Staatslobbyismus: Der Wirtschaftstrojaner

Wie die Wirtschaft sich im Staat einnistet: das Märchen von der öffentlich-privaten Partnerschaft. Eine Firma maßgeschneidert nach den Interessen der Industrie.

Die Elbphilharmonie. Derzeitiger "Festpreis" für die Stadt Hamburg: 323 Millionen Euro. Bild: dpa

Die Mär lautete: Der Staat ist fett und träge. Die Wirtschaft macht es besser. Diese bis zur Finanzkrise gültige Formel der Marktliberalen wurde genutzt, um ein Dickicht von Interessenverflechtungen aufzubauen und zu legitimieren. So entstand in Deutschland eine Beratungsfirma, an der sich der Staat beteiligt und zugleich Großbanken, Baukonzerne und Berater: die "ÖPP Deutschland AG".

Diese Firma gibt Empfehlungen ab, wie Kommunen, Länder oder Bundesbehörden ihre Infrastrukturprojekte finanzieren sollen: konventionell oder ebenfalls als öffentlich-privates Projekt. Sie präsentiert sich als unabhängige Institution. Doch schon die Konstruktion legt eine Befangenheit nahe. Nach Recherchen der taz verfestigt sich der Verdacht, dass es hier vor allem um eins geht: Bereicherung.

Das beginnt schon mit der Ursprungsidee. Die stammt von der Unternehmensberatung McKinsey, einem klandestinen Konglomerat von Banken und britischen Topjuristen. Das belegen vertrauliche Dokumente, die der taz vorliegen. Die Spindoktoren unterbreiteten 2007 Vertretern von Bundes- und Landesministerien ihrer Pläne für diese Firma.

BMF: Bundesfinanzministerium. Es wurde 2007 von Peer Steinbrück (SPD) geleitet.

Freshfields Bruckhaus Deringer: Britische Kanzlei, die die juristische Grundlage der ÖPP Deutschland AG schuf. Im Bereich öffentlich-privater "Partnerschaften" weltweit führend.

IFD: Initiative Finanzstandort Deutschland. Ein zwischen 2003 und 2011 existierender informeller Zusammenschluss von Bankinstituten. Sprecher: Josef Ackermann. Mitglied war auch das BMF.

KfW: Kreditanstalt für Wiederaufbau. Bundeseigene Investitionsbank.

McKinsey: Unternehmensberatung mit weltweit circa 9.000 Beratern.

ÖPP: Abkürzung für öffentlich-private "Partnerschaft", bezeichnete Kooperationen zwischen privaten Geldgebern und der öffentlichen Hand, international -> PPP genannt.

ÖPP Deutschland AG: Teilprivatisierte Gesellschaft zum Zweck der Beratung des Staates bei Infrastrukturprojekten.

PDG: Partnerschaften Deutschland GmbH, ursprünglicher Arbeitstitel für die Firma, die später als -> ÖPP Deutschland AG realisiert wurde.

PPP: Abkürzung für Public Private Partnership, den auch in Deutschland verwendeten englischen Begriff für -> ÖPP.

Kurze Zeit später schon hob das Bundesfinanzministerium (BMF) die "ÖPP Deutschland AG" aus der Taufe. Die Firma entsprach fast exakt derjenigen, die von Banken und Beratern gewünscht worden war. Der deutsche Steuerzahler finanzierte das Konstrukt zunächst mit über 10 Millionen Euro.

Seither arbeiten die Berater dort mit Tagessätzen zwischen 900 und 2.200 Euro. Insgesamt erhielt die ÖPP Deutschland AG für Grundlagenarbeit und Beratungsleistungen 3.424.316,59 Euro vom Staat. Kritiker sagen, mit der ÖPP Deutschland AG würde erstmals der Staat für den Lobbyismus der Industrie selbst aufkommen.

Sowohl privat wie auch öffentlich

Welchen Zweck erfüllt diese Firma, in der der Staat mit 57 Prozent die Mehrheit hält, aber 43 Prozent der privaten Wirtschaft gehören? Die spezielle Konstruktion ist sowohl privat wie auch öffentlich. Das ist vor allem nützlich, weil die Mitarbeiter bei der Kundenberatung auf ihren staatlichen Charakter verweisen können. Das klingt nach Objektivität.

