Strafverfolgung von Bloggern: Presseausweis für alle
Die Grünen wollen „Gelegenheitsblogger“ besser vor Strafverfolgung schützen. Sie warnen gleichzeitig vor negativen Folgen.
Sollen auch „Gelegenheitsblogger“ künftig besser vor Strafverfolgung geschützt werden? Die Grünen fordern das in einem Antrag, der Lehren aus der Netzpolitik-Affäre des letzten Jahres zieht. Richtig überzeugt sind die Grünen von ihrer Forderung aber nicht. In der Begründung des Antrags warnen sie, dass dies auch Vorteile „für Extremisten, Rassisten, Menschenfeinde, Kriminelle“ bringen könnte und damit „Missbrauch aller Art“ erleichtern würde.
Wer aber sind diese ominösen „Gelegenheitsblogger“? Um Markus Beckedahl und André Meister von netzpolitik.org, gegen die im Vorjahr wegen Landesverrats ermittelt wurde, geht es dabei sicher nicht. Diese leben von netzpolitik.org und sind damit hauptberufliche Journalisten.
Gelegenheitsblogger sind vor allem Leute, die ihr Geld auf andere Weise verdienen und für die das Bloggen Hobby oder politisches Engagement ist. Darunter sind einerseits Motzblogger, die nur übellaunig und inkompetent das Weltgeschehen kommentieren. Auf der anderen Seite geht es aber auch um Premiumblogger wie Udo Vetter, der sein Geld als Anwalt verdient, nebenbei aber auf dem lawblog auch fundiert und unterhaltsam über juristische Themen schreibt.
Die Chance auf einen Presseausweis haben Gelegenheitsblogger nicht. Denn die Journalistenverbände DJV und dju/Verdi vergeben den Ausweis nur an Hauptberufler, die überwiegend von ihrer journalistischen Arbeit leben. Allerdings spielt der Presseausweis in der Praxis auch keine große Rolle. „Am wichtigsten ist der Ausweis, wenn ein Journalist einen von der Polizei abgesperrten Unfall- oder Tatort betreten möchte und dann mit dem Presseausweis zeigen kann, dass er kein Schaulustiger ist“, so eine DJV-Sprecherin.
Die meisten Journalistenrechte hängen eh nicht vom Presseausweis ab, sondern beziehen sich auf konkrete journalistische Recherche. So kann der Auskunftsanspruch der Presse auch von nebenberuflichen Journalisten wahrgenommen werden. Für Internetmedien, auch für journalistische Blogs, gibt es sogar einen eigenen Auskunftsanspruch im Rundfunkstaatsvertrag.
Qualität darf kein Kriterium sein
Auch strafprozessuale Privilegien für Journalisten – vom Zeugnisverweigerungsrecht über das Beschlagnahmeverbot bis hin zur Abhörbeschränkung – setzen keine Hauptberuflichkeit voraus, auch hier genügt Nebenberuflichkeit. Ungeschützt bleibt allerdings der Hobbyblogger, den niemand bezahlt und der auch nicht auf Werbung oder Spenden setzt.
Dabei spricht viel dafür, dass sich auch solche Hobbyblogger auf die Medienfreiheit des Grundgesetzes berufen können. Denn sie wenden sich an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen und tragen so zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Es ist auch nicht erforderlich, dass Blogger selbst recherchieren; Journalisten dürfen sich durchaus aufs Bewerten, Kommentieren und Kritisieren beschränken.
Die Seriosität und Qualität der Texte darf dabei ohnehin kein Kriterium sein. Für die Presse hat das Bundesverfassungsgericht das schon oft festgestellt. Auch für Wutblogger gelten dann aber die üblichen Regeln: Beleidigungen und Verleumdungen sind strafbar. Wer lügt, verletzt den Pressekodex und kann vom Presserat gerügt werden.
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