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Staatssekretär Flasbarth zur COP in Baku„Wir sind bereit, eine wichtigere Rolle zu spielen“

Die EU und Deutschland müssten sich wegen des künftigen US-Präsidenten Trump stärker beim Klimaschutz engagieren, sagt Staatssekretär Flasbarth.

Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen demonstrieren während der COP29-Klimakonferenz am 21. November 2024 in Baku, Aserbaidschan Foto: Aziz Karimov/reuters

taz: Erfolg oder Misserfolg des Klimagipfels in Baku wird daran gemessen, ob es 200 Staaten gelingt, sich auf ein neues globales Ziel bei der Klimafinanzierung zu einigen. Könnte man die Entscheidung nicht auf nächstes Jahr verschieben? Dann hätten alle mehr Zeit, um sich vorzubereiten.

Jochen Flasbarth: Ich bin fest überzeugt, dass es wichtig ist, hier zu entscheiden. Zum einen gibt es einen langjährigen Zeitplan, was auf Klimakonferenzen wann beschlossen wird. Das 100-Milliarden-Dollar-Versprechen der klassischen Industrieländer an die Entwicklungsländer reicht bis 2025. Deshalb muss man 2024 entscheiden, was danach kommt. Verlässlichkeit hat im Verhandlungsprozess einen hohen Wert. Zum anderen liegen alle Fakten und Positionen auf dem Tisch. Diese Finanzverhandlungen wurden seit Jahren vorbereitet.

Bild: Foto: H. Scherhaufer/imago
Im Interview: Jochen Flasbarth

62, ist Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Hinzu kommt, dass das geopolitische Umfeld die Sache nicht leichter machen wird. Ein wichtiges Land, die USA, wird absehbar weniger solidarisch sein. Ob sie wieder aus dem Pariser Klimaabkommen austreten, wird man sehen. Aber von der US-Regierung wird es jedenfalls ab dem nächsten Jahr keine großen Impulse mehr geben. Auch deshalb sollte man die Einigung hier in Baku schaffen.

taz: Wie würde sich die Dynamik in den Klimaverhandlungen verändern, wenn die USA nicht mehr dabei sind? Die USA waren ja tendenziell immer ein Land, das eher auf der Bremse stand.

Flasbarth: In den letzten vier Jahren haben die USA eine sehr positive Rolle gespielt. Allein das bringt schon Dynamik in die Verhandlungen. Gute Beschlüsse werden wir auch in Zukunft fassen. Es geht aber besser, wenn alle an Bord sind und erst recht ein so großer Emittent und eine so starke Volkswirtschaft wie die USA.

Ich will aber auch daran erinnern: Eine COP ist keine Konferenz, bei der einzelne Staaten Zusagen machen, wie viel sie beitragen. Es wird ein Gesamtziel für die Finanzierung geben und das ist auf 2035 ausgerichtet. Bis dahin gibt es auch in den USA noch mehrere Wahlen. Deshalb schreiben wir die USA nicht einfach ab.

taz: Wenn sich die USA zurückziehen – muss dann nicht die EU eine wichtigere Rolle spielen?

Flasbarth: Dazu sind wir bereit. Die EU und die Mitgliedsstaaten wissen, dass sie weitere Finanzierungen schultern müssen. Aber zugleich gilt, dass bei der globalen Klimafinanzierung alle mitziehen müssen, die das können, also auch Länder, die vor dreißig Jahren noch als Entwicklungsländer galten, heute aber längst über die nötige Wirtschaftskraft verfügen.

Wir wollen erreichen, dass es mehr Klimafinanzierung von mehr Partnern gibt. Natürlich haben wir da China und die Golfstaaten im Blick, aber auch die USA. Selbst wenn sie nicht mehr in dem Abkommen wären, bleiben sie ein großer Emittent und finanzstark. Sie profitieren enorm von Klimaschutztechnologien. Also ist es auch unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in UN-Institutionen richtig, Forderungen an die USA zu stellen.

taz: Viele Entwicklungsländer wie die Inselstaaten oder die ärmsten Länder haben ähnliche Interessen wie die EU: Sie streben eine Erweiterung des Geberkreises an und wollen eine schnelle Reduktion der Emissionen. Warum gelingt es dennoch nicht, diese Länder aus der Gruppe der Entwicklungsländer, der G77, herauszulösen, wo Länder wie China, Indien und Brasilien den Ton angeben?

Flasbarth: Die G77 haben lange Zeit gute Erfahrungen damit gemacht, geschlossen aufzutreten, auch dann, wenn nicht alle Staaten einer Meinung waren. Aber es gab schon auch andere Zeiten. Das Pariser Abkommen kam auch deswegen zustande, weil sich eine Koalition aus der EU und den kleinen Inselstaaten bildete. Und dann kam der Moment, als noch Brasilien und die USA dazukamen. Solche Momente gab es zum Glück immer wieder – Momente, in denen eine Allianz zwischen der EU und Entwicklungsländern wirklich Bewegung ausgelöst hat.

taz: Könnte sich das in Baku wiederholen?

Flasbarth: Es hat hier ein sehr starkes Lebenszeichen der High Ambition Coalition gegeben, also der Vorreitergruppe, die 2015 das Pariser Abkommen ermöglicht hat. Der Bundeskanzler war daran auch beteiligt. Letztes Jahr in Dubai konnte er dieses Signal nicht geben. Das hatte die FDP verhindert. Insofern war es gut, dass der Kanzler jetzt wieder zustimmen konnte.

taz: In einer Welt, die immer konfrontativer wird, hoffen manche, dass die Klimaverhandlungen ein Ort sein können, wo man auch andere Probleme der Welt besprechen kann. Ist das zu viel verlangt?

