Reform des Landesverrats-Paragrafen: Zwei Jahre später

Nach dem Landesverrats-Vorwurf gegen die Netzpolitik-Blogger, wollte Maas das entsprechende Gesetz reformieren. Was ist daraus geworden?

Zwei Männer nebeneinander, einer hat eine Kappe auf, der andere trägt eine Brille

Andre Meister (links) und Markus Beckedahl (rechts) wurde Landesverrat vorgeworfen Foto: dpa

Journalisten müssen auch weiterhin damit rechnen, wegen Landesverrats verfolgt zu werden, wenn sie etwa über neue Methoden des Verfassungsschutzes berichten. Die von Justizminister Heiko Maas (SPD) angekündigte Prüfung des Landesverratsparagrafen führte zu keinerlei Änderung.

Im Februar und April 2015 berichtete der Blog netzpolitik.org über neue Methoden der „Massendatenauswertung im Internet“, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einführte. Daraufhin stellte BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen eine Strafanzeige. Auf Nachfrage der Behörden erklärte das BfV, dass hier „Staatsgeheimnisse“ offenbart worden seien. Kurz danach eröffnete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen „Landesverrats“ gegen die netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl und Andre Meister.

Als dies Ende Juli 2015 bekannt wurde, gab es einen öffentlichen Aufschrei. Zwar wurde das Verfahren noch im August von der Bundesanwaltschaft eingestellt – aber nur weil die Informationen im Kern schon durch andere Veröffentlichungen bekannt gewesen waren. Wer wirklich Neues aufdeckt, muss weiterhin mit Ermittlungen wegen „Landesverrats“ oder ähnlicher Delikte rechnen.

Eigentlich wollte der Gesetzgeber Strafverfahren gegen Journalisten vermeiden, wenn diese vertrauliche Papiere veröffentlichen. Seit einer Gesetzesänderung 2012 kann dies nicht mehr als „Verletzung von Dienstgeheimnissen“ bestraft werden. Dadurch wurde aber die große Keule des „Landesverrats“ für die Behörden interessant, da es dort noch keine Schutzvorschrift für Journalisten gibt. Die netzpolitik-Affäre hat gezeigt, dass mit solchen Verfahren durchaus zu rechnen ist.

Politische Gnade der Exekutive

Justizminister Maas sagte im Sommer 2015 zu, die Landesverratsparagrafen zu prüfen. Seither hat man von seiner Seite nichts mehr gehört. Nur Grüne und Linke legten entsprechende Anträge vor, die im Juni 2017 jedoch im Bundestag ohne Aussprache abgelehnt wurden. Nach Informationen der taz hat es im Justizministerium aber durchaus Überlegungen für eine Reform gegeben.

So schlugen Ministerialbeamte vor, dass Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats oder Offenbarung von Staatsgeheimnissen künftig nur noch „mit Ermächtigung der Bundesregierung“ möglich sein sollen. Bei einem Fachgespräch im Ministerium sollen sich Mitte 2016 auch die Rechtsprofessoren Detlev Sternberg-Lieben und Hansjörg Geiger für eine derartige Lösung ausgesprochen haben.

Das Vorhaben wurde dann aber zunächst nicht weiterverfolgt – angeblich um Irritatio­nen bei einem anderen Gesetzgebungsprojekt zu vermeiden: Nach der Böhmermann/Erdoğan-Affäre wollte die Bundesregierung, dass die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter (§ 103) nicht mehr speziell bestraft werden kann. Dort hatte sich die laut Gesetz erforderliche Regierungsermächtigung gerade nicht bewährt, weil sie Strafverfahren unnötig politisch auflud. Die Abschaffung des Paragrafen 103 beschloss der Bundestag allerdings erst im Juni 2017 – wegen der nahenden Bundestagswahl war das zu spät für neue Initiativen beim Landesverrat.

Falls Maas nach der Bundestagswahl wieder Justizminister wird, sollte er das Konzept seines Hauses aber besser nicht weiterverfolgen: Beim Schutz der Presse vor übermäßiger Strafverfolgung gerade auf die politische Gnade der Exekutive (hier der Bundesregierung) zu setzen, klingt nicht sehr vertrauenerweckend. Nötig ist vielmehr eine gesetzliche Klarstellung, dass Vorgänge von öffentlichem Interesse in der Demokratie generell keine Staatsgeheimnisse sein können.

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