Stefan Raab Bühnenshow in Köln: Godot kommt nicht
Stefan Raab präsentiert bei seinem Bühnen-Comeback eine planlose Show. Da stellt sich die Frage: Warum macht er das überhaupt?
Nach einer knappen Stunde ist der zur Reflektion bereite Zuschauer in der Kölner Lanxess-Arena völlig verloren: Okay, nettes Vorgeplänkel, aber wann fängt Stefan Raabs Comeback-Show eigentlich an – und was könnte dieses Eigentlich sein? Die einzigen Bühnenbild-Elemente sind Backsteinwände. Geht es also um Stand-Up-Comedy – das, was Raab immer am schlechtesten konnte? Ah, jetzt spielt er ein Saxophon-Solo. Geht es hier um Musik? Achnee, er tut nur so. Und warum der schicke Anzug? Sinatra-Referenz? Las Vegas am Rhein?
Apropos Sinatra. Mit einem reich eingeschenkten Glas Bourbon würde dieses unangenehme Nachdenken wahrscheinlich bald verschwinden: Warum tut er das? Als Stefan Raab im Dezember 2015 seine Fernsehkarriere beendete, erweckte er den Eindruck als würde er einem lange gereiften Selbstbild folgen. Er könne sich nicht vorstellen, mit 50 noch Fernsehen zu machen. Aber was dann? Seriös zu werden? Nicht mehr den Clown zu spielen?
Einen Reifeprozess mag man dem bald 52-Jährigen nach dem Abend in Köln jedenfalls nicht bescheinigen. Eher eine konsequente Reifung seines alt hergebrachten Konzepts der gut gelaunten Planlosigkeit, die zuletzt leider immer öfter den Eindruck von Lustlosigkeit erzeugte. Seine Late-Night „TV Total“ lebte von den absurd-lustigen Schnipseln, dem Spiegel, dem er dem Medium vorgehalten hat. Doch mit Raabs Abgang ist das Medium gleich mitgestorben. Undenkbar, dass sich Menschen heute ziel- und zeitgerichtet eine drei-, vier- oder fünfstündige Unterhaltungsshow wie „Schlag den Raab“ anschauen, schon gar nicht ohne Second Screen.
Vielleicht deshalb hat Stefan Raab alles aus dem Show-Konzept geschmissen, was nach Fernseh-Comeback aussehen könnte. Es gibt quasi keine lustigen Ausschnitte und auch keine Live-Schaltung ins Pro-Sieben-Programm, über die übereifrige Online-Medien im Vorfeld spekuliert hatten. Veranstalter Brainpool sprach von „Fake News“ und behielt sich rechtliche Schritte vor. In der Halle droht außerdem die aus „TV Total“ bekannte, feixende Ansagerstimme: „Wer Videoaufnahmen macht, wird von den Saalordnern brutal krankenhausreif geschlagen.“
So trübt tatsächlich kein Screen den Blick auf die Bühne als Stefan Raab sich in den Paradoxa seines Konzepts verliert. Mit einer schlagfertigen Zuschauerin aus der ersten Reihe spielt er noch einmal das Anfangsritual von TV Total durch: Sie liest einen Begrüßungstext von einem Transparent, er läuft zum Jingle der Heavytones zum zweiten Mal auf die Bühne. Mit dem breitesten Grinsen der Welt testet er das vorher dressierte Publikum wie ein Moderator beim Warm-Up: „Wo sind die Hände?“ – „An den Armen!“ „Ich kann euch nicht hören!“ –„Dann geh zum Ohrenarzt!“
Ein Abend wie ein Geschenk ohne Inhalt
Doch dann lässt Raab eine angemackte Kiste auf die Bühne rollen und verschenkt Devotionalien aus seiner Fernseh-Resterampe: Wok-WM-Mützen, Schlag-den-Raab-Buzzer. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber ohne lustige Fernseh-Schnipsel, ohne Sport, ohne Spiele – was bleibt da von Stefan Raab? Ein bisschen wirkt dieser dreistündige Abend wie das Scherzgeschenk, das nur aus Geschenkpapier besteht. Das Auspacken macht Spaß, aber am Ende bleibt nur Leere.
Das Geschenkpapier sind Gäste wie Elton, Carolin Kebekus, Stefanie Heinzmann, Max Mutzke, Sido, Luke Mockridge, Teddy Teclebrhan und die Toten Hosen. Bei ihrem Erscheinen flammt kurz Hoffnung auf: Jetzt kommt was, der Abend zu sich selbst. Im besten Fall kommt dann ein gutes Stück Musik mit den gut aufgelegten Heavytones heraus. Max Mutzke singt „Can’t Wait Until Tonight“. Und ja, viele der 14.000 BesucherInnen im ausverkauften Oval konnten diesen Abend bestimmt wirklich nicht erwarten. Die Toten Hosen singen „Bonnie & Clyde“ –wahrscheinlich haben sie auf einer Bühne noch nie so verloren gewirkt.
Vielleicht ist Stefan Raab tatsächlich seriös geworden und das alles hier ist Beckett. Godot kommt nicht. Großer Jubel.
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