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Staffelstart von „Mord mit Aussicht“Das Kaff zieht

Die ARD-Serie „Mord mit Aussicht“ ist das Gegenteil der amerikanischen Erfolgsserien. Zuschauer und Kritiker lieben sie trotzdem. Warum?

Immer etwas chaotisch, immer hektisch: Kommissarin Haas (Caroline Peters). Bild: ARD

Die Polizei ist ihr dicht auf den Fersen. Ein Blick zurück, dann biegt die Verbrecherin um die Ecke. Die Verfolger verlieren ihre Spur. Die Kriminaloberkommissarin ordnet eine Großfahndung an: „Wir brauchen Straßensperren. Wir brauchen Hundestaffeln, Killerdrohnen …“ Moment mal. Es ist nicht so, dass die gesuchte Frau eine Terroristin wäre. Und überhaupt: Wo sollte sie sich hier schon groß verstecken?

Haben sich die Protagonisten nicht gerade durch nahezu menschenleere Straßen gejagt? Ist nicht ein Traktor durchs Bild getuckert und eine Oma mit Rollator im Zeitlupentempo durchs Bild geschlurft? Auf Nachfrage des Kollegen löst die Kommissarin ihre Anweisung trocken auf: „Nein, das ist nicht mein Ernst.“ Sie ermittelt schließlich in Hengasch.

Hengasch ist ein fiktives Dorf in der Eifel und der Schauplatz der ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“, die nun mit 13 neuen Folgen in der dritten Staffel ausgestrahlt wird. Im Presseheft freut sich Programmdirektor Volker Herres über zuletzt „durchschnittlich 6,06 Millionen Zuschauer“, die das Format am Dienstag zur besten Sendezeit erreicht hat.

Dort gehört es neben den Nonnen von „Um Himmels Willen“, der Belegschaft der Sachsenklinik von „In aller Freundschaft“ und der im Leipziger Zoo praktizierenden „Tierärztin Dr. Mertens“, zu den Quotenrennern im Ersten.

Die dritte Staffel

Ab Dienstag, 09. September, 20.15 Uhr, ARD.

Kritikerliebling

Doch „Mord mit Aussicht“ ist anders als seine bräsigen Mitstreiter, die bei Kritikern höchstens als abschreckendes Beispiel genannt werden, wenn Vergleiche zum internationalen Serienniveau gezogen werden. Die Story um die ehrgeizige Kommissarin Sophie Haas, die von Köln aufs Land versetzt wird und am langweiligen Dorfleben zu verzweifeln droht, überzeugt auch Zuschauer, die bei Kategorien wie „Regional-“ oder „Schmunzelkrimi“ normalerweise abschalten.

So kommt es, dass Caroline Peters, die seit 2007 Kommissarin Haas spielt, in Interviews immer wieder erklären soll, was das Besondere der Serie ausmache. „Das wüsste ich selbst gerne, damit ich es auf andere Formate übertragen könnte“, antwortet sie und schiebt nach: „Wir haben viel darüber nachgedacht, was im Fernsehen gemacht wird, und haben versucht, einen eigenen Geschmack dagegenzusetzen.“

Mit „wir“ meint sie das Ensemble und die Regisseure von „Mord mit Aussicht“. „Das fällt im deutschen Fernsehen auf, wenn nicht alles nach irgendeiner Idee weichgespült ist, die sich danach richtet, was die Leute angeblich sehen wollen.“

Dass die Originalität nicht allein auf den Drehbüchern der Serienerfinderin Marie Reiners beruht, die bis 2010 die Vorlagen lieferte, wird deutlich, wenn man sie mit den Produktionen der Regionalkrimi-Reihe „Heiter bis tödlich“ für den ARD-Vorabend vergleicht. Denn hier wirken Reiners Geschichten eher fad. Selbst Volker Herres weist im Presseheft darauf hin, dass die Bücher „am Ende nur eine Steilvorlage und einen Spielplatz abgeben“.

Produzent Peter Güde konkretisiert: „Bei ’Mord mit Aussicht‘ kommen viele Einfälle von den Schauspielern selbst, und dadurch entsteht tatsächlich am Set noch viel Zusätzliches zur Buchvorlage.“

Schauspielerin am Burgtheater

Caroline Peters, die abseits der Serie selten im Fernsehen, dafür regelmäßig am Burgtheater in Wien zu sehen ist, legt großen Wert darauf, mit dem Ensemble an Texten zu arbeiten. „In deutschen Fernsehdrehbüchern stehen viele Dinge für Schnell- und Querleser, weil sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zig Gremien durchlaufen müssen und von vielen Leuten gelesen werden“, sagt sie.

„Da stehen oft Sätze in Dialogen, die man nicht wirklich sagen muss, weil die Auflösung im Bild eine andere ist als im Buch. Wir waren uns einig, dass wir solche Dinge herausstreichen, wenn wir sie entdecken. Sätze wie ’Ich gehe jetzt ans Telefon‘ muss man nicht aussprechen, wenn die Figur dabei ans Telefon geht.“

Es ist die Leidenschaft fürs Detail, der Wunsch nach exaktem Schauspielhandwerk, den sämtliche Darsteller von „Mord mit Aussicht“ teilen. Neben ihr schaffen es auch Kollegen wie Bjarne Mädel und Meike Droste, die Schrulligkeit ihrer Figuren nicht spöttisch zu überzeichnen, sondern ernst zu nehmen und mit einem feinen Gespür für Ambivalenzen sorgfältig zu verdichten.

