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Staatskrise in VenezuelaMaduro lässt Ultimatum auslaufen

Venezuelas Staatschef hat das Ultimatum mehrerer EU-Staaten für eine Neuwahl verstreichen lassen. Derweil schließen die USA ein Eingreifen des Militärs nicht aus.

Der vom Militär protegierte Staatschef Maduro wird auch von Russland und China unterstützt Foto: reuters

Caracas dpa | Im Kampf um die Macht in Venezuela wollen Deutschland und mehrere andere EU-Länder den Parlamentschef Juan Guaidó künftig als legitimen Übergangspräsidenten betrachten. Eine entsprechende Erklärung wurde im Laufe des Montags erwartet. Zuvor war ein Ultimatum von acht EU-Mitgliedsländern verstrichen: Sie hatten den umstrittenen Staatschef Nicolás Maduro aufgefordert, bis zum Wochenende eine faire und freie Neuwahl des Präsidenten anzusetzen. Maduro wies das Ultimatum als „Frechheit“ zurück. Nur das von der Opposition dominierte Parlament könne neu gewählt werden, meinte er. Der vom Militär protegierte Staatschef wird unter anderem von Russland und China unterstützt.

Venezuela wird seit langem von einer schweren Wirtschaftskrise geplagt – und ist politisch tief gespalten. Am Samstag untermauerten Maduro und Guaidó mit zwei Großkundgebungen in der Hauptstadt Caracas ihren Machtanspruch. „Wir bleiben auf den Straßen, bis es Freiheit, eine Übergangsregierung und Neuwahlen gibt“, sagte der selbsternannte Interimspräsident Guaidó unter dem Jubel der Menge. Maduro antwortete vor seinen Anhängern, er denke gar nicht ans Aufgeben. „Ich bin der wahre Präsident Venezuelas. Und wir werden weiter regieren“, rief er. Die Militärführung und der Sicherheitsapparat stehen zu ihm – auch wenn ein General am Wochenende überlief.

Obwohl Venezuela über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen inzwischen Lebensmittel und Medikamente. Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Regierungskritiker werden inhaftiert, Korruption ist weit verbreitet, Gewaltkriminalität grassiert. Die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich destabilisieren Staat und Gesellschaft zusätzlich.

US-Präsident Donald Trump bekräftigte erneut, ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela sei nicht auszuschließen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit die USA in Venezuela militärisch aktiv würden, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Senders CBS: „Ich möchte das nicht sagen. Aber es ist sicherlich etwas, das auf dem – es ist eine Option.“ Trump und Mitglieder seiner Regierung hatten zuvor mehrfach erklärt, „alle Optionen“ lägen auf dem Tisch.

Keine einheitliche EU-Linie

Maduro warnte vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. Zuvor hatte er mit Blick auf die USA auch von einem möglichen „Vietnam“-Szenario in Südamerika gesprochen. „Alles hängt vom Grad der Verrücktheit und der Aggressivität des Imperiums des Nordens und von dessen westlichen Verbündeten ab“, sagte er in einem Interview des spanischen Fernsehsenders La Sexta.

Guaidó ist der Präsident des von der Opposition kontrollierten, aber von Maduro entmachteten Parlaments. Er erklärte sich am 23. Januar zum Übergangsstaatschef und argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Mai habe demokratischen Standards nicht genügt. Dieser Meinung sind auch die deutsche und andere Regierungen. An dem europäischen Ultimatum beteiligten sich neben Deutschland auch Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Österreich. Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und aus anderen Weltregionen haben Guaidó bereits anerkannt.

Die EU hat bisher keine einheitliche Linie zu Venezuela. Doch wurde die Gründung einer Kontaktgruppe angekündigt. Diese soll helfen, die Krise durch freie Wahlen zu beenden. Kommenden Donnerstag werde die Gruppe erstmals in Uruguay mit lateinamerikanischen Ländern beraten, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag mit.

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4 Kommentare

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wie wäre es mit einem Ultimatum der EU für Neuwahlen in Ungarn, Polen, oder der Türkei?!

  • Mir gefallen der Chavismus und die Maduro- Diktatur auch nicht, von Anfang an habe ich nicht an deren Heilsversprechen geglaubt, zu offensichtlich war von Anfang an der starke Autoritarismus und die Demokratiefeindlichkeit des Chavismus. Früher oder später muss Maduro gehen, der Druck auf die Bevölkerung, die sich nicht mehr ernähren kann, ist ja schon so stark, dass es quietscht (während Maduro noch immer recht pausbäckig daher kommt). Ich hoffe mal die Verhältnisse entwickeln sich nicht so stark weit wie in Nordkorea, glaube es aber auch nicht. Lange Rede...ich bin aber auch noch nicht überzeugt, dass die Staaten, die jetzt Guaidó anerkennen, noch wesentlich mehr Mittel in der Hand haben um dieses Regime zu beseitigen, militärisch intervenieren werden sie, denke ich auch nicht, die zitierte Aussage von Pence klang auch nicht überzeugend, sollten sie gegen alle Vernunft und eigene Überzeugung doch einmarschieren, ist das Risiko einer Katastrophe sehr groß, es könnte noch genügend überzeugte Chavisten geben, die ausreichend Widerstand leisten, Chavez hatte schon eine Kalaschnikov- Lizenz Produktion erworben um Waffen an die Bevölkerung zu verteilen um so jeden Versuch einer Intervention abzuwehren, wie weit das gediehen ist weiß ich nicht, andererseits haben die letzten 18 Jahre gezeigt, dass die USA auch nicht mehr in der Lage ist/ nicht Willens ist, hinterher wieder Ordnung herzustellen. Bei Trump dürfte der Wille dazu noch weniger ausgeprägt sein. Und militärisch durchschlagend erfolgreich waren sie auch nicht. Andererseits könnte sich schon ein Versuch zum geostrategisch nachhaltigen Schaden für die USA erweisen, wenn ich an die Vorwitzigkeit Putins denke, der braucht doch nur ein russisches Kriegsschiff in einem Hafen dort parken, und nur eine Handvoll MIGs auf einem nahegelegenen Flughafen, dann werden die Amis nicht wagen reinzugehen und die Monroe- Doktrin ist Geschichte. Also besser noch etwas warten, bis Maduro wirklich von allein am Ende ist.

  • "Er erklärte sich am 23. Januar zum Übergangsstaatschef und argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Mai habe demokratischen Standards nicht genügt. Dieser MEINUNG sind auch die deutsche und andere Regierungen."

    So: wenn einer eine MEINUNG hat, darf man die Stimmen von 30% der Wahlberechtigen Venezuelas- Obama hat 2008 auch 30% der USA Wahlberechtigten bekommen, Trump dagegen nur 26% - getrost ignorieren.



    Im Übrigen, hatte Maduro bei den Wahlen 2018 UN-Wahlbeobachter eingeladen, aber Teil der Opposition hat die UN gebeten, KEINE Wahlbeobachter zu versenden.



    QUELLE:



    www.reuters.com/ar...vote-idUSKCN1GO2J0

    Da die UN einen Mandat dazu bräuchte, waren die USA Lobbyisten fleissig genug, um die Versendung von Wahlbeobacter zu verhindern. Das, obwohl einer der Oppositionelle-Kandidaten, Henri Falcon, dies widersprach.

    "Opposition candidate Henri Falcon was to join the ambassador, Samuel Moncada, at the meeting in New York to seek to persuade the UN to send a delegation for the May 20 polls.



    "We insist on the widest possible election observation commission," Communications Minister Jorge Rodriguez told a press conference."

    QUELLE: www.jamaicaobserve...ction?profile=1228

    Fazit: man blockiert Wahlbeobachter, stempelt die Wahlen als "Betrug" ab, und nennt man sich selber Präsident. Dass die EU hier mitmacht ist ein echtes Armutszeugnis: und ein Grund, warum die Demokratie-Defizit der EU, noch mehr EU-Skeptiker auf den Plan rufen wird.

    • @Ninetto:

      Ja, ihre Sichtweise/Analyse wirkt sehr `wahr´ und einleuchtend..



      Venezuela leidet u.A. auch unter der historischen, spanischen Machtkultur der Kaziken: Unterdrückung allgemeiner Aufklärung im Volk ( als art mentales Erbe?) .. und der "befreiende Sprung" der Bolivarischen Revolution erweckte die Angst der Kaziken und deren `machtvollen Freunden´. Die aufklärerischen Bestrebungen von Chavez und nun Maduro , zur Kompetenzentwicklung eines modernen Venezuela , nährten sich m.E. zuviel aus Feindbildern und rhetorischen Entgleisungen . Feindschaften und abwesende Solidarität , Verführung zur Korruption.. Zerfall der staatlichen Ökonomie.. Und nun? Sind Einsicht für Erhaltung des inneren Friedens , für eine art "nationalen Dialog" gefordert !



      ..oder Venezuelas eigene Vision für Freiheit und Aufklärung ist vorläufig am Ende..