Stille Tage mit Berti: Was sagt Schröder?
■ Eine Kanzlerdrohung versetzt deutsche Journalisten in Angst und Schrecken
Blanke Angst unter den deutschen Medienvertretern. Was tun, wenn das DFB-Team heute abend gegen die USA verliert? Normalerweise ist die Antwort klar: Volle Pulle draufhauen auf alles, was die Sache verbockt hat oder auch nicht. Nun ist es aber so, daß sich der Kanzler bei seinem Besuch in Nizza drohend vor den Verbreitern der öffentlichen Meinung aufgebaut und gebrummt hat: „Ich werde kucken, daß Sie einigermaßen gerecht umgehen mit der Mannschaft in Ihren Berichten.“ Oje. Was passiert, wenn man nun im Mißerfolgsfall etwas zugespitzt schreiben muß, wie es ja jemandes Pflicht ist: „Berti – du alter Versager! Jetzt aber raus mit dir!“ Oder ihn kippt und auf die Titelseite legt? Wird man dann gezwungen, in Kohls Wahlkampfteam zu arbeiten? Oder geht es einem wie Kanzleramtsminister Friedrich Bohl? Den wollte der Kanzler vergangenen Freitag auf besonders raffinierte Weise entsorgen. Dazu erkundigte er sich im Mannschaftsquartier Mas d' Artigny scheinbar ganz harmlos, wer denn wohl „den härtesten Schuß“ habe. Man nannte ihm den Profi Michael Tarnat. Daraufhin hieß Kohl den Bohl sich ins Tor zu stellen und forderte Tarnat auf, mal einen richtigen Kracher loszulassen.
Es klappte dann nicht ganz, weil der schüchterne Tarnat danebenschoß. Vor Aufregung. Vielleicht war es auch nur als Warnung gemeint. Otto Hauser wird froh gewesen sein, daß er zu Hause bleiben mußte.
Was nun das Spiel heute abend betrifft, so hat sich die taz entschlossen, in jedem Fall zu verbreiten, die Deutschen hätten 3:1 gewonnen. Das hat nämlich Kohl offiziell so festgelegt.
Einzige Einschränkung: Sollte bis Redaktionsschluß ein Dementi von Gerhard Schröder einlaufen, ist es nach kurzer Prüfung seiner Argumentation sowie der letzten Wahlprognose durchaus denkbar, sich eher seinem Ergebnis anzuschließen.
*Üble Schmähung der Franzosen gegen den Harald-Schmidt-Show-Besitzer Harald Schmidt! Die Fachzeitung L'Équipe behauptet steif und fest, der Nürtinger habe den Geislinger Klinsmann als „le pédéraste souabe“, also als „schwäbischen Päderasten“ bezeichnet. Dabei war bisher aber nur von „Schwabenschwuchtel“ die Rede. taz meint: L'Équipe hat recht. Schmidt ist nicht weit genug gegangen. Er sollte umgehend Rechtsbeistand einholen – und dann das Versäumte heute abend zügig nachholen.
*Vor dem Stade Velodrome zu Marseille steht ein Schweizer. Etwas bunt angezogen. Der sagt zu einem Südafrikaner, etwas warm angezogen: „Excuse me“. Er sei Fernsehmann und habe heute abend den Namen „Moshoeu“ auszusprechen. Sagt der Südafrikaner: „Moshoeu, sch, sch, sch.“ Sagt der Schweizer erfreut: „Ah, ss.“ Darauf der Südafrikaner: „No, sch.“ Der Schweizer: „Sss.“ Der Südafrikaner: „Sch.“ Der Schweizer: „Sss.“ Wer nun die Pointe erwartet, zeigt ein sensibles Gefühl für die Komposition dieses Textes. Das Leben allerdings hat nicht immer eine Pointe. Statt dessen sagte dort der Südafrikaner weiter „Sch“, der Schweizer „Sss“, der Südafrikaner „Sch“, der Schweizer „ss“. So gehen die Tage ins Land. Peter Unfried
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