Steuererleichterungen für Reiche: Union kritisiert eigenes Gesetz
Koalition beschließt Steuererleichterungen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro. Trotz Unmut gab es nur eine Gegenstimme im eigenen Lager.
Gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen haben Union und FDP ihr umstrittenes Gesetz zur Beschleunigung des Wachstums am Freitag durch den Bundestag gebracht. Finanzpolitiker der Union und der FDP bemängelten vor allem die Steuererleichterung für Hotels. "Notwendig wäre eine systematische Gesamtreform statt weiterem Stückwerk", schrieb der sächsische CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe in seiner Erklärung zur namentlichen Abstimmung. Trotzdem stimmte nur CSU-Politiker Josef Göppel mit Nein, weil er Anstrengungen zur Förderung der Bio-Kraftstoffe vermisst.
Das Gesetz sieht Steuererleichterungen und zusätzliche Ausgaben in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr vor. Rund 1 Milliarde Euro entfällt auf die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen in Hotels und Pensionen von 19 auf 7 Prozent. Die Finanzpolitiker von Union und FDP stört vor allem, dass damit eine weitere Ausnahme hinzukommt. "Skilifte ermäßigter Steuersatz - Babywindeln voller Steuersatz, Tierfutter ermäßigt - Arzneimittel voll", beschreibt Kolbe die Widersprüchlichkeit der Mehrwertsteuer. Jetzt drohten "neue bürokratische Auswüchse". Mit der Reduzierung der Mehrwertsteuer für Übernachtungen wollen vor allem CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle Nachteile für deutsche Hotels in grenznahen Gegenden beseitigen.
Auch unionsregierte Bundesländer kritisieren das Gesetz und drohen mit der Ablehnung im Bundesrat am 18. Dezember. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) argumentiert, seinem Land würden pro Jahr 130 Millionen Euro fehlen, wenn das Gesetz in der aktuellen Form am 1. Januar 2010 in Kraft trete. Carstensen will unter anderem erreichen, dass die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen verschoben wird, bis die im Koalitionsvertrag vereinbarte Steuerkommission getagt hat. Alternativ verlangt die Landesregierung einen höheren Anteil an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Offiziell sagt die Bundesregierung, dass man den Ländern die Zustimmung zum Gesetz nicht mit finanziellen Kompensationen abkaufen werde.
SPD, Linke und Grüne kritisierten das Wachstumsgesetz als "sozial unausgewogen". SPD-Finanzpolitikerin Nicolette Kressl warf der Koalition vor, sie begünstige wohlhabende Bürger mehr als Leute mit mittleren und niedrigen Einkommen. "Das Gesetz ist sozial ausgewogen", sagte dagegen CSU-Finanzexperte Hans Michelbach. Er verwies darauf, dass das um 20 Euro erhöhte Kindergeld allen Beschäftigten zugutekäme. Bei Hartz-IV-Beziehern stimmt dieses Argument oft nicht - in diesen Fällen wird das höhere Kindergeld mit der Stütze verrechnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht