Strafverfolgung in Niedersachsens Westen: Rassistisch grundierte Kooperation
Die Kooperationsvereinbarung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Städten der Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim klingt übel nach AfD.
W üsste man es nicht besser, könnte man denken: falsches Gebäude? Aber draußen steht tatsächlich „Staatsanwaltschaft“ auf dem Schild und nicht „CDU“ oder „AfD“. Doch was am Donnerstag in Osnabrück bei Vollmilch-Waffelröllchen und Kaffee präsentiert wird, klingt danach.
Hier sitzen keine Stammtisch-PolitikerInnen, die rassistische Hetze für den rechten Rand raushauen. VertreterInnen von Polizei und Staatsanwaltschaft sitzen hier, von Städten und Landkreisen, vom Finanzamt. Aber wenn sie anekdotisch von „dicken Autos“ reden und von Geldscheinen, mit denen „um sich geworfen“ werde, hören sie sich ähnlich an. Worte wie „Respektlosigkeit“ gegenüber dem Staat und „Panik“ bei seinen Repräsentanten fallen. Der Staat müsse „klare Kante“ zeigen, „ohne Wenn und Aber“. Obwohl er, wie er betont, keine Anglizismen mag, freut sich Osnabrücks Leitender Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck auf gemeinsame „Action Days“.
Die Hauptaufgabe der zehnköpfigen „Sicherheitspartnerschaft“ an diesem Morgen: Unterschriften leisten, als Signal an „besorgte Bürger“. Eine Kooperationsvereinbarung zur „interdisziplinären Bekämpfung von Gefahren, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch clankriminelle Gruppierungen“ liegt auf dem Tisch. Leider stecken ein paar Polizisten aus Lingen lange im Stau, und das heißt: warten. „Die haben doch Blaulicht!“, witzelt die Tischrunde. Aber dann wird es ernst: Clankriminalität ist schließlich ein „gesamtgesellschaftliches Problem“.
Stört es hier wirklich niemanden, dass das Wort „Clankriminalität“ rassistische Beiklänge hat? Weil es stigmatisierend suggeriert, dass die Familienangehörigkeit migrantischer Menschen ein Indiz für ihre Kriminalität ist? Stigmatisiert werde hier niemand, beschwichtigen die zehn, vorverurteilt auch nicht. Zwischendrin bedauert jemand, dass „Behörden manchmal nicht so eng miteinander sprechen dürfen wie sie gerne würden“. Ein Seitenhieb gegen die Gewaltenteilung?
Tiefstapler im Landeskriminalamt?
Auch von „ethnischer Herkunft“ ist die Rede. Die Clanbekämpfer aus Raum 304 hätten vielleicht besser vorher bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nachgelesen. Ethnische Herkunft sei „eine Vorstellung“ steht da, „keine Tatsache“. Auch ein Blick in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hätte geholfen.
Es ist ein düsteres Bild. Konkrete Regionalzahlen kann die gefechtsbereite Behördenschar jedoch nicht liefern. Aber sie ist sich sicher: Was der LKA-Bericht „Clankriminalität in Niedersachsen 2021“ auflistet, hat mit der Realität nichts zu tun. Von 472.096 Fällen, heißt es da, sind nur 2.841 als Clankriminalität registriert: 0,6 Prozent. Sind sie also gar nicht nötig, die „Action Days“? Vieles, raunen die zehn, werde „statistisch nicht erfasst“, es gebe ein „Störgeräusch“, ein „Grundrauschen“ der Clankriminalität. Das erzeuge Angst, daraus folge Schweigen. Aha.
Niedersachsens CDU wirbt im Wahlkampf mit „Null Toleranz für Clans“, als hätte sie die AfD kopiert. Bei dem, was an diesem Morgen in Raum 304 vorgeht, zehn Tage vor der niedersächsischen Landtagswahl, wird sie sich die Hände reiben.
Bleibt die Frage, wie es um die biodeutschen Clans steht. Sind die mit im Visier? Klar, beteuern die zehn. Einer sagt: „Aber da findet man meist nicht diese patriarchalen Strukturen.“ Na, dann ist ja gut
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