Star Wars-Nebenprodukt „Rogue One“: Solang' man Träume noch leben kann
Die „Star Wars“-Saga wird in „Rogue One“ um die Geschichte eines Datenklaus ergänzt. Vorab protestiert die Alt-Right-Bewegung.
Wichtige Fragen drängen stets auf Antworten. Auch in der „Star Wars“-Saga. Eine Frage, die da ganz am Anfang steht, lautet: Wie kam die Rebellen-Allianz in der historisch ersten Folge „Star Wars“ von 1977 eigentlich an die Baupläne für den Todesstern?
Diese mondgroße Massenvernichtungswaffe machte ihrem Namen damals zweifelhafte Ehre, da sie tatsächlich ganze Planeten in Weltraumgeröll verwandeln konnte. Den Rebellen gelang es jedoch dank ihres Informationsvorteils, das Ding nachhaltig zu zerlegen. Im Film hatte Prinzessin Leia als Repräsentantin der Allianz das brisante Material im fiependen Waschtrommelandroiden R2-D2 versteckt. Wie der Datenklau selbst vonstatten ging, blieb ungeklärt.
„Rogue One“, zu Deutsch Schurke eins, schließt diese Wissenslücke. Das „Star Wars“-Universum breitet sich mithin weiter aus. Zwar nicht durchgehend chronologisch, dafür immer schneller. Seit die klassische Trilogie von George Lucas aus den Jahren 1977 bis 1983 (heute: Episoden IV bis VI) um drei Vorgeschichten (Episoden I bis III, 1999 bis 2005) und eine Fortsetzung (Episode VII, 2015) ergänzt wurde, scheint bei dem Franchise inzwischen alles möglich. So wurde der Erscheinungsrhythmus der Filme, die früher im Abstand von drei Jahren in die Kinos kamen, mittlerweile auf zwei Jahre verkürzt.
Mit „Rogue One: A Star Wars Story“ kommt jetzt, noch vor der für 2017 angekündigten Episode VIII, zusätzlich eine Art Bindeglied zwischen den Episoden III und IV in die Kinos. Verwirrend? Macht nichts, außerhalb dieses Kosmos sind das zu vernachlässigende Einzelheiten. Das mit den Bauplänen will man dann aber doch irgendwie wissen.
„Rogue One“ beginnt ähnlich wie der Ur-„Star Wars“ in einer ländlichen Siedlung mit diesen höhlenartigen Gebäuden, in denen die Menschen in charmant verwitterten Hightech-Haushalten blässliches Gebräu aus klobigen Plastikbechern trinken. Ein Mann, Galen Erso (gefasst: Mads Mikkelsen), bekommt Besuch von einem General des Imperiums. Erso hat den Todesstern entworfen, soll sich jetzt für ein entstandenes Informationsleck verantworten. Kurz bevor er abgeführt wird, hat er seine kleine Tochter Jyn geheißen, sich zu verstecken.
Planetare Vernichtungstests
Dann springt der Film ein paar Jahre in die Zukunft, aus dem Kind Jyn wurde unterdessen eine junge Frau (gewinnend ausdruckslos: Felicity Jones). Der Todesstern ist soeben fertiggestellt und harrt seiner ersten planetaren Vernichtungstests. Im Verlauf der folgenden gut zwei Stunden Weltraumkampf im Orbit und zu Lande werden sich dann Jyns Schicksal und das der Baupläne des Todessterns als eng miteinander verknüpft erweisen.
Regie führte der Brite Gareth Edwards, der sich mit „Monsters“ (2010) und „Godzilla“ (2013) als Genrefilmer empfohlen hat. Sein Beitrag zum „Star Wars“-Unternehmen, der offiziell außerhalb der Saga mit ihren Episoden läuft und daher den unbeholfenen Zusatz „A Star Wars Story“ erhielt, orientiert sich optisch zwangsläufig an vielen Vorgaben aus dem „Star Wars“ von 1977 – die Geschichte spielt ja unmittelbar zuvor. Man trifft wieder auf die vertrauten alten Raumschifftypen wie „Sternenzerstörer“, „Sternenjäger“ und „TIE-Jäger“. Und selbstverständlich auf den Todesstern.
Das Personal hingegen ist überwiegend neu. Neben Jyn kämpft auf der Seite der Rebellen der über weite Strecken undurchsichtige Cassian Andor (finster entschlossen: Diego Luna), der blinde Fast-Jedi Chirrut Îmwe (erfrischend komisch: Donnie Yen) und, in der Rolle des „Radikalen“ Saw Gerrera, ein entrückter Forest Whitaker. Um noch ein bisschen für Franchise-interne Konfusion zu sorgen: Die Figur des Saw Gerrera kam bisher lediglich in der „Star Wars“-Animationsserie „The Clone Wars“ vor und hat damit als erste den Sprung in den Realfilm geschafft.
Man stirbt immer für die gute Sache
Man verrät nicht allzu viel mit dem Hinweis, dass es unter den Protagonisten einige Opfer geben wird. Vieles davon wird in dem für die „Star Wars“-Charaktere typischen Heroismus inszeniert, der nicht ganz unbedenklich ist: Man stirbt immer für die gute Sache, stoisch und keinesfalls elendig. Was in den Dialogen gern mit Leerformeln aufgebauscht wird: „Rette die Rebellion! Rette den Traum!“, ruft da Forest Whitaker als Saw Gerrera der flüchtenden Jyn hinterher.
Diese selbst verkündet wiederholt ihr Mantra: „Rebellionen sind auf Hoffnung gebaut.“ Womit man poetisch in die Nähe von Zeilen wie „So lang’ man Träume noch leben kann“ (Münchener Freiheit, 1987) gerückt wäre.
„Rogue One: A Star Wars Story“. Regie: Gareth Edwards. Mit Felicity Jones, Diego Luna u. a. USA 2016, 134 Min.
Um diese Motivationsrhetorik herum hat Edwards ein ganzes Arsenal an Nah- und Fernkampfszenen arrangiert, die sich sehen lassen können. Vereinzelt gelingen ihm schöne Variationen über bekannte Themen, in denen kampfentscheidende Erfolge oft auf schlicht mechanischem Wege zustande kommen. Was dem Film fehlt, ist eine Figur, die den Laden überzeugend zusammenhält.
Als veritable Sidekicks ungeeignet
Felicity Jones bleibt als Zentralgestirn der Handlung zu formelhaft und blass, um das Drama und den Kampfesgeist von Jyn überzeugend zu verkörpern. Die übrigen Figuren erscheinen in der Mehrheit arg konturlos, was sie als veritable Sidekicks ungeeignet macht. Und selbst der dunkle Darth Vader, als Einziger diesmal mit einem Laserschwert unterwegs, wirkt wie ein Klon seiner selbst.
Wo der Film sich außerhalb der bewährten Bilder bewegt, kommt man nicht umhin, Anspielungen auf andere Vorbilder zu finden. Eine burgartige Zentrale des Imperiums zum Beispiel, die kühn über gleißenden Lavaströmen aufragt, lässt in ihren Umrissen an die Architektur des Bösen aus „Der Herr der Ringe“ denken. Und wenn der Todesstern eine antike Stadt in Schutt und Asche zerlegt, erinnern die einstürzenden Säulenreste irgendwie an Palmyra in der Gewalt des IS.
Vor allem steckt der Film in einem Technikdilemma. So etwas wie das Internet ist in diesem Kosmos durchaus bekannt. Man greift auf Server zu, wie auch die Raumschiffe längst in der Lage sind, Nachrichten von praktisch überall aus dem All zu empfangen – in Echtzeit, steht zu vermuten. Andererseits verlässt sich das Drehbuch im entscheidenden Moment gleichwohl auf physische Datenträger.
Nostalgische Designer-Diskette
Dass die Baupläne für den Todesstern auf einer nostalgischen Designer-Diskette gerettet werden, ist dabei der „Continuity“ geschuldet: Auf einem ebensolchen Speichermedium erhielt im „Star Wars“ von 1977 der Androide R2-D2 von Prinzessin Leia einst die Pläne. Andere Details in diesem Zusammenhang werden weniger pflichtschuldig behandelt, was ein wenig auf Kosten der Logik geht, doch man soll ja nicht kleinlich werden.
Ansonsten ließe sich bei „Star Wars“ nun theoretisch unbegrenzt mit diesen filmischen Beistücken fortfahren. Wer immer schon mal erfahren wollte, wo der gnomenhafte Jedi-Meister Yoda seine Kochkünste erlernt hat oder warum der Todesstern eine Müllpresse benötigt, strickt aus diesen Details einfach eine „Star Wars Story“.
Nebenbei könnte sich „Rogue One“ noch zu einem Lehrstück für identitäre Verwirrungen mausern: Anfang Dezember begannen Anhänger der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung in den USA mit Online-Protesten gegen den Film. Unter dem Hashtag #DumpStarWars wird von ihnen beklagt, dass der Drehbuchautor Chris Weitz „antiweiße Ressentiments“ bediene.
Weitz hatte im Netz die Zunahme islamophober, rassistischer, frauenfeindlicher und antisemitischer Übergriffe nach dem Wahlsieg Donald Trumps kritisiert. Und in einem Tweet das Imperium als „White Supremacy-Organisation“ bezeichnet, der in „Rogue One“ eine „multikulturelle Gruppe unter Führung tapferer Frauen“ gegenüberstehe. Anscheinend fühlten sich da einige rassistische US-Bürger verletzt. Möge die Macht nicht mit ihnen sein.
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