Dass auch die Konzerne beteiligt sind, wird nicht betont. Das Vertrauen, das die vermeintliche Staatlichkeit ausstrahlt, ist Gold wert. Die Kundschaft schätzt das Etikett der Staatlichkeit. Denn die Kundschaft ist der Staat selbst: die Kommunen, Städte, Länder und der Bund.

Die berät die ÖPP Deutschland AG in Fragen der Teilprivatisierung. Sie agiert in einem äußerst komplexen Geschäftsfeld, in dem ebenjene Konzerne Platzhirsche sind, die sich an der ÖPP Deutschland AG beteiligen. Und jene Banken, die diese Firma erfanden. Das Who-is-Who der deutschen Wirtschaft: von der Deutschen Bank bis zu Hochtief, rund 70 Firmen.

Die Firma arbeitet im Bereich der öffentlich-privaten "Partnerschaften", lange verwendete die Branche den englischen Begriff: Public Private Partnership. Die Abkürzungen lauten ÖPP oder PPP.

Der Markt mit öffentlich-privaten "Partnerschaften" wurde so für Banken, Berater und Baukonzerne immer größer, allein in den letzten zehn Jahren investierte die öffentlichen Hand rund 6,7 Milliarden Euro, mit steigender Tendenz. Die wortreichen Berater mit sechsstelligen Gehältern haben es immer leichter, die Beamten in Städten und Kommunen zu "überzeugen". Das Geschäftsfeld ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden. Das ist der Erfolg der geschickten Interessenpolitik.

Denn die Zahlen unabhängiger Stellen zeichnen ein anderes Bild. Eines, in dem die Adjektive nicht "effizient" und "wirtschaftlich" lauten. Erst im September 2011 veröffentlichten die Landesrechnungshöfe einen gemeinsamen Bericht über öffentlich-private Partnerschaften. Die dort untersuchten Projekte im Gesamtwert von 3,2 Milliarden Euro erwiesen sich als eher nachteilig für die öffentlichen Auftraggeber. Der wirtschaftliche Nutzen öffentlich privater Partnerschaften fällt einseitig aus: zugunsten der Wirtschaft.

Dauerbaustelle: Die A1 zwischen Hamburg und Bremen. Bild: dpa

Entscheidend ist die Funktion der "ÖPP Deutschland AG" - eine Firma, maßgeschneidert nach den Interessen der Industrie. Das sieht auch einer der Initiatoren so, wie als "vertraulich" gekennzeichnete Dokumente belegen. Klaus Droste, Topmanager der Deutschen Bank, kam im Jahr 2000 von McKinsey zur Deutschen Bank. Dort wurde er beim Global Investmentbanking Leiter der Sparte Europa - direkt unter Josef Ackermann, dem späteren Bankchef.

Der Deal Flow

In einem Strategiepapier beklagt Klaus Droste am 13. Februar 2007: "Ein echter ,Deal Flow' ist bislang trotz starken Interesses der Bauwirtschaft und Finanzindustrie nicht zustande gekommen. […] Das Image von PPP in der Öffentlichkeit ist eher negativ." Doch er sieht jetzt die Chance, das zu ändern. Mit Hilfe von Politikern.

"Insbesondere auch das derzeit durch die Führung insbesondere des BMF gegebene Momentum pro PPP könnte von der IFD (Initiative Finanzstandort Deutschland, Anm. d. Red.) dazu genutzt werden, eine völlig neue Initiative zu starten: die Schaffung einer von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand getragenen Beratungsgesellschaft für PPP-Projekte – Arbeitstitel ,Partnerschaften Deutschland GmBH (PDG)' – mit maßgeschneidertem Auftrag und Struktur."

Maßgeschneidert für die Wirtschaft, in Kooperation mit dem Bundesfinanzministerium. Ideal, denn "die enge Anbindung an das BMF" sei "entscheidend", so Droste. Daraus ergebe sich eine "abgeleitete Macht: Die PDG muss Schlagkraft erhalten idealerweise durch die Etablierung von ,abgeleitetem' formalem und informellem Einfluss über vom BMF gesteuerte Anreiz- und Sanktionsmechanismen", heißt es unverhohlen.

Sein Strategiepapier erarbeitet der Banker Droste im Auftrag der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD). Diese Topbankerloge wurde 2003 gegründet, begleitet von feierlichen Worten des damaligen Bundesbankchef Ernst Welteke. Die IFD wurde 2011 aufgelöst. Sämtliche Spuren der eigenen Internetpräsenz sind aus dem Netz getilgt. Ihr Sprecher war: Josef Ackermann, der Boss von Klaus Droste, dem die enge Beziehung ins Finanzministerium so am Herzen lag.

So verwundert es auch nicht, dass als Kontakt für die "PR-Steuerungsgruppe" der IFD im gleichen Jahr Torsten Albig (SPD), der Pressesprecher des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD), aufgeführt wird. Albig kam als Konzernsprecher von der Dresdner Bank AG. Heute ist er Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Das Bundesfinanzministerium (BMF) selbst war seit Gründung 2003 Mitglied der IFD.

Und auch die Ursprünge der ÖPP Deutschland AG führen zur Initiative Finanzstandort Deutschland und zu Klaus Droste und der "Initiativgruppe" zur Gründung dieser Firma. Die Arbeitsgruppe nannte sich: "IFD-Initiative ,Partnerschaften Deutschland GmbH' ". Der erste Name der späteren ÖPP Deutschland AG.

Klare Interessenkollision

Stets waren Vertreter verschiedener Ministerien eingeweiht. Am 12. Juni 2007 um 19 Uhr treffen sich laut Protokoll der Initiative Finanzstandort Deutschland, das der taz vorliegt, 23 Banker und vier Vertreter der öffentlichen Hand in der KfW-Bankengruppe in Berlin. Der "Lenkungsausschuss Initiativgruppe PDG" tagt. Die öffentlich-privaten Partner sind sich parteiübergreifend einig: Walter Arnold (CDU), Staatssekretär im hessischen Finanzministerium der damaligen Regierung von Roland Koch, regt die "Entsendung von Mitarbeitern der Gesellschafter der Beteiligungsgesellschaft" an.

In dieser Gesellschaft sind die privaten Firmen organisiert, die Anteile an der ÖPP Deutschland AG halten. Es wird also ein personeller Wechsel von Mitarbeitern jener Firmen angeregt, die von den Beratungsempfehlungen der ÖPP Deutschland AG abhängen. Eine klare Interessenkollision.

Unterstützung erfährt Arnold von Hermann-Josef Lamberti, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Lediglich der Vertreter der Bayern LB, Stefan Georg, "verwies auf die rechtliche Problematik der Entsendung von Mitarbeitern der Gesellschafter der Beteiligungsgesellschaft in die PDG".

Die IFD hatte eine britische Kanzlei mit der juristischen Konstruktion der ÖPP Deutschland AG beauftragt, die in diesem Sektor weltweit führend ist: Freshfields Bruckhaus Deringer. Die legt am 5. Juli 2007 ein 229-seitiges Gutachten vor. Darin geht es unter anderem darum, wie für die Kommunen die Beratung durch die ÖPP Deutschland AG nahezu zum Zwang wird.

Vertreter der kommunalen Spitzenverbände unterzeichnen demnach eine "Rahmenvereinbarung" mit der ÖPP Deutschland AG. Die Kommunen können dann bei allen Partnerprojekten "möglichst unkompliziert und u. U. sehr schnell ohne vorherige, ggf. europaweite Ausschreibung der Beraterleistung auf die PDG zurückgreifen."

Der unhinterfragte TÜV

Die sogenannten Begutachtungen durch die ÖPP Deutschland AG sollen zur Regel werden. Sie sollen zu einem möglichst unhinterfragten TÜV in Sachen öffentlich-privater Partnerschaften werden. Walter Arnold vom hessischen Finanzministerium, heißt es im Protokoll, "sprach sich dafür aus, die PDG als Gütesiegel zu etablieren, das für die Wirtschaftlichkeit der Projekte steht". Rolf Ulrich, Commerzbank, "unterstütze den Gedanken". Zudem: "Hr. Ulrich verwies auf das starke Interesse der Kommunen an der PDG, da diese das ,Gesicht des Bundes' trägt".

