Stabilisierung Somalias: Somalis haben die Schnauze voll

Alle Nachbarn kämpfen jetzt in Somalia gegen die Shabaab-Islamisten. Frieden ist nicht in Sicht, die Regierung ist diskreditiert. Alle sollen weg, finden Exilanten.

Somalische Soldaten bei Bur Garbo. Bild: reuters

NAIROBI taz | Vom Laufband aus hat Abdi Shire halb Nairobi im Blick. Abdi Shires Fitnessstudio befindet sich im 11. Stock des Royal Grand Hotel im Stadtteil Eastleigh. "Hier triffst du jeden Somalier, der meint, er sei für Somalia von Bedeutung", sagt Abdi Shire, der seit zwanzig Jahren in London lebt, aber regelmäßig in der kenianischen Hauptstadt ist und oft auch nach Somalia weiterfliegt.

Sein Geld verdient er mit Fernsehshows, Liedern und Kabarett. In der über Youtube weltweit vernetzten somalischen Community ist seine Band Qeylodhaan (dt.: "Hilfeschrei") beliebt.

Besonders viele Klicks bekommen zurzeit Lieder über die Somalia-Politik der UNO. "Das ganze Ding ist reine Rhetorik. Vergeudete Zeit, rausgeschmissenes Geld", fasst Shire seine Kritik zusammen.

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Abdi Shire ist nicht der einzige Somali, der seiner Verzweiflung über die UN-Somalia-Politik und die korrupte somalische Übergangsregierung im Internet Luft macht. Der bissige und umtriebige Karikaturist Amin Amir beteiligt sich im Netz an den Spekulationen über den Charakter des Verhältnisses zwischen dem UN-Sonderbeauftragten Augustin Mahiga und seiner somalischen Sekretärin.

Die Gerüchte darüber sind so hartnäckig, dass einige somalische Parlamentarier kürzlich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon per Brief baten, Mahiga durch jemanden zu ersetzen, der "helfen kann, die Situation in Somalia zu verändern".

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Eine Verfassung bis 2012

Mahigas schlechter Ruf färbt auf die Roadmap der UNO zur Stabilisierung Somalias ab. Die verbinden viele Somalier mit seinem Namen und kritisieren, die Sache sei zu teuer und setze auf die falschen Leute, an erster Stelle auf Übergangspräsident Sheikh Sharif Sheikh Ahmed. "Ein gescheiterter Politiker", sagt Omar Olad, Direktor der somalischen Hilfsorganisation Daryeel Bulsho Guud ("Hilfe für alle"). Im Englischen ist die Analogie zwischen "failed person" und "failed state" eindeutig.

Somalias Übergangspräsident Sharif Sheikh Ahmed, seit 2009 im Amt, hat aus der Sicht vieler Somalier in seiner Amtszeit nur eines verbessert: die eigene finanzielle Situation. "Die Somalier haben die Schnauze voll", sagt Abdi Shire. "Sie wollen nur noch, dass die alle gehen: der Präsident, die Regierung, das Parlament." Währenddessen setzt die UNO auf ebendiese Regierung und dieses Parlament.

Dem Zeitplan zufolge soll bis August 2012 eine Verfassung verabschiedet sein, staatliche Institutionen aufgebaut, Stabilität wiederhergestellt und die Regierung auf gute Regierungsführung verpflichtet sein. Allerdings fragen sich Geldgeber, warum Mahiga allein für Ausarbeitung und Druck der neuen Verfassung 27 Millionen Dollar will. Währenddessen wird die afrikanische Eingreiftruppe "Amisom" der Afrikanischen Union (AU) verstärkt, die derzeit rund 9.000 Mann aus Uganda und Burundi umfasst.

Kenia hat vor wenigen Wochen seine Truppen, die im Oktober in einer getrennten Operation im Süden Somalias einmarschierten, ebenfalls Amisom unterstellt. Damit dürfte die Truppe jetzt rund 11.400 Mann stark sein. Dschibuti schickt jetzt auch Verstärkung; die ersten 100 von geplanten 800 Soldaten aus dem kleinen somalischstämmigen Nachbarland landeten am Dienstag. Darüber hinaus sind äthiopische Truppen im Land, was den Islamisten von al-Shabaab, Hauptfeind der Übergangsregierung in Somalia, vermutlich Zulauf beschert: die Äthiopier gelten als Erzfeinde Somalias.

Keine Entwarnung

"Der Krieg gegen die Shabaab macht die Hilfe für die Hungernden im Süden Somalias fast unmöglich", kritisiert Helmut Hess, Somalia-Experte von Brot für die Welt. Denn der Hunger in Somalia dauert an, auch wenn er seit dem Sommer aus den Schlagzeilen verschwunden ist.

Zwar gelten laut UNO nur noch drei Gebiete als "Hungerregionen" statt sechs, aber eine Entwarnung ist das nicht: Die Raten von Unterernährung und Sterblichkeit sind immer noch deutlich erhöht. Nach UN-Angaben sind 250.000 Menschen unmittelbar vom Hungertod bedroht und 3 Millionen Menschen in einer sehr kritischen Situation.

Seit Kenias Einmarsch im Oktober haben die Shabaab ihre ohnehin harte Linie gegen ausländische Helfer weiter verschärft. Ende November haben sie 16 Hilfsorganisationen die Arbeit in den von ihnen kontrollierten Gebieten verboten. Die meisten anderen Organisationen hatten ohnehin keinen Zugang. "Die ,Titanic' ist untergegangen, wir sind noch auf dem Schiff", sagt der somalische Helfer Omar Olad.

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