Flasbarth: Klimakonferenzen darf man nicht damit überfrachten, auch noch andere Probleme zu lösen. Aber ich stimme auch BDI-Geschäftsführer Holger Lösch zu, der dieser Tage sagte: Lasst uns diesen Ort nicht kleinreden! Ein Weltklimagipfel ist ein großer Ort: Er ist ein multilateraler Mechanismus, der noch funktioniert und der gezeigt hat, dass er Ergebnisse liefern kann.

taz: Sie sind also optimistisch, dass man den Klimabereich abschirmen kann und dieser nicht als Kollateralschaden bei der Auseinandersetzung zwischen den USA und China endet?

Flasbarth: Das ist ja schon in der Vergangenheit bewiesen worden. Der russische Angriffskrieg jährt sich in wenigen Monaten zum dritten Mal. Selbst in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten konnten multilaterale Verabredungen erzielt werden. Es ist gut, wenn sich aus diesen Konferenzen heraus eine eigene Kraft entwickelt, zu Ergebnissen zu kommen. Das kann funktionieren.

taz: Erneut haben renommierte Klimaforscher und -verhandler Vorschläge zu einer Reform der Gipfel gemacht. Ließen sich die Mega-Konferenzen reformieren, damit sie effizienter werden?

Flasbarth: Diese Konferenzen sind wirklich sehr groß geworden. Ich bin trotzdem dafür, an ihnen festzuhalten. Sicherlich lässt sich mehr Maß halten. Ich selbst habe beim Klimagipfel 2017 mit etlichen Staaten aus aller Welt diskutiert, ob man nach dem Pariser Abkommen zu einem anderen Rhythmus kommen sollte. Zum Beispiel alle drei Jahre einen großen Gipfel und dazwischen kleinere, eher technische Konferenzen. Appetit auf so eine Veränderung hat das bei niemandem ausgelöst.

Dass hier große und kleine Emittenten, arme und reiche Länder, Ost und West, Nord und Süd zusammenarbeiten und jeder eine Stimme hat. Dass hier auch NGOs, die Wissenschaft und die Industrie dabei sind – das ist eine Voraussetzung dafür, dass es am Ende auch gelingen kann. Denn es geht ja um große, umwälzende Veränderungen, die für alle Gesellschaften eine riesige Herausforderung sind.

taz: Die Welt, die Sie gerade beschrieben haben, ist sehr bunt. Es gibt große und kleine Staaten, Inselstaaten, Bergländer. Aber hier in der Konferenz regiert die Zweiteilung in Industriestaaten und Entwicklungsländer. Macht diese Zweiteilung noch Sinn?

Flasbarth: Wir haben das im Pariser Abkommen aufgebrochen. Das ist der große Fortschritt von 2015: Es ist das erste übergreifende, alle Staaten umfassende Abkommen und insofern haben wir die Zweiteilung im Kern überwunden. In der Praxis ist diese neue Welt noch nicht in allen Köpfen angekommen. Aber es gibt Bewegung.

Wir sind nicht mehr in der Welt von 1992, in der die Klimakonvention die Welt zweiteilte in die Kategorien Industrie- oder Entwicklungsländer.

Letztes Jahr hat Deutschland zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten den Fonds für den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden gestartet, in den wir beide je 100 Millionen US-Dollar eingebracht haben. Dass dieser Fonds eingerichtet wird, war eine zentrale Forderung der Entwicklungsländer, die lange ignoriert worden ist. Das sind solche Punkte, an denen man Bewegung anstoßen kann. Und genau darum geht es hier. Wir sind nicht mehr in der Welt von 1992, wo die Klimakonvention die Welt zweiteilte in die Kategorien Industrie- oder Entwicklungsländer.

taz: Noch eine Frage zur EU. Sie ist der einzige Staatenbund bei diesen Verhandlungen. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus?

Flasbarth: Ein Vorteil ist, dass wir auch Diversität, unterschiedliche politische und kulturelle Bezüge, innerhalb Europas haben. Natürlich erhöht das auch den Abstimmungsbedarf, was wiederum Zeit braucht. Aber wenn ich einen Strich darunter mache, ist es auch gut für Deutschland, hier als Teil einer starken EU verhandeln zu können.

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1 Kommentar

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  • Ich bin für dieses Interview ausgesprochen dankbar, weil es mich in meiner Haltung bestärkt hat, wem ich im Februar auf gar keinen Fall meine Stimme geben werde.

    Angesichts Chinas, welches sich selbst als Entwicklungsland verstanden wissen will, aber etwa die gleichen Emissionen pro Kopf wie wir ausweist, darf die Situation in den Verhandlungen durchaus als fragwürdig bezeichnet werden. Der Anteil der EU am globalen CO2-Aufkommen liegt inzwischen bei nur noch 7 % ein bescheidener Spielraum angesichts der Erfordernisse, was bedeutet, dass es im weitesten Sinne auf Geld hinaus läuft.



    Dass wir Herrn Flasbarths Ansicht nach bezahlen sollen, während die USA und CHINA, mit einem globalen Anteil von zusammen ~43 % sich praktisch ausklinken.

    Indien (7 %), ein weiteres Entwicklungsland, welches sich zur neuen Werkbank der Welt entwickelt, wird, was die kommenden CO₂-Emissionen angeht, auch noch eine beachtliche Entwicklung hinlegen. Es gilt viele Menschen aus der Armut zu befreien und Indiens Plänen nach wird dieser Aufstieg auch fossil (Kohle) befeuert werden. Ich prognostiziere mal eine Verdoppelung bis 2035, denn immerhin ist Herr Modi sehr ambitioniert.