Stars um die 50: Probleme alternder Jungs
Die Blütezeit von Johnny Depp ist vorbei. Jetzt muss er sich mit Scheidungen, Drogenproblemen und Falten herumschlagen.
Du als schwuler Mann, erklär mir doch mal bitte: Was, um Gottes willen, finden bloß Frauen an diesem Johnny Depp? Verzweifelt bis anklagend fragte dies jüngst ein heterosexueller taz-Kollege in den Vierzigern, er selbst sei schließlich „auch androgyn und nehme gerne Drogen“ – sei aber von den Frauen am Ende immer als „Kiffer“ gemaßregelt und auch stehen gelassen worden.
Johnny Depp ist einer der bestbezahlten Schauspieler Hollywoods, der unter anderem ein eigenes Weingut, eine (kleine) Insel auf den Bahamas, eine Gitarrensammlung sowie mehrere Oldtimer besitzt und sich also nicht mit einem taz-Gehalt, Rotwein vom Discounter und klapprigem Damenrad begnügen muss. Depp ist aber derzeit in einer ähnlich frustrierenden Lage wie der Kollege. Die Scheidung von Amber Heard kostete Depp nicht nur sieben Millionen Dollar – knapp zwei Millionen pro Ehemonat –, sondern zerkratzt auch Teile des Images: Mit Mobiltelefonen soll er nach seiner Ex geworfen haben, von häuslicher Gewalt war die Rede im Rahmen des öffentlich ausgetragenen Rosenkrieges zwischen Amber und Johnny.
Kaum ist nun die Scheidung durch, droht neues Ungemach. Die Auseinandersetzung mit seinen ehemaligen Finanzberatern von „The Management Group“ wird, ganz Hollywood, ebenfalls im Rampenlicht geführt. Die Manager plaudern großzügig aus dem Nähkästchen, beziehungsweise der Portokasse des Leinwandhelden: Rund zwei Millionen Euro monatlich soll der Star ausgeben, unter anderem rund 30.000 Dollar für Wein – in Berlin-Kreuzberg hätten die Spätis womöglich Schwierigkeiten mit dem Wechselgeld bei diesen Summen.
30.000 Dollar für Wein im Monat, und das trotz eigenem Weingut; das ist ungefähr so, als ob der taz-Kollege im Monat 3.000 Euro für Medienerzeugnisse ausgeben würde, obwohl die ja ohnehin im ganzen Redaktionsgebäude in der Rudi-Dutschke-Straße frei zugänglich herumfliegen.
Ein Lebensabschnitt voller Unbill
Schlecht sieht er nun aus, der Johnny Depp. Fotos kursieren in den Medien, auf denen er wirkt, als hätte er das ganze Wochenende im Berghain verbracht. Und das in dem Alter: Depp ist Jahrgang 1963. Er, der zwar nicht schon wie die jüngst verstorbene Zsa Zsa Gabor in Stummfilmen mitgespielt hat, aber immerhin schon in den achtziger Jahren als Teenie-Star aktiv war („21 Jump Street“), ist jetzt auch schon 53 Jahre alt und wie sein ebenfalls vom Schicksal gebeutelter Kollege Brad Pitt (Scheidung, Rosenkrieg, Drogenprobleme, Drogenvorwürfe) gerade in einem Lebensabschnitt voller Unbill.
Die Peter Pans aus Hollywood, Brad Pitt, Johnny Depp, Keanu Reeves, kommen nun in die Jahre, in denen die Sache mit der ewigen Jugend immer schwieriger wird – eben nicht nur für Frauen unter dem Diktat des Schönheitswahns, sondern auch für Männer, die sich ihr Leben lang eher als „Jungs“ präsentiert haben. Und das mit großem Erfolg. Was also, um Gottes willen, fanden nun all die Frauen so toll an Johnny Depp? Womöglich genau dieses Verspielte, Unklare, schwer Festzulegende, das ihn stets umgab; wunderbar zum Ausdruck gebracht in seiner Paraderolle als Captain Sparrow in der „Pirates of the Caribbean“-Reihe: betrunken oder klar, schwul oder hetero, gut oder böse – auf jeden Fall immer umrahmt von Unmengen Kajal.
Als junger Mensch schon war Johnny Depp „anders“, man vermutete, dass er am „Borderline“-Syndrom gelitten habe. Es folgte der Missbrauch von Drogen und Alkohol, und das nicht zu knapp. Dann wurde der Urenkel einer Cherokee-Indianerin zunächst zum – stets bei den Mädchen beliebten – Jungen mit der Gitarre. Er spielte in einer Band, bevor er eine steile Karriere als Schauspieler machte. Nie machte er den Fehler, sich im Allgemeinen der Blockbuster zu verlieren, stets gelang es ihm, auf dem Extravaganten zu bestehen. Ob „Irgendwo in Iowa“ als „Gilbert Grape“, ob als „Dead Man“ oder „Edward mit den Scherenhänden“. Depp hatte die Literaten der Beat-Generation, von Kerouac bis Ginsberg, tatsächlich verinnerlicht, anstatt deren Konsum nach zeitgenössischer Hipster-Manier bloß auszustellen.
Ein Coach fürs Liebesleben, einer für den Erfolg, einer für schwere Entscheidungen – unsere Gesellschaft ist gecoachter denn je. Arno Frank prüft das Selbstoptimierungswesen in der taz.am wochenende vom 11./12. Februar. Außerdem: Permakultur hat es in die Supermärkte geschafft. Neue Hoffnung für die Bio-Landwirtschaft? Und: Am Sonntag wird der neue Bundespräsident gewählt. Mit dabei: Erika Maier, die lange in der SED war und die DDR mit aufgebaut hat. Sie ist die Mutter von taz-Autorin Anja Maier. Ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter über Marxismus, Mut und das Jetzt und Hier. Das alles am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Irgendwie schaffte er es immer, in „Kreuzberg“ zu bleiben, obwohl er sich dort natürlich längst eine Dachgeschosswohnung leisten konnte und er mit Supermodel Kate Moss zusammen war. Frieden und Naturverbundenheit fand er im Rahmen seiner Ehe mit der französischen Sängerin Vanessa Paradis (ebenfalls bereits in den Achtzigern auffällig geworden, „Joe le taxi“).
Doch dann, wie im richtigen Leben zwischen Kreuzberg und West Hollywood, haute es Depp in der Lebensmitte ordentlich die Beine weg. Scheidung von Vanessa Paradis, Rückkehr zu Wein, Weib, Gesang. Noch eine Scheidung. Geldprobleme. Der „Sexiest Man Alive“ (2003, 2009) mit grauen Haaren, Falten. Schlecht ausgeleuchtet und mit schlechter Laune sah man ihn auf Werbeanzeigen für das Parfum „Sauvage“ von Dior. Auf den Fotos sieht er so aus, als würde er die Nase rümpfen. Keine gute Attitüde, wenn man ein Duftwasser bewirbt.
Raus aus den Sneakers
Kurzum: Es wird nun Zeit für einen Wechsel des Rollenfachs. Raus aus den Sneakers, rein in den Maßanzug. Das ewig Jungenhafte wird in den Fünfzigern nicht mehr so geschätzt, gefragt ist nun eher der erwachsene, gereifte Mann – zwei Kinder hat er ja auch schon. Wie nun aber umdenken? Wer könnte Vorbild sein? Mit Johnny Cash, Marlon Brando und Hunter S. Thompson, Gott hab sie selig, war Depp zu Lebzeiten immerhin befreundet. Seit einigen Jahren ist Johnny Depp nun auch eng mit Keith Richards, nachdem er zuvor oft bei dessen Sohn Marlon zu Gast gewesen war. Keith Richards hatte Depp lange Zeit für den Drogendealer seines Sohnes gehalten, bevor das Missverständnis aufgeklärt werden konnte. Womöglich ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Würde des Alters?
„Getting old is not for sissies“, so wird eine andere Hollywood-Legende, Bette Davis, gerne zitiert. Das gilt auch für Herren um die fünfzig, die dazu tendieren, stehen zu bleiben, sich gehen zu lassen. Sich im Kreis zu drehen, gerne auch mit Hilfe von Drogen – anstatt sich, wie viele ihrer weiblichen Lebensabschnittsgenossinnen, auf den Weg zu neuen Ufern zu machen. Johnny, du schaffst das! Und: Johnny, sie lieben dich noch immer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr