Störzeile: Das Flora-Syndrom
■ Warum sich das Strafjustizgebäude zum rechtsfreien Raum entwickelt hat
In der hanseatischen Streitkultur ist ein typischer Begriff entstanden, von dem alle wissen, was gemeint ist. „Der Rechtsfreie Raum“. Also Gebäude, in denen Menschen agieren, ohne auf Gesetze zu achten. So galt die Hafenstraße als solcher, weil die BewohnerInnen nicht jeden Polizeieinsatz erduldeten. Gerne wird die Rote Flora so genannt, weil sich hinter ihren Gemäuern politische Diskussionen abspielen, die für den Staat undurchsichtig sind.
Jetzt hat Hamburg einen neuen rechtsfreien Raum: Das Strafjustizgebäude. Hier kann ein selbstgefälliger Amtsrichter, der unbedingt Innensenator werden will, kurzerhand eine Politshow inszenieren. Bei dem Medien-Event kann er durchaus in Kauf nehmen, zwei Komparsen in den Knast zu stecken. Passieren wird dem Mann auf seiner Bühne nichts. So kann Mann tags darauf, wenn das ganze Amtsgericht einen wegen der Haftbeschwerden sucht, sich gemütlich in der Gerichtskantine verstecken und genüsslich die Vortags-Presse studieren.
Und einen Prozess braucht Mann schon gar nicht zu fürchten. Wenn die strategischen Debatten über die linken Socken, die Mann schmoren lässt, zur Sprache kommen, werden die Richterkollegen schon unter Gedächtnisschwund leiden. Und spätestens im Revisionsverfahren – ist Mann nun Innensenator – wird eine, an die Vorgabe des Koaltionskollegen weisungsgebundene Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädieren. Und das lustlose Gericht wird keine Fragen an die Zeugen stellen, die den Ausgang in Frage stellen. Willkommen, im rechtsfreien Raum. Kai von Appen
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