Steuerreform in Österreich: Zaghafte Ökowende in Wien
Österreichs türkis-grüne Regierung will mit einer Steuerreform nicht nur die Bürger entlasten. Auch die Energiewende soll so an Fahrt gewinnen.
Prestigeprojekt der grünen Regierungsbeteiligung sollte eine ökosoziale Steuerreform werden, die eine echte Energiewende bringt. Gemessen an diesem Anspruch ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne bescheiden. An der Zapfsäule wird sich das nächstes Jahr in höheren Treibstoffpreisen von 8 Cent pro Liter niederschlagen. Damit bleibt Tanken in Österreich immer noch billiger als in allen Nachbarländern. Bis 2025 soll der Energieaufschlag dann schrittweise auf 55 Euro/Tonne CO2 angehoben werden. In Schweden liegt er jetzt schon bei 120 Euro, ohne dass dort Massenproteste ausgebrochen wären. Nicht angetastet wurde das Dieselprivileg, also die niedrigere Besteuerung des von Spediteuren und Bauern favorisierten Treibstoffs.
Die zählen traditionell ebenso zur Klientel der konservativen ÖVP wie die Unternehmen, die mit einer Senkung der Körperschaftssteuer von derzeit 25 Prozent auf 24 in zwei Jahren und 23 Prozent im Jahr 2025 entlastet werden. Finanzminister Blümel verteidigte das als „standortpolitisches Zeichen“, frei nach dem neoliberalen Credo: Je niedriger die Steuern, desto mehr wird investiert. Mit Olaf Scholz als Bundeskanzler sei in Deutschland mit höheren Unternehmersteuern zu rechen. Österreich wolle da einen „Kontrapunkt setzen“.
Die Grünen können hier einen kleinen Verhandlungserfolg verbuchen. Wäre es nach der ÖVP und den Wirtschaftsverbänden gegangen, hätte man die Körperschaftssteuer auf 21 Prozent gesenkt. Die von allen Ökonomen geforderte Entlastung des Faktors Arbeit durch Senkung der Lohnnebenkosten findet nicht statt.
SPÖ: Reform ist weder sozial noch ökologisch
Die CO2-Steuer wird via Direktzahlungen an die Bevölkerung zurückgegeben. Je nach Vorhandensein öffentlicher Verkehrsmittel wird das Land in fünf Zonen unterteilt. Wer in der Großstadt Wien lebt, bekommt weniger als ein Bürger im strukturschwachen Südburgenland. Bei der Umverteilung sollen auch die niedrigsten Einkommensschichten berücksichtigt werden: Wer zwischen 18.000 und 31.000 Euro jährlich verdient, soll ab Juli 2022 nur mehr 30 statt 35 Prozent Lohnsteuer zahlen müssen. Für die nächsthöhere Stufe bis 60.000 Euro gilt ein Steuersatz von 40 statt 42 Prozent. Niedrigverdiener, die keine Steuer zahlen, sollen durch niedrigere Beiträge für die Sozialversicherung profitieren – ein Erfolg der Grünen, den Kanzler Kurz dreist als seinen darstellte. Der Familienbonus wird um 500 Euro pro Kind und Jahr auf 2.000 Euro kräftig aufgestockt.
Finanzieren will Finanzminister Blümel die Reform mit größerem Wirtschaftswachstum, das nach seiner Berechnung auch helfen werde, die Neuverschuldung zu reduzieren. Den zaghaften Einstieg in die CO2-Bepreisung verteidigt er mit der Menschenfreundlichkeit der Regierung: „Wir wollen die Leute ja nicht sekieren. Das ist nicht unsere Politik.“
Die Arbeiterkammer, die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer in Österreich, hat errechnet, dass ein gut verdienendes Paar mit zwei Kindern mit einer jährlichen Entlastung von 1.715 Euro rechnen könne, eine Arbeiterfamilie mit drei Kindern dagegen nur 308 Euro gewänne. Einer Alleinerziehenden mit einem Kind blieben übers Jahr 438 Euro mehr. Die Reaktionen der Opposition fielen entsprechend aus. Während SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer die Reform als „weder sozial noch ökologisch“ verurteilt, sieht FPÖ-Chef Herbert Kickl in erster Linie die höheren Energiekosten und verurteilt „ein Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler“. Wohlmeinende Ökonominnen sehen immerhin eine Wende in der Energiepolitik, die seit 15 Jahren versprochen, aber von keiner Regierung angegangen wurde.
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