Die Juristen von Freshfields flankieren diese Idee sehr subtil. Statt von TÜV sprechen sie von der "Zertifizierungswirkung gegenüber der öffentlichen Hand". Sie schlagen vor, "dass im Falle einer PDG-Beratung keine weiteren Prüf- und Kontrollerfordernisse mehr erforderlich werden". Konkret: "Es stellt sich die Frage, ob die Regierungen (Landesregierungen, Anm. d. Red.) diese Kontrolle durch eine Dienstanweisung oder Verwaltungsvorschrift einschränken können."

Die gesetzliche Aufsicht soll ausgehebelt werden. Auch bezogen auf die lästigen Rechnungshöfe gibt es einen Vorschlag: "Danach kann der Bundesrechnungshof nach seinem Ermessen die Prüfung beschränken und Rechnungen ungeprüft lassen. Entsprechende Vorschriften gibt es auf Länderebene." Die Anregung: "dass der jeweilige Rechnungshof z. B. auf eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung … verzichten kann, weil er keinen Anlass für die Fehlerhaftigkeit der Berechnung der PDG sieht und von deren Fehlerlosigkeit ausgeht".

Und zusammenfassend: "Die Zertifizierungswirkung gegenüber den Kommunalaufsichten könnte sich dahingehend entfalten, dass die Kommunalaufsicht bei PPP-Projekten, die von der PDG beraten wurden, ihren Prüfungsmaßstab verringert oder diesen PPP-Projekte grundsätzlich ohne Prüfung zustimmt." Die Innenministerien der Länder könnten eine Weisung erteilen: "Die Prüfaufsicht könnte also durch Verwaltungsvorschrift beschränkt werden."

Ein Einspruch von Mitarbeitern der Bundes- oder Landesministerien gegen die offenkundige Beschneidung gesetzlicher Kontrollinstanzen ist nicht überliefert.

"Die ÖPP Deutschland AG zeigt, wie sich die Wirtschaft im Staat einnistet", sagt eine Expertin, die anonym bleiben will. "Dort ist im Gewande der neutralen Beratung eine Lobbyorganisation tätig, die den Kommunen im Auftrag der Finanzindustrie einen überhelfen soll", sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter, der viele Anfragen zum Thema an die Regierung stellt.

Beim Treffen der Banker in Juni 2007 ist auch Johannes Schuy als Vertreter des Bundesfinanzministerium zugegen. Der Mann, der später Vorstand der ÖPP Deutschland AG wird. Sein Wechsel aus dem Ministerium hat sich finanziell gelohnt: 310.252,86 Euro verdiente er 2010.

Osmose von Wirtschaftsvertretern

Sein Vorstandskollege Martin Weber brachte es auf 354.605,83 Euro. 2011 verließ Weber die ÖPP Deutschland AG und wurde von Bernward Kulle abgelöst. Es wundert nicht, dass Kulle zuvor Vorstandsmitglied der Hochtief Concessions AG war. Des Konzerns, der im Geschäft mit öffentlich-privaten Partnerschaften viel Geld verdient. Von den rund 6,7 Milliarden Euro Gesamtvolumen seit 2002 entfielen circa 4,4 Milliarden auf den Hochbau und rund 2,3 Milliarden auf den Straßenbau, schreiben die Kollegen aus dem BMF.

In der heiklen Rechtskonstruktion der ÖPP Deutschland AG ist nicht nur die Osmose von Wirtschaftsvertretern zu beobachten. Auch Mitarbeiter des Bundesfinanzministerium wechseln fleißig hin und her. Im Ministerium selbst gibt es einen Referenten und eine Mitarbeiterin, die für die AG zuständig sind. Ein Kenner sagt, der Sprung in die ÖPP Deutschland AG sei eine Adelung für die Ministerialen. So kam beispielsweise Karl-Heinz Nöhrbaß 2009 als Referent aus dem BMF in die ÖPP Deutschland AG und wurde Prokurist. 2011 kehrte er als Referatsleiter zurück in BMF.

Praktischerweise ist Franz Drey im Aufsichtsrat der AG. Hauptberuflich ist er stellvertretender Chefredakteur des Behörden Spiegel, Auflage ca. 100.000. Diese Personalie findet der Grüne Anton Hofreiter "extrem interessant. Eigentlich sollte der Behörden Spiegel neutral informieren. Ich weiß nicht, ob das den Lesern auf kommunaler Ebene bewusst ist."

Der Behörden Spiegel, die Fachzeitung der deutschen Beamten, liefert eine ÖPP-Freudenfeuerwerk. Pressemitteilungen der ÖPP Deutschland AG werden mitunter übernommen. Gemeinsam mit dem BPPP, dem Bundesverband Public Private Partnership, also den offiziellen Cheflobbyisten, lobt der Behörden Spiegel den "Innovationspreis PPP" aus. 2011 gewann in der Rubrik Freizeit das Freibad Trier Süd.

Auch im Rechnungshofbericht taucht das Projekte auf – es wird gerügt: Die angeblich vorbildliche öffentlich-private Partnerschaft ergab tatsächlich einen "Barwertnachteil von 3,2 Millionen Euro" gegenüber herkömmlicher Finanzierung. 2008 bekommen die Kindertagesstätten Halle (Saale) den Innovationspreis PPP. Auch dieses Projekt rubrizieren die Rechnungsprüfer Ende 2011 als Negativbeispiel.

Manipulierbar, weil geheim

Die Berechnung der Wirtschaftlichkeit, auf denen die Entscheidung für oder gegen eine öffentlich-private Partnerschaft fußt, ist oft ein Kniff, um ÖPP-Projekte gegenüber herkömmlichen Projekten Vorteile zu verschaffen, sagen Kritiker wie der Betriebswirt Holger Mühlenkamp von der Deutschen Verwaltungshochschule in Speyer. Dabei handele es sich zumeist um Prognosen. Der durchschnittliche Effizienzgewinn werde systematisch "überschätzt".

"Es ist das Problem von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, dass sie in der Regel manipulierbar sind, vor allem wenn sie geheim sind", sagt Hofreiter. Eine Antwort zum Auftragsvolumen und den konkreten Aufträgen der ÖPP Deutschland AG bekommt Hofreiter nicht von der Bundesregierung. Sie stuft die Antwort als "VS - vertraulich" ein.

Es gehe hier um "schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der ÖPP Deutschland AG". Bei einer Firma, die sich mit dem Etikett des Öffentlichen brüstet und die die öffentliche Hand über die Qualität privater Angebote beraten soll, ist dies Geheimniskrämerei besonders pikant.

Renommierte Experten nennen die ÖPP Deutschland AG "zwielichtig". Holger Mühlenkamp sagt, "es ist naiv, zu glauben, dass die Beteiligten keine eigenen Interessen verfolgen".

Dass sich so viele Politiker trotzdem auf ÖPP einlassen, hat einen simplen Grund. Durch die Stückelung der Zahlung auf einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren lassen sich Haushaltsbeschränkungen umgehen und Lasten in die Zukunft verschieben. Mühlenkamp sagt, "die Schuldenbremse ist keine gute Nachricht für den Steuerzahler" - sie wirke wie ein Anreizprogramm für ÖPP. Als wäre das geplant.

Die A1

Der Auftrag: 2008 vergibt das Bundesverkehrsministerium den Auftrag zur Sanierung, Verbreiterung und Betrieb der A1 zwischen Bremen und Hamburg an ein Konsortium unter Führung des Hochbauriesen Bilfinger Berger.

Die Vertag läuft über 30 Jahre. Im Gegenzug erhält das Konsortium einen monatlichen Anteil an der Maut: je mehr LKW den Abschnitt passieren, um so höher die Einnahmen. Die genauen Regelungen bleiben geheim.

Der Bau: Nicht geheim bleiben die Konsequenzen: Trotz zahlreicher Baustellen, Fahrspurverengungen und verkürzten Ausfahrten lässt man den Verkehr auf vollen Touren weiterlaufen, so dass der Abschnitt bald zum gefährlichsten im deutschen Autobahnnetz wird. Die Unfälle häufen sich, doch leider hat man sich auch die üblichen Rettungsgassen für Feuerwehr und Krankenwagen gespart.

Anklagen führen dazu, dass einige Umleitungen gebaut werden, Warnanlagen und Umleitungsschilder müssen jedoch vom Staat bezahlt werden – die Investoren machen hier geltend, dass dies, in einem Vertragswerk von immerhin 36.000 Seiten, nicht geregelt sei. Einblick dürfen Abgeordnete ohnehin nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages nehmen, und was sie zu lesen bekommen, darf der Öffentlichkeit nicht weitergeben werden.

Bal nach der Sanierung zerbröselt der Belag. Ein von Bilfinger Berger bestelltes Gutachten, kommt zu dem Schluss, dass nicht der Investor, sondern das Material die Schuld trage.

Der Rechnungshof bemängelt nicht nur die Vergabepraxis des Bundes, die darauf verzichtete, einen Kostenvoranschlag für ein konventionelles Finanzierungsmodell zu erstellen. Zudem wird das sogenannte Lebenszykluskonzept grundsätzlich kritisiert. Es ist gerade dieses Konzept, auf das sich ÖPP-Befürworter immer wieder gerne berufen, um die vermeintliche höhere Wirtschaftlichkeit und Sorgfalt und Qualität von ÖPP-Projektrealisierungen zu behaupten. Demgegenüber stellt der Rechnungshof fest, dass die Privaten sich weniger am Lebenszyklus orientieren, sondern an der Vertragslaufzeit. Gebaut und gepflegt wird dementsprechend nur in dem Zukunftshorizont, der im Falle der A1 auf 30 Jahre berechnet wird. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Das Forschungsministerium

Der Neubau des Bundesforschungsministeriums wird das erste zivile Bundesgebäude, das als PPP-Projekt realisiert wird. Es ist ebenfalls das erste Projekt auf Bundesebene, bei dem die Partnerschaften Deutschland AG mit der Projektsteuerung, wirtschaftlichen Beratung und Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragt wurde.

Das Projektvolumen beträgt 260 Millionen Euro. Den Bauauftrag erhielt ein Konsortium, bestehend aus den Firmen BAM Deutschland AG und Amber Infrastructure.

Die BAM Deutschland AG ist ein Tochterunternehmen der niederländischen Royal BAM Group, einer der großen Global Player in der Bauindustrie und im PPP Business.

Die BAM Deutschland ist außerdem Gesellschafterin der Beteiligungsgesellschaft der ÖPP Deutschland AG.

Das Stadtbad Trier Süd

Projekt: Der Stadtrat beschloss am 29. September 2005, das Südbad zu sanieren.

ÖPP-Annahme: Projektiert wurde ein Barwertvorteil bei einer ÖPP-Variante von rund 750.000 Euro. Das wäre gegenüber konventioneller Finanzierung ein Vorteil von 4 Prozent, so die Rechnungsprüfer.

Realität: Das Prüfungsergebnis ergab, dass die ÖPP-Variante einen Barwertnachteil von 3,2 Millionen Euro ergab. Das Projekt ist laut Rechnungsprüfern um 21,5 Prozent teurer.

Fazit der Rechnungsprüfer: "Die Prüfung ergab, dass fehlerhafte und nicht zutreffende Berechnungsannahmen korrigiert werden mussten, weil die Stadt in ihrer Berechnung eine unwirtschaftliche konventionelle Beschaffungsvariante als Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt hatte. … Mit der Stadt Trier konnte über wesentliche Feststellungen kein Konsens erzielt werden. Nach ihrer Auffassung beruhen die maßgeblichen Differenzen in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen der Stadt und des Rechungshofs."

Die Elbphilharmonie

Die Vergabe: 2006 erhält der Baukonzern Hochtief den Zuschlag zur Realisierung des kulturellen Prestigeprojektes Elbphilharmonie in Hamburg. Versprochen wird ein Festpreis 241 Millionen Euro, 114 Millionen übernimtm die Hamburger Bürgerschaft.

Die Verzögerung: Bei Baubeginn 2007 wurde die Eröffnung für den Sommer 2010 terminiert. 2011 verkündet Hochtief im November 2013 fertig zu werden. Derzeit ist die Rede von einer Eröffnung im April 2014.

Die Kostenexplosion: So flexibel wie die Termine, ist auch der Festpreis. Nachdem der Baukonzern zwischenzeitlich wegen Extrakosten mit Baustopp gedroht hatte, wird der "Festpreis" neu verhandelt. Derzeit lautet er für die Stadt Hamburg 323 Millionen Euro. Und während Auftraggeberin und Auftragnehmer sich gegenseitig mit Klagen überziehen, schrauben sich die Kostenschätzungen weiter nach oben im Gleichschritt mit den Eröffnungsprognosen, die sich weiter in die Zukunft verschieben.

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