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Stiftungsprofessur wird abgewickeltAserbaidschan nicht mehr in Berlin

Aus für aserbaidschanische Geschichte an der HU: Der Studierendenrat hatte die von dem Regime finanzierte Professur scharf kritisiert.

Skurril-Schauriges aus dem Trophäenpark in Baku, Aserbaidschan Foto: Edward Crawford/imago

Berlin taz | Der Lehrstuhl „Geschichte Aserbaidschans“ an der Humboldt-Universität (HU) ist demnächst selbst Geschichte: Wenn am 30. September die Inhaberin der Professur am Institut für Geschichtswissenschaften, Eva-Maria Auch (65), ihre Tätigkeit beendet, werde das Institut „andere Schwerpunkte in seiner Arbeit setzen“ und die Stiftungs-Gastprofessur „nicht weiterführen“. Das teilte die Philosophische Fakultät der HU vorletzte Woche auf der Universitäts-Website mit. Einstimmig beschlossen habe dies der Fakultätsrat bereits Ende April.

Damit endet ein umstrittenes Kapitel, das 2010 begann, dessen Aufarbeitung damit aber wohl noch nicht abgeschlossen ist. Erst Ende Juli veröffentlichte der RefRat der HU – das Pendant zu den Allgemeinen Studierendenausschüssen AstA an anderen Unis – einen Aufruf. Darin fordert das Gremium „ein Ende der Einflussnahme des aserbaidschanischen Regimes auf die freie Lehre am Institut für Geschichte“ und bezichtigt den von Auch besetzten Lehrstuhl, „sich mit der aserbaidschanischen Staats- und Kriegspropaganda gemein zu machen“.

Der Hintergrund: Die Stiftungs-Gastprofessur wird größtenteils vom aserbaidschanischen Staat finanziert. Die Fördersumme, die von der aserbaidschanischen Botschaft an die Drittmittelverwaltung der HU floss, betrug von 2010 bis 2015 rund 100.000 Euro jährlich, bis 2020 waren es sogar rund 150.000 Euro. Ein ziemlich einzigartiges Konstrukt: An der HU gibt es lediglich eine weitere Gastprofessur am Nordeuropa-Institut, die mittelbar von einer ausländischen Regierung finanziert wird – in diesem Fall der norwegischen.

Bei Auchs Professur, so der RefRat, handele es sich jedoch um einen „Lobby-Lehrstuhl, der sich mit den nationalistischen Narrativen des autoritären Alijew-Regimes gemein macht“. Das postsowjetische Regime zeichne sich „durch Repression von Minderheiten sowie gänzlich fehlende Presse- und Meinungsfreiheit aus“, heißt es in dem Aufruf. In der von der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen aufgestellten „Rangliste der Pressefreiheit“ 2021 liege das Land am Kaspischen Meer sogar noch neun Plätze hinter Belarus.

Im April 2021 in Baku

Des Weiteren bezieht sich der RefRat auf die im Kontext der „Aserbaidschan-Affäre“ bekannt gewordenen Versuche der Einflussnahme auf Politiker_innen von CDU und CSU, gegen die Ermittlungsverfahren laufen oder liefen. In diesen Lobbyismus füge sich auch die Stiftungsprofessur ein, „denn ihr erklärtes zentrales Ziel ist es, Aserbaidschan in Deutschland bekannter zu machen, gleichzeitig kann die Botschaft die Inhalte mitbestimmen“.

Statt unabhängig zur Südkaukasusregion zu forschen, „findet am Lehrstuhl dem Regime genehme Lehre und Forschung unter anderem zur Nationen- und Elitenbildung Aserbaidschans statt“, so die Studierenden, und weiter: „Im Sinne der Herausbildung eines deutsch-aserbaidschanischen Karrierenetzwerkes haben am Lehrstuhl dem Regime nahestehende Wissenschaftler_innen promoviert beziehungsweise an einem Studienaustausch teilgenommen“.

Besonders brisant, so der RefRat, sei „der skandalöse Umstand, dass Prof. Dr. Eva-Maria Auch ausgerechnet zu Ende des Bergkarabach-Kriegs zwischen Armenien und Aserbaidschan im April 2021 eine Reise nach Baku antrat, um sich mit dem Machthaber Alijew zu treffen“. Sie habe auf dieser Reise den „bizarren und menschenverachtenden ‚Trophäen-Park‘ zum Kriegssieg“ begutachtet und sich dabei „sehr über die aserbaidschanische Einnahme der armenisch-geprägten Region gefreut“. Dieser „Park“, der erbeutetes armenisches Kriegsgerät präsentiert, zeigt auch karikierende plastische Darstellungen von armenischen Soldaten.

Unangenehme Verbindung

Tatsächlich zitiert die Aserbaidschanische Staatliche Nachrichtenagentur AZERTAG auf ihrer deutschsprachigen Seite Auch mit recht parteiischen Worten: „Sie haben viele Jahre darauf gewartet, Ihr Land von der Besatzung zu befreien, Sie haben im Rahmen des Völkerrechts gehandelt“, soll Auch im April in Baku gesagt haben. Sie hoffe sehr, so das Zitat weiter, „dass meine Kollegen nach diesem Besuch richtige Informationen in ihren Ländern verbreiten werden“.

Mit dem Trophäenpark in Verbindung gebracht zu werden ist Eva-Maria Auch sehr unangenehm: Sie habe bei ihrem Aufenthalt in Baku im April – anlässlich eines internationalen Expertenforums zur Zukunft Karabachs der Erasmus-Partneruniversität ADA – an dem Rundgang über das Ausstellungsgelände nicht teilgenommen, teilt sie auf Nachfrage der taz über die Pressestelle der Universität mit. Denn: Sie „verabscheue als Wissenschaftlerin und als Mensch jegliche Darstellung von Gewalt und Krieg“, so Auch. „Allein der Begriff ‚Trophäen‘ ruft bei mir Assoziationen mit Kriegsverbrechen im und nach dem Zweiten Weltkrieg hervor.“ Diese Kritik habe sie auch in Baku geäußert.

Ihr Auftreten in der aserbaidschanischen Hauptstadt, aber auch in der kriegszerstörten Stadt Agdam in Berg-Karabach werde „verzerrt und manipulativ“ wiedergegeben so Auch, außerdem sehe sie „die Verflechtung verschiedener ‚Aserbaidschan-Skandale‘ mit dem Lehrstuhl“ als „gezieltes Konstrukt gegen jegliche Wissensvermittlung über Aserbaidschan in Deutschland“, sagte sie bereits Ende April in einem von der HU-Pressestelle selbst geführten und veröffentlichten Interview. Die Universität reagierte damit auf einen kritischen Bericht im Online-Magazin Vice – dessen Recherche der RefRat zeitlich verzögert aufgegriffen hat.

Die Professorin bestreitet in dem Interview jegliche Einflussnahme des aserbaidschanischen Staates auf die Arbeit ihres Instituts: „Es gab und gibt keine inhaltlichen Vorgaben.“ Zu Beginn habe es „Fragen aserbaidschanischer Kolleginnen und Kollegen“ gegeben, „ob und welche aserbaidschanischen Geschichtsbücher ich benutze, aber es wurde schnell akzeptiert, dass wir in Deutschland völlig andere Lehr- und Forschungsmethoden haben“. Einzelne kritische Anmerkungen durch die Botschaft habe es durchaus gegeben: etwa zu „Einladungen von oppositionell eingestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“.

Studierende wollen unabhängigen Lehrstuhl

Auch, die in den 1970ern fünf Jahre in Baku Orientalistik studierte, beklagte gegenüber HU-Sprecher Hans-Christoph Keller, mit den Angriffen auf sie werde „nach über 40 Berufsjahren als Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin nicht nur meine Arbeit diskreditiert“: Die „Kampagnen um den Stiftungslehrstuhl“ sollten auch „die Fortführung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Aserbaidschan verhindern“.

Auf die Frage, ob die Stiftungsprofessur über ihr Ausscheiden hinaus weitergeführt werden solle, erwiderte sie, „gerade wegen des massiven Drucks“ solle der Lehrstuhl erhalten bleiben: „Wenn Deutschland alle Wissenschafts- und Kulturkontakte zu autoritär geführten Ländern abbrechen würde, wäre der Entwicklung der dortigen Zivilgesellschaften kaum geholfen.“ Sie regte die „Etablierung eines Kaukasusschwerpunktes an der HU“ an, „der nationalgeschichtliche Grenzen bewusst überschreitet und zum Beispiel mit Hilfe des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft finanziert wird“.

Das ist tatsächlich gar nicht so weit entfernt von der Forderung des RefRats, einen „unabhängigen Lehrstuhl für südkaukasische Geschichte“ einzurichten, „der kritische Forschung zu Georgien, Armenien und Aserbaidschan betreibt und historische Perspektiven aller drei Länder erforscht“. Am HU-Institut für Geschichtswissenschaften hat man sich offensichtlich aber nun weder den einen noch den anderen Vorschlag zu Herzen genommen.

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