Steuerentlastung für Unternehmen: Minister Lindner vergrätzt Kommunen
Der Finanzminister will Firmen steuerlich entlasten, der Städtetag warnt vor geringeren Einnahmen. Auch SPD und Grüne sind skeptisch.
Im Entwurf des Wachstumschancengesetzes hat das Ministerium rund 50 Maßnahmen aufgeschrieben, um Steuern für Firmen und Privatleute zu senken und Verfahren zu vereinfachen. So sollen etwa mehr Verluste mit Gewinnen verrechnet werden können, geringe Mieteinnahmen nicht mehr der Steuer unterliegen und Unternehmen Prämien erhalten, wenn sie in klimafreundliche Technologien investieren. Der Gesetzentwurf ist in der Regierung noch nicht abgestimmt.
Die Steuersenkung zugunsten der Bürger:innen und Unternehmen gibt das Finanzministerium mit rund 6,7 Milliarden Euro pro Jahr an. Davon soll der Bund 2,4 Milliarden Euro tragen. Bei den Ländern wären es 2,3 Milliarden und bei den Kommunen 1,9 Milliarden. Hier schlagen als größter Posten die Ausfälle bei der Gewerbesteuer mit knapp 1,4 Milliarden Euro zu Buche. Ausgelöst wird dieses Minus vor allem durch die geplanten Neuregelungen bei der Mindestgewinnbesteuerung im Rahmen der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Heute lassen sich Verluste einer Firma aus der Vergangenheit nur beschränkt mit aktuellen und künftigen Gewinnen verrechnen. Knapp die Hälfte der Gewinne muss in jedem Fall versteuert werden. Diese Regelung soll für die Jahre 2024 bis 2027 jedoch wegfallen. Das würde unter anderem zu geringeren Einnahmen bei der Gewerbesteuer führen, die den Städten und Gemeinden zusteht. Die Begründung: Die Coronapandemie und der russische Überfall auf die Ukraine würden die Unternehmen belasten.
Sind die Verluste in den Kommunen verschmerzbar?
Um ihnen Investitionen etwa in klimaschonende Technologien zu erleichtern, wolle man ihre Liquidität verbessern. „Als Maßnahme zur Stärkung der Liquidität des Mittelstands werden die Begrenzungen der Mindestgewinnbesteuerung temporär ausgesetzt“, so der Gesetzentwurf.
Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung findet das grundsätzlich richtig. „Es erscheint vernünftig, wenn die Unternehmen auch größere Verluste beispielsweise aus den Coronajahren mit aktuellen Gewinnen verrechnen können.“ Die zu erwartenden Verluste der Kommunen hält Bach für „augenblicklich verschmerzbar, denn die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen“.
Mit rund 70 Milliarden Euro lagen sie 2022 erheblich über dem Niveau der Vorjahre. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Großhandelsverband und der Verband der Maschinenbauer unterstützen den Entwurf ebenfalls. Verena Göppert, Vizegeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, warnte dagegen vor der „angespannten Lage der kommunalen Haushalte“. Es kämen „immer neue Aufgaben“ auf die Städte zu. „Bei Wärmewende, Gebäudeenergiegesetz und Klimaanpassung stehen wir vor Mammutaufgaben.“ Man brauche „deutlich mehr, nicht weniger Geld“.
Auch SPD-Finanzexperte Michael Schrodi betonte: „Die beabsichtigte Ausweitung des Verlustvortrages ist nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen.“ Eigentlich habe man vereinbart, gezielt Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung zu fördern. Im Übrigen wäre das Minus für die Kommunen „schwer zu verkraften“, weil sie „zusätzliches Geld für Investitionen brauchen, beispielsweise für die Sanierung und Digitalisierung der Schulen oder den öffentlichen Wohnungsbau“.
Steuersenkungen nicht leistbar
Katharina Beck (Grüne) monierte: „In Zeiten von knappen Haushalten und empfindlichen Einsparungen zum Beispiel beim Elterngeld halte ich es für sehr fraglich, ob wir uns Steuersenkungen mit der Gießkanne leisten sollten.“ Der Aufgabe, „Investitionen anzureizen und für Wettbewerbsfähigkeit in den global umkämpften Zukunftsbereichen zu sorgen, wird der Entwurf noch nicht gerecht“.
Lindners Plan erinnert an die Reform der Einkommensteuer, die er 2022 durchsetzte, um die im Zuge der Inflation steigenden Steuerzahlungen zu verringern. Die Entlastung fiel mit fast 19 Milliarden Euro deutlich größer aus als von der Ampel zuerst angepeilt. Nun finden sich im Gesetzentwurf zwar auch die von SPD, Grünen und FDP verabredeten Investitionsanreize etwa in moderne Energietechnologien. Doch diese machen mit knapp 400 Millionen Euro nur einen kleinen Teil des Entlastungsvolumens von 6,7 Milliarden Euro aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind