Strafprozess gegen Sarkozy: Ein Populist voller Hybris
Trotz aller Skandale und seines politisch mäßigen Erfolgs hält sich Sarkozy für präsidiabel. Der Strafprozess könnte diesen Realitätsverlust beenden.
Zeit der Stürme“, so lautet übersetzt der Titel des letzten Buches von Frankreichs ehemaligem Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Was ihm jetzt dräut mit dem Beginn des Pariser Prozesses, in dem er und zwei weitere Beschuldigte wegen Bestechung angeklagt sind: Sarkozy von der Partei Les Républicains (LR), hat es in plakative, pathetische Worte gepackt. Denn auch nach seinem Abschied aus dem Élyséepalast 2012 blieb der heute 65-jährige Konservative weiter schillernd im Geschäft. In Frankreich gingen seine Memoiren „Le Temps des Tempêtes“ diesen Sommer weg wie warme Semmeln. Der in diverse Affären Verwickelte profitiert auf bizarre Weise von seinem Filou-Image.
Die Anklage wirft Sarkozy nun den Versuch vor, 2014 über seinen Anwalt Thierry Herzog beim höchsten französischen Gericht, dem Kassationsgericht, geheime Informationen zu erlangen. Abgehörte Telefonate des Politikers mit Herzog sollen das belegen. Sarkozy bestreitet die Anklage vehement, so wie er auch in diversen anderen Affären auf nicht schuldig plädiert.
Konstatierten schon in der Causa Libyen nicht wenige Kritiker:innen eine Staatsaffäre (der gelernte Jurist soll vom damaligen libyischen Machthaber al-Gaddafi illegales Geld für seine Wahlkampffinanzierung 2007 angenommen haben), muss sich nun erstmals seit Beginn der V. Republik 1958 ein ehemaliger französischer Staatschef wegen eines derart harten Bestechungsvorwurfs vor Gericht verantworten.
14 Tage ist es erst her, dass Sarkozy von einem der Mittelsmänner der Libyen-Affäre zur Hauptsendezeit entlastet wurde. Das hat zentrale Politiker von LR, wie den Parteichef Christian Jacob, laut Pariser Politklatsch hoffen lassen, dass der „Pate der Rechten“ und derzeit meist privatisierende Gatte der schönen Bardin Carla Bruni es noch mal wissen will und in den Ring steigt für die Präsidentschaftswahl 2022. Nun aber drohen Sarkozy ob des Strafprozesses bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von einer Million Euro. Formidabel. Doch, siehe oben: Wer weiß, wohin die „Zeit der Stürme“ diesen Populisten voller Hybris noch weht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour