Stilllegung von Atomkraftwerk Fessenheim: Letzter Sieg am Oberrhein

Das französische AKW Fessenheim geht endgültig vom Netz. Damit endet eine 43-jährige Geschichte bizarrer Pannen und Proteste.

Zwei Demonstrantinnen mit einer Anti-Atom-Fahne am Rhein vor dem AKW Fessenheim

Sie haben ihr Ziel erreicht: Demonstrantinnen auf der deutschen Rheinseite vor dem AKW Fessenheim Foto: Sepp Spiegl/imago images

Die letzten Tage des Reaktors Fessenheim waren so bizarr wie seine 43-jährige Geschichte: Kurz bevor das älteste und umstrittenste aller französischen Atomkraftwerke in der Nacht zum Dienstag endgültig abgeschaltet wurde, ereignete sich am Freitagvormittag noch eine Notabschaltung. Damit wollte der Betreiber es aber keinesfalls bewenden lassen, sondern fuhr die Anlage am Samstagnachmittag nochmals für zwei Tage auf Volllast hoch.

Das Kraftwerk am Rhein, unmittelbar an der deutschen Grenze gelegen, hatte zuletzt vor allem in Südbaden viele Gegner. So hätten die Deutschen großen Anteil daran, dass der Reaktor nun vom Netz geht, sagt auch Jean-Paul Lacôte, der als Mitglied der Organisation Alsace Nature und als Mitglied der Überwachungskommission Fessenheim Jahrzehnte lang gegen den Reaktor aktiv war.

Allerdings habe der Widerstand in Frankreich sogar früher begonnen als in Deutschland, sagt Lacôte. Noch bevor auf deutscher Seite das AKW Wyhl durch die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen verhindert wurde, hatten die Bürger im Elsass das geplante AKW Gerstheim zu Fall gebracht. Auch die erste Großdemonstration Europas gegen ein Atomkraftwerk fand in Frankreich statt, nämlich im April 1971 in Fessenheim. In Frankreich brach der Widerstand jedoch bald zusammen, während er in Deutschland richtig losging.

Für Montagabend um 23.30 Uhr war nun geplant, den Block 2 in Fessenheim endgültig vom Netz zu nehmen. Block 1 ist bereits seit Februar abgeschaltet. Das Kraftwerk stand wiederholt wegen gefährlicher Störfälle in der Kritik. Zum Beispiel führten Materialmängel dazu, dass Block 2 im Jahr 2017 nicht eine einzige Kilowattstunde Strom erzeugen durfte. Einmalig dürfte auch die Vielzahl der angeblichen Abschalttermine sein, die für Fessenheim schon benannt wurden; eine Regionalzeitung zählte einst deren acht.

Platz für Erweiterung blieb ungenutzt

Mit dem Ende von Fessenheim wird nun noch einmal deutlich, dass der Widerstand gegen die Atomkraft nirgendwo so erfolgreich gewirkt hat wie am Oberrhein. Zumal auch in der Schweiz – in Kaiseraugst bei Basel – in den 1970ern ein AKW durch eine Bauplatzbesetzung verhindert wurde. „Die gemeinsame Sprache hat dabei eine sehr große Rolle gespielt“ sagt Lacôte. Der grenzüberschreitende alemannische Dialekt – Badisch, Elsässisch, Schwyzerdütsch – war auch auf den Bauplätzen stets präsent.

Auch dass in Fessenheim ein geplanter dritter und vierter Reaktor verhindert wurden, sei ein Erfolg der Umweltbewegung am Oberrhein, sagt Axel Mayer, der schon in Wyhl protestierte und bis zum Beginn seines Ruhestandes Ende 2019 Geschäftsführer des BUND-Regionalverbandes Südlicher Oberrhein war. Der Platz für die beiden zusätzlichen Reaktoren war auf dem Kraftwerksgelände in Fessenheim stets mit umzäunt.

Weitere Stilllegungen von AKWs sollten in Frankreich in den kommenden Jahren folgen, wenn umgesetzt wird, was aktuell Linie der Regierung ist. Denn die will bis zum Jahr 2035 den Anteil des Atomstroms, der 2019 bei 71 Prozent lag, auf 50 Prozent senken. Somit müssten von aktuell 56 Reaktoren 14 stillgelegt werden, rechnet Lacôte vor. Geplant sei, an Standorten, an denen mindestens vier Reaktoren stehen, jeweils zwei abzuschalten. Davon gibt es mehrere Orte. In Gravelines bei Calais stehen sogar sechs Blöcke beisammen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.