Stadträte revidieren Parteiwechsel: Emder BSW-Fraktion jetzt wieder links
Von der Linken zum BSW gewechselte Stadträte kehren zurück in den Schoß der Linken. Den Ausschlag gab die Bundestagsabstimmung des BSW mit der AfD.
Nach einem kurzen Ausflug ins Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schlagen die Emder Stadträte Lars Mennenga und Stefan Luitjens wieder Wurzeln bei der Linken. Was als politisches Experiment begann, endete in Ernüchterung. Im Januar vergangenen Jahres hatten die beiden Lokalpolitiker die Linke Richtung BSW verlassen, um nun erneut als Linksfraktion im Emder Stadtrat zu firmieren.
Ausschlaggebend für den Wechsel zurück sei die Zustimmung des BSW zum Entwurf des Zustrombegrenzungsgesetzes gewesen, das die CDU/CSU-Fraktion am 31. Januar in den Bundestag einbrachte, wohl wissend, dass auch die AfD zustimmen würde. Luitjens dazu: „Wenn man bei einem so wichtigen Thema, das über viele menschliche Schicksale entscheidet, einer Meinung mit der AfD ist, steht man meiner Ansicht nach auf der falschen Seite der Geschichte.“
Lütjens kritisiert auch die Mitgliederpolitik des BSW, die eine Aufnahme in die Partei nach sehr restriktiven Regeln vorsieht. Befürchtet wird, dass Personen, die die politischen Werte des BSW nicht teilen oder zuvor in der AfD aktiv waren, Mitglieder werden könnten. Um dies zu vermeiden, werden die politischen Überzeugungen und Hintergründe der Bewerber:innen sorgfältig geprüft. Luitjens stellte fest, dass „ein wirklicher Diskurs ist mit so wenigen, handverlesenen Mitgliedern nicht möglich ist“.
Die Rückkehr erleichtert habe auch eine Veränderung bei der Linken. „Ich begrüße es sehr, dass die Linke wieder sozialpolitische Themen in den Mittelpunkt stellt und ihr Handeln daran ausrichtet“, sagt Luitjens. „Zum Zeitpunkt meines Austritts im Januar 2024 war das für mich nicht so deutlich erkennbar wie jetzt.“ Aktuell herrsche in der Linken eine regelrechte Aufbruchstimmung. [Nachtigall ick hör Dir trapsen; d. säzz.] Aus seiner Sicht könne man das als politische Reifung betrachten: Dem Irrtum folgt Erkenntnis und die Rückkehr zu den eigenen Werten.
Dem Vorwurf der Wankelmütigkeit begegnet Mennenga damit, dass er nicht bereit gewesen sei, im BSW fragwürdige Kompromisse einzugehen und somit „konsequent gehandelt“ habe – genauso konsequent, wie er auch seinen Austritt ehemals von der Linken vollzogen habe.
Dies sei für ihn „ein Zeichen für Authentizität“. Mennenga spricht von ideologischer Kompromisslosigkeit und hofft, dass die Wähler:innen ihm diese nicht übelnehmen. Er vertrete nach wie vor eine soziale Politik und ist davon überzeugt, den richtigen Schritt gegangen zu sein.
Es bleibt abzuwarten, ob Mennenga und Luitjens ihre Rückkehr zur Linken mit glaubhaften politischen Inhalten füllen können. Lütjens und Mennenga versichern, ihr Hauptaugenmerk sei auf die Stadt und die Region gerichtet, die „Bekämpfung der hohen Arbeitslosenquote und der regionale Ausbau der städtischen medizinischen Grundversorgung“.
Im Wesentlichen habe sich das Türschild am Büro der Stadträte geändert. „Während migrationspolitische Themen in Ostfriesland weniger im Vordergrund stünden, seien es vielmehr der soziale Wohnungsbau, fehlende Kitaplätze sowie ein ausbaufähiger Betreuungsschlüssel und die angespannten kommunalen Haushalte, die dringend Lösungen erforderten“, teilt die neue Emder Linken-Fraktion mit.
Zu dem politischen Wechsel war es Mennenga zufolge überhaupt nur gekommen, weil die Linke damals „einen anderen Vorstand hatte und man sich nicht richtig abgeholt gefühlt hat“. Der ausschlaggebende Punkt sei für ihn nicht ein unpassendes Programm, sondern eine mangelhafte Führung gewesen. Das BSW erschien als vielversprechende Alternative.
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