Statistik zur Raddiebstählen in Berlin: Rad und Rätsel

Im Corona-Jahr 2020 wurden weniger Fahrräder gestohlen, sagt die Polizei: Überraschung? Keine Überraschung: In Kreuzberg kommen die meisten Räder weg.

Ein Fahrrad mit einem Schloss an einem Laternenpfahl festgekettet

Ein gutes Schloss hilft – manchmal. Gesichertes Fahrrad an einem Laternenmast in Prenzlauer Berg Foto: picture alliance / dpa | Inga Kjer

BERLIN taz | Auch die Berliner Fahrraddiebe hat die Corona-Pandemie offenbar ein bisschen mitgenommen. Aus dem schlichten Mangel an Gelegenheiten nämlich, so jedenfalls eine mögliche Interpretation der Polizeilichen Kriminalstatistik zum Fahrraddiebstahlunwesen, sind die registrierten Diebstähle 2020 um immerhin 3,9 Prozent zurückgegangen. 27.600 Drahtesel gingen ihren BesitzerInnen damit verlustig, hieß es am Montag, im Jahr zuvor waren es noch exakt 1.123 mehr.

Klar, oder? Die Menschen mussten sich ja weniger aufs Rad schwingen, um ins Büro oder in die Schule zu kommen. Homeschooling war angesagt, Homeoffice ist es in vielen Betrieben noch. Und abends ist man zur Gestaltung des Feierabends eine Runde um den Block spaziert, da gab es lange Zeit keine offene Kneipe, vor der man hätte sein Fahrrad parken und ein Dieb ein einsames Bügelschloss zum Gruß hätte zurücklassen können.

Allerdings ging die Zahl der gemeldeten Fahrraddiebstähle auch in den letzten Jahren schon kontinuierlich zurück, wie die Polizei feststellt. 2015 waren es noch über 30.000 Räder, die man ihren BesitzerInnen unter dem Hintern weggezogen hat. Die Aufklärungsquote bei Raddiebstahl, das hatte eine Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion zu Jahresbeginn ergeben, lag im Übrigen in den vergangenen Jahren bei wenig erbaulichen 3 Prozent.

Das wirft dann doch Fragen auf, die an dieser Stelle wirklich nur gestellt und nicht beantwortet werden können: Werden tatsächlich immer weniger Räder gestohlen – oder werden vielleicht genauso viel oder gar immer mehr Räder gestohlen, aber einfach nur weniger zur Anzeige gebracht? Weil es ja offenbar eh nicht so wahnsinnig viel bringt, deswegen zur Polizei zu rennen? Und hätte im Corona-Jahr der Markt für geklaute Räder nicht geradezu boomen müssen, immerhin berichteten die (legalen) Fahrradhändler doch über Lieferengpässe, weil in der Pandemie plötzlich alle Rad fahren wollten? Wenn das mal jemand recherchieren möchte, bitte sehr, mich würde es interessieren.

Nicht so verwunderlich indes ist die Tatsache, dass Friedrichshain-Kreuzberg, der Bezirk mit der amtlich höchsten EinwohnerInnendichte und gefühlt höchsten Kneipendichte, mit 1.321 gemeldeten Raddiebstählen auch der Bezirk mit der höchsten Diebstahlquote gerechnet auf 100.000 EinwohnerInnen ist. Eine Pole-Position, die man seit Einführung der Statistik 2012 nicht wieder hergibt. Ansonsten muss man in Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow sein Fahrrad festhalten, Mitte liegt tatsächlich nur auf Platz vier.

Auch das Gebiet, wo in absoluten Zahlen am meisten Fahrraddiebstähle passieren, liegt in Friedrichshain-Kreuzberg: Die Tempelhofer Vorstadt, vulgo Kreuzberg 61, mit 1.071 gemeldeten Fahrraddiebstählen 2020. Auf den weiteren Plätzen: der Alexanderplatz (755) und der Schöneberger Norden (737).

Noch Fragen? Vielleicht die, was aus den genau vier FahrradbesitzerInnen geworden ist, die tatsächlich einen Diebstahl im Grunewald gemeldet haben. Wie weit mussten sie wohl laufen bis zur nächsten S-Bahnstation?

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