Auch sonst hebt sich die Serie mit ihrem schwarzen Humor von gewohnten Darstellungen im TV ab. „Wenn das deutsche Fernsehen aufs Land geht, endet es immer sehr schnell im Märchen; beim Bergdoktor oder beim Landarzt“, sagt Produzent Güde. „Ich finde es schön, dass Dorf und Land hier auch einmal negativ dargestellt werden können, dieses Nervige, das Öde. Dadurch wird es dann auch lustig.“

Unbewegliches Privatleben

Es sind die Gegensätze der oft unerträglich-sturen Gemächlichkeit des Landlebens und der wachen und ungeduldigen Stadtfrau, die Zigaretten rauchend in ihrem roten BMW-Cabrio die dösige Dorfgemeinschaft aufmischt, dabei aber auch die Achillesferse ihres modernen Lebensentwurfs offenbart – ein recht unausgeglichenes Privatleben. So schafft es „Mord mit Aussicht“, eben nicht zur billigen Provinzposse zu verkommen.

Auch weil es sich abseits der Fälle Zeit nimmt, von den kleinen und größeren Dramen seiner schrägen Figuren zu erzählen. Tatsächlich durchströmt den Ort dadurch sogar ein Hauch der legendären US-Serie „Twin Peaks“.

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Leider sind einige Fakten im obigen Artikel falsch - so endete mitnichten meine Mitarbeit bei Mord mit Aussicht 2010. Vielmehr habe ich auch die zweite Staffel von Mord mit Aussicht noch maßgeblich mitkonzipiert sowie drei der dreizehn neuen Drehbücher geschrieben, allerdings unter alias, da meine Vorstellung der Serie nicht mit der Vision des neuen, erst mit Staffel zwei eingestiegenen Produzenten Güde übereinstimmte (was ihn im übrigen leider nicht daran hinderte, seinen Namen als Autor unter eines meiner Bücher zu setzen, dies wurde ihm allerdings anwaltlich untersagt).

    Das Zitat von Herrn Herres bezieht sich auf Staffel drei, mit der ich nichts zu tun hatte. 2010 lautete seine Aussage wie folgt:

    "Qualität und Quote - 'Mord mit Aussicht' hatte beides. (…) Die Darsteller, allen voran die großartige Caroline Peters als Kommissarin Sophie Haas, und das gesamte Team - wobei hier an erster Stelle die originellen Drehbücher von Marie Reiners zu nennen sind - haben für ein ganz besonderes Highlight im Ersten gesorgt."

    Durch die Erwähnung meiner Person in Verbindung mit einem Herres-Zitat zur dritten Staffel entsteht ein völlig falscher Eindruck – meine Drehbücher waren niemals „Spielplatz“ und/oder „Steilvorlage“, sondern sind eins zu eins verfilmt worden (von den völlig normalen, branchenüblichen Änderungen, die bei jeder Produktion entstehen, abgesehen) Das Erfinden eines Kosmos, wie Hengasch einer ist, mit sämtlichen Hauptfiguren und deren speziellen Eigenarten ist im übrigen ganz und gar meine alleinige schöpferische Leistung.

    Der Erfolg einer Serie beruht immer auf Teamarbeit, auf guten Schauspielern und Regisseuren und all den anderen Gewerken – aber das Drehbuch ist nunmal Beginn, Grundlage und Seele einer Serie und das sollte man nicht im nachhinein klein reden, nur weil ein Erfolg plötzlich gerne mal viele Väter und Mütter hat.

  • Interessant. Die Drehbücher sind also nur „Steilvorlage” und „Spielplatz”. Dann sind also dieser Mikrokosmos Hengasch, all seine Figuren, sämtliche running gags wie z.B. Frau Ziegler mit dem Rollator also Werk der Schauspieler und Regisseure. Dumm nur, dass es Drehbücher (und zwar die der 1. Staffel) waren, die dies vorgaben. Das lässt sich auch im Nachhinein schwer umdeuten, nur weil ein Produzent, der später dazukam, sich als Schöpfer sehen will. Abgesehen davon war die Folge gestern weder lustig noch logisch, da halte ich’s mit Herrn Hoff von der Süddeutschen. Aber das wiederum ist subjektiv deutungsfähig.

  • Die Serie ist bis hin zur kleinsten Nebenrolle mit hervorragenden Leuten besetzt, denen man anmerkt, dass es ihnen selbst sehr viel Spaß macht. Zum Erfolg hat sicher auch die Musik von Andreas Schilling ganz erheblich beigetragen. Das geniale Grundthema macht von Anfang an gute Laune und wird dramaturgisch jeweils höchst passend zu den Szenen variiert. Auch nach mehrmaligem Anschauen werden die Episoden nie langweilig, weil man immer noch neue Details entdeckt, die man zunächst ganz übersehen hatte.

    Wenn es stimmt, dass Bjarne Mädel zum Ende der Staffel austeigen will, weil ständige Kürzungen der Drehzeit pro Episode kaum noch kreativen Raum lassen, wäre das wohl wieder ein Bespiel dafür, wie Gutes kaputtgespart wird und man dann am Ende mit leeren Händen dasteht.