliarden Dollar. Nicht nur Ufa-Geschäftsführer Nico Hofmann beschreibt die aktuelle Situation als Verdrängungswettbewerb: „Wie viel Investment können die Streamer verkraften, um die kostspieligen Produktionen zu finanzieren?“

Gefahr durch Abo-Kündigungen

Auch der ungebremste Anstieg der Abonnements dürfte in der Nach-Corona-Zeit, die von wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt ist, vorbei sein. Eine US-Dependance des Wirtschafts­be­ra­tungs­unter­neh­mens Deloitte hatte bereits im letzten Dezember eine Prognose für 2022 veröffentlicht: Weltweit werden mehr als 150 Millionen Menschen ihr kostenpflichtiges Abo kündigen – mit einer globalen Abwanderungsrate von 30 Prozent.

„In Deutschland belief sich 2021 die Abwanderungsrate auf 11 Prozent“, gibt Klaus Böhm von Deloitte die Daten für unseren Markt im letzten Jahr wieder. „Diese Bewegungen werden weiter zunehmen“, ist er sich sicher. Einen ersten deutlichen Beleg dafür gibt Kantar: Das Marktforschungsunternehmen mit Hauptsitz in London hat herausgefunden, dass im ersten Quartal 2022 die Abwanderungsrate hierzulande auf 18 Prozent gestiegen ist. In den USA etwa waren es im selben Zeitraum nur 11 Prozent. Selbst bei Anbietern wie Amazon Prime Video war die Zahl der Neuzugänge genauso hoch wie die der Kündigungen.

Große Konkurrenz durch US-Angebote

Kantar prognostiziert zudem eine weitere Verbreitung von werbefinanzierten Diensten, damit überhaupt noch Wachstum beziehungsweise eine Stabilisierung der Abo-Zahlen erzielt werden kann. In den USA hätten werbefinanzierte Dienste seit 2020 das rasche Wachstum des Marktes dort vorangetrieben und maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zahl der durchschnittlichen Abonnements gestiegen ist.

Eine übersichtliche Präsentation des Programmangebots in der Start-Maske sowie eine regelmäßige Anreicherung mit weiteren Programmhighlights sei unabdingbar, um das erreichte Niveau zu halten. „Da die Zahl der Akteure auf den europäischen Märkten aufgrund der Ausweitung des Angebots aus den USA zunimmt, wird die relative Bedeutung jedes Abos in einem Haushalt immer wichtiger“, so eine Sprecherin von Kantar. In Zeiten finanzieller Unsicherheit müssten Dienste „in den Köpfen der Abonnenten“ unverzichtbar sein.

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