Stefan Dettl über Yoga-Musik: „Eine Kuh ist für mich beruhigend“
Stefan Dettl ist Frontmann von LaBrassBanda. Ein Gespräch über Blasmusik als Meditationshilfe und das Münchner Hofbräuhaus als Yoga-Retreat.
taz: Herr Dettl, heute schon Yoga gemacht?
Stefan Dettl: Nein, ich bin sehr früh aufgestanden, hab’ einen Kaffee getrunken und bin zehn Minuten spazieren gegangen. Das war heute mein Yoga.
Sie machen aber tatsächlich auch Yoga?
Vor dem Spielen mach’ ich Atemübungen und schau’, dass ich Körper und Geist etwas in Schwung bring’. Das sind oft Übungen, die aus dem Yoga kommen.
Stefan Dettl 40, stammt aus dem Chiemgau. Bekannt ist der Trompeter und Sänger vor allem als Frontmann von LaBrassBanda. Die Band feiert seit 2008 weltweit Erfolge. Dettl ist auch Mitherausgeber der Zeitschrift Muh, die sich „bayerischen Aspekten“ widmet, und hat mit seiner Schwester Evi Dettl den alternativen Radiosender BUH gegründet.
Das neue Album: LaBrassBanda: „Yoga Symphony No.1“ (L.O.V.E.)
Jetzt haben Sie mit Ihrer Band LaBrassBanda ein neues Album veröffentlicht, es heißt „Yoga Symphony No. 1“. Nun ist Yoga-Musik nicht unbedingt das Naheliegendste, was man sich von einer zünftigen bayerischen Blaskapelle erwarten würde.
Das hat sich einfach so ergeben. Nachdem 2020 alle Konzerte aufgrund der Coronapandemie abgesagt wurden, bekamen wir im Oktober die Möglichkeit, zu einer Yoga-Veranstaltung die Hintergrundmusik zu machen. Das war im Allgäu, in Füssen im Theater. 150 Personen saßen auf Matten, mit Abstand, und wir haben einfach ruhige, meditative Blasmusik dazu gespielt. Die Reaktionen waren krass. Viele Menschen sind einfach nur eine Stunde lang auf der Matte gesessen und haben geweint. Andere hatten richtig Spaß. Und manche haben ganz normal ihr Yoga-Ding durchgezogen. Hinterher sind dann viele auf uns zugekommen und haben gesagt, sie möchten unbedingt die Musik haben. Und da wir eh nix zu tun hatten, haben wir das Ganze in Album-Form gebracht.
Sollte Musik fürs Yoga nicht eher in den Hintergrund treten, also das Gegenteil dessen darstellen, was sich Künstler:Innen wünschen?
Bei uns ist das nicht so. LaBrassBanda macht ja Tanzmusik. Wir wollen nicht vom Feuilleton hochgejubelt werden, sondern wir sind eine Blaskapelle, die spielt, damit sich die Menschen zur Musik bewegen und eine schöne Zeit dabei haben.
Ist das jetzt nicht ein bisschen Tiefstapelei?
Wieso?
Na, Sie sind doch nicht die Gute-Laune-Tanzcombo von nebenan.
Aber was will ich denn mehr? Wenn da tausend Leute vor mir stehen, die lachen mich an und springen und schreien, das ist doch das Allerschönste. Und wenn im Idealfall unsere Musik noch Menschen dabei hilft, sich zu öffnen – umso besser. Und letztendlich geht es um dasselbe auch beim Yoga, bloß halt etwas leiser und langsamer.
Aber Sie würden vermutlich kein Album mit Fahrstuhlmusik aufnehmen …
Das wäre aber mal eine gute Idee! Fahrstuhlmusik wird zu Unrecht völlig unterschätzt. Wenn man im Aufzug lustige Musik hört und dann beschwingt aufs Hotelzimmer geht oder wohin auch immer – das ist doch was Schönes.
Im Herbst planen Sie wieder ein Yoga-Event, diesmal im Münchner Hofbräuhaus, also quasi dem Mekka der Yoga-Community …
Lachen Sie ruhig. Aber für mich ist das Hofbräuhaus wirklich das weltoffenste Wirtshaus in München. Ich hab’ da während meines Musikstudiums fünf Jahre spielen dürfen. Dabei habe ich Menschen aus aller Welt kennengelernt. Für unser Yoga-Konzert könnte man sich keinen besseren Ort ausdenken. Und dann dieser unfassbar schöne historische Festsaal! Das wird eine fantastische Yoga-Stunde.
Wie kommen Sie mit Ihrer Band bis jetzt durch die Krise?
Wir selber können uns kaum beklagen. Dadurch, dass wir über mehrere Jahre enorm erfolgreich waren und nach wie vor genügend andere Jobs bekommen, kommen wir gut über die Runden. Aber wir sehen natürlich schon auch andere Kolleg:Innen und Bands. Vor allem junge MusikerInnen, die vielleicht gerade ihr Debütalbum veröffentlicht haben und die erste größere Tour hätten machen sollen – für die ist die Zwangspause eine Katastrophe.
Wann werden Sie wieder auf der Bühne stehen?
Ab Juli gibt es Konzerttermine, für jeden Auftritt existiert aber immer auch gleich ein Ersatztermin, falls es doch nicht klappt.
Sie spielen nicht mehr nur in kleinen Clubs, sondern füllen inzwischen auch die großen Hallen. Nach wie vor treten Sie aber am liebsten im Bierzelt auf. Warum ist das so?
So ein Veranstaltungsort ist einzigartig auf der Welt. Das Bierzelt ist ein mobiler kleiner Club – und das auf dem Land. Da kommst du vielleicht in eine Ortschaft, in der 100 Menschen leben, und da steht dann ein Bierzelt mit 4.000 Leuten. Wenn wir mit ausländischen Bands auf Bierzeltkonzerttour gehen, können die das immer gar nicht glauben.
Die Grundidee für LaBrassBanda ist aber nicht in einem bayerischen Bierzelt, sondern in New York entstanden.
Das stimmt. Das war 2004, als ich nach dem Studium mit einem Freund nach New York geflogen bin. Die Reise haben wir uns mit Kirchenkonzerten finanziert. Und in New York besuchte ich ein Konzert der Youngblood Brass Band. Das ist eine Blaskapelle aus Brooklyn, die Musik Richtung New Orleans und HipHop macht. Und die haben in einer kleinen Doppelgarage gespielt. Ihr Konzert hat mir die Augen geöffnet. Schon auf dem Rückflug wusste ich: Ich möchte unbedingt in einer Doppelgarage Blasmusik spielen und Mädchen in Tanktops hupfen umeinander. Und dann habe ich mir Musiker:Innen gesucht, die den Traum mit mir verwirklichen wollten.
Bei LaBrassBanda war es dann aber weniger New-Orleans-HipHop-Fusion und mehr Balkan-Brass.
Das entsprach mehr unserem Stil. Aber die Idee, Blasmusik als Clubsound zu machen, habe ich in New York aufgeschnappt. Im Chiemgau gab es damals regelmäßig Balkan-Partys. Auf denen haben wir dann als Einlage gespielt. Das waren die Anfänge von LaBrassBanda.
Wir müssen auch über Kühe reden! Einige Ihrer Albencover zieren Kühe, Sie geben eine Zeitschrift namens „Muh“ heraus. Haben Sie eine besondere Beziehung zum Rindvieh?
Absolut. Da schließt sich vielleicht wieder der Kreis zum Yoga: Ich glaub’ ja, dass die Kuh auch in Bayern irgendwie heilig ist. Wenn ich eine Kuh sehe, ist das für mich immer beruhigend. Kühe sind sehr sensibel, kriegen sehr viel mit. Sie schauen oft so tölpelhaft aus, sind aber ganz feine Wesen. Wie wir Bayern.
Haben Sie deshalb Ihr Live-Album in einem Kuhstall aufgenommen und „Kiah Royal“ genannt?
Wir hatten das Angebot, ein Unplugged-Album zu machen, wollten aber kein menschliches Publikum, sonst hätten wir uns nur von den Leuten treiben lassen und automatisch wieder Tanzmusik gespielt. Wir haben Publikum gesucht, das uns dazu anhält, dass wir ganz, ganz feine Musik machen. So sind wir auf den Kuhstall gekommen.
Und wie hat es dem Publikum gefallen?
Die Kühe waren total geflasht. Sie wohnten in einem Laufstall, wo sie jederzeit rein- und rausgehen konnten. Und da haben wir gemerkt, es gibt Kühe, die mögen Uptempo-artigen Technosound, andere waren mehr so Reggae-affin.
Sie betreiben nebenbei eine Landwirtschaft. Haben Sie auch Kühe?
Nein. Ich lebe zwar auf einem Bauernhof, und rundum sind viele Kühe, aber ich selbst habe keine. Dafür 60 Obstbäume und sechs Schafe.
Landwirtschaft, Konzerte, Tourneen, Zeitschrift-Machen, mit Ihrer Schwester haben Sie auch noch den Radiosender Radio Buh gegründet – vielleicht täte Ihnen etwas mehr Yoga gar nicht schlecht, um mal runterzukommen.
Nein, dafür habe ich wirklich keine Zeit.
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