piwik no script img

Starker Typ

Beim Weltcupauftakt der Skispringer im polnischen Wisła setzt das deutsche Team auf Andreas Wellinger

Andreas Wellinger, hier beim Sommer­springen in Hinzenbach, hüpft in die Wintersaison Foto: imago

Von Klaus-Eckhard Jost

Andreas Wellinger ist bereit. Bereit für weite Sprünge. Aber auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Denn nach dem neuerlichen Ausfall von Severin Freund wegen dessen zweiten Kreuzbandrisses weiß der 22 Jahre alte Skispringer vom SC Ruhpolding, was von ihm erwartet wird. Er ist der Vorspringer im deutschen Team. „Das Einzige, worauf wie achten müssen“, sagt Werner Schuster, „ist, dass wir uns nicht zu sehr auf ihn fokussieren.“ Das ist die Aufgabe des Bundestrainers.

Andreas Wellinger hat seine Aufgaben im Sommer erledigt. „Sein Zugang zum Sport ist noch einmal professioneller geworden“, lobt Schuster. Das macht er auch an einem Umzug fest. Weg aus Ruhpolding, hinein nach München. Wie Freund arbeitet er dort sehr intensiv mit einem Physiotherapeuten an seiner körperlichen Fitness. Coach Schuster sieht’s mit Wohlwollen. „Der Andi hat sich körperlich noch einmal entwickelt“, sagt der Übungsleiter. Kniebeugen mit 90 Kilogramm auf den Schultern könne er jetzt sauberer ausführen, sagt der Springer und berichtet von einem anderen Körpergefühl.

Als Wellinger vor fünf Jahren in den Weltcup kam, hatte er gleich für Furore gesorgt. Beim Auftaktspringen in Lillehammer war er nach dem ersten Durchgang der Beste, in der Endabrechnung belegte er Platz fünf. Wow! Eine Woche später siegte er in Kuusamo erstmals im Weltcup. Mit dem Team. Immerhin. Und im Winter darauf gewann er bei den Olympischen Spielen in Sotschi mit der Mannschaft Gold. Der 1,83 Meter große Athlet mit den idealen Hebelverhältnissen schwebte von Erfolg zu Erfolg. Alles ging so leicht.

Doch nach einem Absturz mit einer schweren Schulterverletzung gestaltete sich die Rückkehr nicht so einfach. Die Leichtigkeit war bei dem 65 Kilo schweren Athleten dahin, Wellinger musste hart an sich arbeiten. „Ich habe aus den Rückschlägen gelernt“, sagt er heute.

Zeit des Lernens

Er hat gelernt, wie er reagieren muss, um auf gewisse Situationen vorbereitet zu sein. „Fehler sind legitim, menschlich“, sagt er, „doof ist nur, wenn man zu oft dieselben Fehler macht.“ Kein Fehler war es, zumindest aus Sicht von Trainer Schuster, dass sein Vorzeige-Athlet im vergangenen Winter bei den Weltmeisterschaften in Lahti nur im Mixed-Wettbewerb Gold gewonnen hat. In den beiden Einzelspringen belegte er jeweils Platz zwei hinter dem Österreicher Stefan Kraft. „Ich bin überzeugt, dass ihm die WM-Medaillen von Lahti geholfen haben. Dadurch, dass es im Einzel keine goldene war, ist die Energie noch einmal höher, es zu schaffen“, argumentiert Schuster. „Aber sie haben ihm auch die Sicherheit und das Selbstvertrauen gegeben, nach dem Motto: Ich kann es, ich kann dem Druck standhalten.“

Denn die Erwartungen werden in diesem Winter nicht weniger. Traditionell ist die Vierschanzentournee der erste Saisonhöhepunkt. Und seit 2001/02, als Sven Hannawald der historische Triumph mit Siegen bei allen vier Springen gelang, hat es keinen deutschen Gewinner mehr gegeben. Drei Wochen später folgt mit der Skiflug-WM in Oberstdorf der nächste Höhepunkt. „Eine geile Veranstaltung, auf die ich mich sehr freue“, sagt Wellinger. Im Februar finden in Pyeongchang die Olympischen Spiele statt.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. „Ich möchte nicht erst von Mitte Januar bis Ende März auf hohem Niveau springen, sondern von Mitte November bis Ende März springen“, sagt Wellinger. Beginnen will er damit am Wochenende in Wisła, dem Ort, an dem er seinen ersten Weltcupsieg feiern konnte. Einer, der ihm das zutraut, ist Stefan Kraft. „Ich rechne auf alle Fälle mit Andreas Wellinger“, sagt der Gesamtweltcupsieger, „ich habe ihn zuletzt beim Training gesehen, er ist sehr gut drauf.“ So würde es Andreas Wellinger nicht sagen, trotzdem ist er bereit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen