Staatshilfen für die Lufthansa: Rettung kurz vor dem Start
Nach langer Zitterpartie stimmen die AktionärInnen für das Hilfspaket der Bundesregierung. Klimaschutzauflagen hat der Bund nicht vorgesehen.
Die Coronakrise brachte die größte deutsche Fluglinie in existenzielle Not. „Wir haben kein Geld mehr“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley, ein früherer Pharmamanager und Ex-Finanzvorstand der Lufthansa, bei der Eröffnung der Hauptversammlung. Ohne Hilfe drohe in den nächsten Tagen die Insolvenz, erklärte er. Die Lufthansa leidet massiv unter den Folgen der Coronakrise, weil über Wochen kaum Maschinen starten konnten. Noch immer sind mehr als 80 Prozent der Lufthansa-Flieger am Boden.
Nach zähen Verhandlungen haben sich die Bundesregierung und das Management auf ein Rettungspaket geeinigt. Es sieht Hilfen von bis zu 9 Milliarden Euro in Form rückzahlbarer Kredite und eine Staatsbeteiligung von 20 Prozent vor. Bedingungen, etwa zum Klimaschutz oder Arbeitsplatzerhalt, hat die Bundesregierung damit nicht verknüpft. Mit dem Rettungspaket könne die Lufthansa die Krise überwinden, so Kley. „Wir packen das.“
Weil bei der virtuellen Hauptversammlung am Donnerstag nur 38 Prozent der AktionärInnen mit Stimmrechten vertreten waren, mussten Beschlüsse mit einer Zweidrittelmehrheit ergehen – ein Drama für die Lufthansa: Denn damit wurden die Stimmen des umstrittenen Milliardärs Heinz Hermann Thiele ausschlaggebend, der seinen Anteil kurz vor der Abstimmung auf 15,5 Prozent aufgestockt hatte. Der Mehrheitsaktionär des Bremsenherstellers Knorr-Bremse und der Zugtechnikfirma Vossloh ist ein Gegner der Staatsbeteiligung.
Krise trifft Beschäftigte hart
Am Montag hatten Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier versucht, Thiele zur Zustimmung zu bewegen. Doch der Investor ließ kein Entgegenkommen erkennen. Daraufhin soll die Bundesregierung Vorbereitungen für weitere, rasch verfügbare Kredite für die Lufthansa getroffen haben, um die sofortige Insolvenz abzuwenden. Auch das Lufthansa-Management bereitete sich auf das Scheitern des Rettungspakets vor.
Möglicherweise bewegte das Thiele zum Einlenken. Am Mittwochabend wurde bekannt, dass er dem Rettungspaket zustimmen würde. Thiele kündigte allerdings an, künftig Einfluss auf die Entwicklung der Lufthansa nehmen zu wollen. Mindestens einen Verbündeten hat er dort: Im Aufsichtsrat sitzt der frühere Airbus-Manager Thomas Enders, der in Kürze auch in den Aufsichtsrat von Thieles Unternehmen Knorr-Bremse einziehen soll.
Die Krise trifft die Beschäftigten hart. Weltweit arbeiten 138.000 Menschen bei der Lufthansa. Da die Flotte von derzeit rund 860 Maschinen dauerhaft um 100 reduziert werden soll, sind laut Management 22.000 Stellen überzählig, davon 11.000 in Deutschland. Die Gewerkschaften sind über die Annahme des staatlichen Rettungspakets erleichtert, weil eine Insolvenz für die Beschäftigten noch härte Einschnitte bedeutet hätte, als ohnehin anstehen.
In der Nacht zum Donnerstag hatte sich das Lufthansamanagement mit der Gewerkschaft Ufo, die das Kabinenpersonal vertritt, auf ein Krisenpaket geeinigt. Es sieht bis Ende 2023 Kürzungen bei den Beschäftigten von einer halben Milliarde Euro vor, unter anderem durch die Senkung der Altersversorgung und Flugstunden ohne Lohnausgleich. Im Gegenzug sichert die Lufthansa einen vierjährigen Kündigungsschutz zu. Mit der Pilotenvereinigung Cockpit stehe die Lufthansa vor einer Einigung in ähnlicher Größenordnung, sagte Vorstandschef Carsten Spohr bei der Hauptversammlung. Am Freitag gehen die Verhandlungen zwischen Verdi und Lufthansa weiter.
Kritik an fehlenden Auflagen
Die EU-Kommission genehmigte am Donnerstag das staatliche Hilfspaket – unter Auflagen. So muss die Fluggesellschaft Start- und Landerechte in Frankfurt am Main und München abgegeben. Erst wenn die Airline 75 Prozent der Staatshilfen zurückgezahlt hat, darf sie andere Fluggesellschaften übernehmen. Die Bundesregierung muss im kommenden Jahr einen Fahrplan für den Konzernausstieg vorlegen, der bis 2026 erfolgt sein soll.
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und die Naturschutzorganisation BUND kritisieren den Einstieg des Staats ohne Klimaschutzauflagen. „Geld nur gegen Klimaschutz, das hätte die Marschroute sein müssen“, so BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. Die AnteilseignerInnen hätten die Wahl zwischen Pest und Cholera gehabt, erklärte Markus Dufner vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Bei einer Insolvenz nach Ablehnung des Rettungspakets hätten nachhaltig orientierte InvestorInnen keine Möglichkeit mehr, über eine Aktionärsversammlung einzugreifen. Bei einer Zustimmung müssten soziale und ökologische Forderungen zurückgestellt werden.
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