Staatsdoping im Kino: Held oder Verräter
In Russland wird ein Spielfilm über das Schaffen des Mannes gedreht, der den Sport gedopt und dann ins Wanken gebracht hat. Wir sind gespannt.
D uchess ist ein auch hierzulande durchaus gängiges Wort. Die Frau des jüngeren Sohns von Prinzessin Diana ist eine. Meghan heißt sie und ist die Duchess von Sussex. Eine Herzogin ist sie also. Duchess ist auch in Russland ein gebräuchlicher Ausdruck. Einem zu Sowjetzeiten in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelten Erfischungsgetränk hat man diesen royalen Namen gegeben. Er leitet sich ab von den Duchess-Birnen, die vor allem auf der Krim gezogen wurden. Die daraus gebraute Limonade schmeckt ein wenig zu süß und fast gar nicht nach Birnen.
Es war dieses sirupsüße Getränk, nach dem Grigori Rodtschenkow seinen berühmt gewordenen Doping-Cocktail benannt hat, den er russischen Sportlern verabreicht hat. Über diesen Mann, der jahrelang das Moskauer Doping-Analyse-Labor geleitet hat und sich von dort aus zum Master Mind hinter dem russischen Dopingsystem aufgeschwungen hat, bevor er die Seiten gewechselt hat und zum Kronzeugen der Welt-Anti-Dopingagentur wurde, gibt es bereits einen Dokumentarfilm.
„Ikarus“ von Bryan Fogel ist 2018 mit einem Oscar ausgezeichnet worden. Nun soll es einen Spielfilm über das Schaffen von Grigori Rodtschenkow geben, den die Macher 2022 ins Rennen um die Goldene Palme von Cannes schicken wollen. „Duchess“ soll der Film heißen, der vor allem deshalb von besonderem Interesse sein könnte, weil er aus Russland kommt.
Tod dem Verräter
Dort hat man immer noch ein ganz eigenes Bild von Rodtschenkow. Während er in den USA als Whistleblower gefeiert wird, gilt er in seiner Heimat als Verräter. Und während auch die Wada von einem staatlich orchestrierten Dopingsystem in Russland spricht, gilt Rodtschenkow dort als besonders böser Bube, weil er den Sport mit seinen Methoden im Alleingang ins Verderben gezogen hat. Weil es den begründeten Verdacht gibt, dass Rodtschenkows Leben in Gefahr ist, lebt er in der USA unter neuem Namen in einem Zeugenschutzprogramm.
Wie begründet der Verdacht ist, mag eine Äußerung von Igor Lebedew, des traditionell nicht zimperlichen Vizepräsidenten der Staatsduma, veranschaulichen. Der meinte, Rodtschenkow müsse sich nicht wundern, dereinst so zu enden wie Sergei Skripal, jener zu den Briten übergelaufene russische Spitzel, der einen Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok nur knapp überlebt hat.
Lebedew hat seine Drohung ausgesprochen, als über russische Staatsmedien verbreitet wurde, dass Rodtschenkow versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Nichts an der aufwändig erzählten Geschichte sei wahr, meinte Rodtschenkows Anwalt Jim Walden, nachdem in russischen Medien berichtet worden war, das FBI habe den Dopingdoktor in einer Wohnung neben leeren Whisky-Flaschen und sechs Packungen Schlaftabletten aufgefunden und ihn in eine Nervenklinik gebracht.
Das Motiv für den vermeintlichen Suizid war gleich mitgeliefert worden. Rodtschenkow sei über die millionenschwere Verleumdungsklage zerbrochen, welche die drei von ihm um ihren guten Ruf gebrachten russischen Biathletinnen Saizewa, Olga Wiluchina und Jana Romanowa in den USA angestrengt hatten.
Diese unschön schöne Geschichte hatten die russischen Medien von einem gewissen Alexander Jonow, den man am besten als staatsnahen Privatagenten bezeichnen könnte. Der ist den USA kein Unbekannter. Nach der Entarnung der russischen Waffenlobbyistin Maria Butina, der Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016 vorgeworfen wurde, trieb der Gründer einer NGO namens Anti-Globalisation Movement das Geld für die Verteidigung der Agentin auf. Wo Jonow in Erscheining tritt, da wird es ernst, da wird aus einem Doping-Drama schnell auch ein Agententhriller.
Ein solcher soll nun im Moskauer Gorki-Filmstudio. entstehen. Es soll ein „Agenten-Film“ gedreht werden, so vermeldete es die russische Nachrichtenagentur Ria-Novosti in der vergangenen Woche. Die Autoren, so Studio-Chefin Juliana Slaschtschewa, sollen herausarbeiten, inwieweit Rodtschenkow Opfer der Umstände oder Hauptverschwörer in dem Betrugsdrama ist. Wir sind gespannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!