Strafantrag gegen evangelikalen Pastor: Menschenfeindliche Äußerungen
Bremens Christopher-Street-Day-Verein hat Strafantrag gegen den evangelikalen Pastor Olaf Latzel gestellt. Seither bekommt der Verein Hass-Mails.
Dass der Staatsschutz Olaf Latzel deshalb unter die Lupe nimmt, hatte Radio Bremen vor zehn Tagen bekannt gemacht. Auch die taz berichtete. Infolge des Strafantrags erlebe der Verein eine Flut von Hass-Mails und -kommentaren gläubiger Christ*innen, so Dadanski zur taz. „Manche in unserem Team leiden darunter psychisch.“
Den Strafantrag zu stellen sei „wichtig, da viele Straftatbestände wie beispielsweise Verleumdung ein Antragsdelikt sind“, erklärte der Vereinssprecher auf Nachfrage. Ohne den ausdrücklichen Wunsch des Bremer CSD-Vereins wären der Staatsanwaltschaft diesbezüglich die Hände gebunden.
Homophob aufgefallen war der Pastor der St. Martinigemeinde freilich schon öfter: Von seiner Kanzel predigte er bereits, dass man mit dem „Schwert des Glaubens“ gegen „Genderdreck“ und „Genderideologie“ vorgehen müsse und dass man gegen die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität „zurückschlagen müsse“.
Konsequenzen hatte dies bisher keine – alle strafrechtlichen Ermittlungen wurden stets wieder eingestellt. Grund für die erneute Aufnahme der Ermittlungen durch den Staatsschutz war nun das Video eines im Oktober 2019 abgehaltenen „Eheseminars“ der Martini-Gemeinde. Darin ist Latzel zu sehen, wie er den „Genderdreck als Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung“ und Homosexualität „als Degenerationsform der Gesellschaft“ bezeichnet. Noch expliziter wird er bei einem späteren Teil seiner Rede, als er vor der „teuflischen Homolobby“ warnt und anmerkt, dass nun „überall diese Verbrecher von diesem Christopher Street Day rumlaufen“.
Das besagte Video ist mittlerweile nicht mehr auf dem Youtube-Kanal der Gemeinde zu finden, liegt aber sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem CSD-Verein vor. „Bei vielen Straftatbeständen wie Verleumdung verjährt die Frist sehr schnell – oft schon nach 3 Monaten nachdem die geschädigte Person auf das angeklagte Verhalten aufmerksam geworden ist“, erläutert Dadanski, warum nun Eile geboten war.
„Wir hoffen auch im Hinblick auf die Bremische Evangelische Kirche, dass sich die Kirchenleitung nicht mehr von Olaf Latzel auf der Nase herumtanzen lässt.“ Aufgrund der kirchenrechtlichen Autonomie ihrer Mitgliedsgemeinden sei die BEK als Landeskirche indes „momentan vollkommen machtlos“.
In der BEK stoßen Aussagen und Bibelexegese des evangelikalen Pastors auf Empörung und Widerstand. „Das macht mich richtig zornig“, erklärt der leitende Bremer Theologe und Schriftführer der BEK, Bernd Kuschnerus, in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst am Sonntag. Olaf Latzel tue so, „als ob Gott unmittelbar durch ihn sprechen würde. Das geht nicht“.
Anachronistisch und absurd sei Latzels Verweis auf das dritte Buch Mose, wo es heißt, dass, wenn jemand bei einem Manne liege wie bei einer Frau „beide des Todes sterben“ müssten: „Im dritten Buch Mose steht auch, dass Meerestiere ohne Flossen und Schuppen ein Gräuel sind und nicht gegessen werden dürfen, ebenso alles, in dem noch Blut ist“, so Kuschnerus. „Aber niemand startet einen Feldzug gegen Muscheln, Scampi, oder Blutwurst.“
Zuvor hatte die Gesamt-Mitarbeiter*innenvertretung der BEK ihre Vorsitzenden in einem Brandbrief dazu aufgerufen, die menschenfeindlichen Äußerungen Latzels zurückzuweisen und seine Suspendierung für die Zeit der Ermittlungen in die Wege zu leiten. Es sei nötig, alle disziplinarrechtlichen Möglichkeiten gegen ihn auszuschöpfen, um „irreparable Schäden“ von der BEK abzuwenden. Der CSD geht mit seinen Forderungen allerdings noch weiter: „Ich apelliere an die Bremer Landeskirche, offen über eine Reform der Gemeindeautonomie nachzudenken, wenn es zu solchen Ergebnissen führt“, sagte Robert Dadanski der taz.
„Das eine sind ja die diffamierenden Aussagen gegenüber queeren Personen. Aber noch viel schlimmer ist es doch, dass sich Gewaltbereite durch Olaf Latzels Äußerungen animiert fühlen könnten, auch zur Tat zu schreiten.“ Entsprechend würden sich, seitdem der Strafantrag gestellt wurde, auf der Internetseite des CSD, auf Facebook und in den Mailpostfächern der Angehörigen „die Hasskommentare gläubiger Christ*innen, die uns wahlweise anfeinden oder für uns und unsere Sünden beten“ häufen.
„Diese Kirche hat doch auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“, so Dadanski. Sie müsse „sehen, dass sie Probleme wie,Latzel’ in den Griff bekommt!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr