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Staatsanwaltschaft stellt Verfahren einSS-Täter bleibt frei wegen Todesurteil

Ein 95-jähriger Niedersachse entgeht einem Verfahren wegen eines Nazi-Massakers in Frankreich. Der Grund: Schon 1949 wurde er verurteilt.

Archiv der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg Foto: dpa

Berlin taz | Ein mutmaßlicher Nazi-Täter profitiert davon, dass er vor fast 70 Jahren in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden ist. Obwohl er deshalb niemals eine Strafe antreten musste, schützt ihn die Erst-Verurteilung doch vor einem erneuten Prozess. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft in Celle entschieden und das entsprechende Verfahren eingestellt, wie ein Sprecher der Behörde der taz bestätigte.

In dem Fall geht es um einem 95-Jährigen Mann aus Nordstemmen in der Nähe von Hildesheim. Vorgeworfen wurde ihm die Beteiligung an einem Massaker der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ im französischen Ascq nahe der Großstadt Lille.

In der Nacht von 1. auf den 2. April 1944 sollte die Division mit der Eisenbahn von Belgien in die Normandie verlegt werden – die Deutschen fürchteten eine Invasion der Alliierten über den Kanal. Doch in der Nähe des Dorfs Ascy kam es zu einer Explosion, ausgelöst durch Widerstandskämpfer. Zwei Waggons wurden aus den Schienen gehoben, es gab aber keine Verletzten. Der Kommandeur des Transports, SS-Obersturmführer Walter Hauck, ordnete dennoch an, alle Männer des Dorfes festzunehmen.

16 Menschen wurden schon während der Hausdurchsuchungen ermordet. Weitere 70, die die SS dazu gezwungen hatte, entlang der Bahngleise zu gehen, wurden dort erschossen. Das älteste Opfer war 75 Jahre alt. „Die Deutschen haben ihn aus dem Bett gezerrt“, berichtete Jahrzehnte später seine Enkelin Béatrice Delezenne.

Todesurteil in Abwesenheit

Das Verbrechen von Ascq ähnelt dem Massaker von Oradour, ist aber wesentlich weniger bekannt.

Schon 1949 wurden 16 beschuldigte SS-Männer vor einem französischen Gericht in Lille angeklagt, neun von ihnen erschienen zum Prozess. Das Verfahren endete mit der Verkündung der Todesstrafe – doch die Urteile wurde nie vollstreckt sondern in Haftstrafen umgewandelt, die Täter später begnadigt. Sieben der Verurteilten konnten gar nicht belangt werden, weil das Verfahren in ihrer Abwesenheit stattfand.

Einer dieser sieben war der heute 95-Jährige Renter aus Nordstemmen. Das Verbrechen geriet in Vergessenheit, und mit ihm auch der SS-Mann. Erst im Jahr 2013 begann die Dortmunder Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen auf Initiative des Urenkels eines Ermordeten mit Ermittlungen gegen noch lebende Täter. Oberstaatsanwalt Andreas Brendel fand drei von ihnen. 2016 erfolgten Hausdurchsuchungen bei den Verdächtigen. Im Oktober 2017 eröffnete die Generalstaatsanwaltschaft Celle ein Verfahren gegen den Mann aus Nordstemmen.

Staatsanwalt ist unzufrieden

Brendel sagte der taz, einer der drei Beschuldigten sei zwischenzeitlich verstorben, ein zweiter vermutlich verhandlungsunfähig. Die Einstellung des Verfahrens gegen den 95-Jährigen Renter durch die Generalstaatsanwaltschaft in Celle nannte er gegenüber der taz eine „unbefriedigende Lösung“.

Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle sagte der taz, man habe sich streng an Recht und Gesetz gehalten. Niemand dürfe wegen derselben Tat zweimal bestraft werden. Dieser Grundsatz gelte auch dann, „wenn ein Beschuldigter in Frankreich verurteilt worden ist und dieses Urteil nach dem Recht des Urteilstaates, also dem französischen Recht, nicht mehr vollstreckt werden kann“, heißt es in einer Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft. Das französische Justizministerium habe mitgeteilt, dass eine Strafe wegen eines solchen Verbrechens nach 20 Jahre verjähre. Das gelte auch für ein Abwesenheitsurteil.

Das Urteil aus dem Jahr 1949 erging wegen Kriegsverbrechen. Hätte das Gericht den Beschuldigten damals wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, hätte man weiter gegen ihn vorgehen können – denn dieses Delikt verjährt in Frankreich nicht.

So profitiert der Rentner aus Nordstemmen von seinem eigenen, nicht vollstreckten Todesurteil. Er ist damit jeder Bestrafung entgangen. Gegen die Einstellung des Verfahrens sind Rechtsmittel von unmittelbar Beteiligten möglich, auch von Kindern der Ermordeten. Das aber scheint unwahrscheinlich. Der Kölner Jurist Andrej Umansky unterstützt zwölf Kinder von Opfern. Zur Einstellung des Verfahrens sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Angesichts der Stellungnahme aus Frankreich blieb der Behörde wohl keine Wahl.“

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13 Kommentare

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  • Sowohl bei dem Prinzip "Ne bis in idem" als auch beim Prinzip "Nulla poena sine lege" geht es um Vertrauensschutz und Rechtsfrieden.

     

    Die Frage allerdings, die erlaubt sein muss, ist, ob es sich hier nur um Grundsätze und nicht um unumstößliche Prinzipien handeln sollte.

     

    Die Justiz in Deutschland betrachtet Rechtsfrieden eher als einen formellen Begriff.

     

    Demnach ist Rechtsfrieden hergestellt, wenn formal keine weiteren Möglichkeiten mehr bestehen, einen Rechtsstreit fortzuführen.

     

    Aus diesem Verständnis folgt auch eine völlig unangebrachte Überhöhung der Bestands- und Rechtskraft.

     

    Denn nach diesem Verständnis hat materielle Gerechtigkeit nichts mit Rechtsfrieden zu tun.

     

     

     

    Natürlich muss es einen gewissen Vertrauensschutz geben.

     

    Die Frage nur ist, wann Vertrauen wirklich schutzwürdig ist.

     

    Ist das Vertrauen des Staats, der kein Grundrechtsträger ist, in eine staatliche Entscheidung zulasten eines Grundrechtsträgers schutzwürdig?

     

    Ist das Vertrauen eines Bürgers in eine Entscheidung, von der er weiß, dass sie aufgrund falscher Tatsachenannahmen zustande gekommen ist, schutzwürdig?

     

    Ich denke, dass es sinnvoller wäre, anstatt solche fundamentalen Prinzipien zu haben, das Ganze einfach ein wenig differenzierter zu regeln.

     

    Dann könnte man nach schutz- und nicht schutzwürdigen Vertrauen unterscheiden und Rechtsfrieden eher durch materielle Gerechtigkeit und Verfahrensgerechtigkeit erreichen.

    • @Michael Laube:

      Klar - eine Entscheidung des Gesetzgebers -

      Macht ggfls ganze Bibliotheken zu Makulatur.

       

      Eine Proseminarkiste über das bisherige habe ich keine Lust aufzumachen.

      Zumal ja der Beitrag von Herrn Hillenbrand - da ja eh nur eine moralin bedeutungsvoll hüstelnde Leerstelle ist - wenn mir dieses schiefe Bild mal erlaubt sein mag.

       

      Anyway. Halte ich aber wegen der vielfältigen - nicht mal eben abzufrühstückenden Implikationen & angesichts der doch auffälligen

      geradezu überkommen zu nennenden internationalen

      Gleichförmigkeit in einer/zweier fulminant wichtiger Rechtsfragen/Probleme - Vorsicht am Platze.

      &

      Eine historische Ironie gerade zu der Zeit - die hier im Fokus steht!

      Sei aber doch noch angemerkt. Zur Rechtssicherheit als profunder Denker ausgewiesen ist sicher - Gustav Radbruch einerseits.

      Dessen Mitschüler - Parallelklasse - aber ausgerechnet

      Erich Mühsam - ein ausgewiesener Anarchist war.

      Ja. Ein anarchistischer deutscher Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach fünf Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. In der Weimarer Republik setzte er sich in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener ein.

      Gustav Radbruch besucht ihn später als Reichstagsabgeordneter in der Festungshaft.

      In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und am 10. Juli 1934 von der

      SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet. wiki

       

      kurz - Ihr letzter Absatz als eine Art Abgrenzungsentwurf in Ehren.

      Weit kommt frauman in dieser Allgmeinheit aber ersichtlich nicht.

      Dafür habe ich noch zu deutlich die damalige Verjährungsdebatte im Ohr & wie sehr da im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel im Detail steckte & übelst "fortwirkte". Aber Hallo!

      https://de.wikipedia.org/wiki/Verj%C3%A4hrungsdebatte

      • @Lowandorder:

        Es gibt ja - auch im internationalen Bereich - Ausnahmen:

         

        Die Nürnberg-Klausel ist ein Lehrsatz des Strafrechts, der für besonders strafwürdige Verbrechen eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot im Strafrecht, also vom Grundsatz „nulla poena sine lege“ begründet.

         

        In der Europäischen Menschenrechtskonvention wurde beispielsweise in Artikel 7 Absatz 2 festgelegt, dass das Rückwirkungsverbot die Bestrafung einer Tat nicht ausschließt, die im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den allgemeinen, von den zivilisierten Völkern anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war.

         

        In Deutschland gilt diese Klausel jedoch nicht, weil die Bundesregierung 1952 einen Vorbehalt erklärte.

         

        Das heißt, dass Art. 103 Abs. 2 GG weiter geht, als es nach internationaler Gepflogenheit eigentlich notwendig ist.

         

        Hier zeigt sich eben wieder der deutsche Obrigkeitsextremismus, der zur Folge hat, dass die Bedeutung von Bestands- und Rechtskraft staatlicher Akte völlig überhöht wird.

         

        Anstatt zu differenzieren und eine ausgewogene Lösung im Spannungsfeld zwischen materiellem Recht und Rechtssicherheit zu finden, werden staatliche Akte und ihre Bestands- und Rechtskraft völlig überhöht - selbst wenn dadurch ohne Not materielles Unrecht perpetuiert wird.

         

        Beispiel: Jemand wird wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil wird rechtskräftig; der Verurteilte tritt seine Freiheitsstrafe an. Dann ändert der Gesetzgeber das Strafrecht. Das, wofür derjenige verurteilt wurde, ist nun nicht mehr strafbar. Und obwohl der Verurteilte womöglich noch immer seine Freiheitsstrafe aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung verbüßt, hat er keine Möglichkeit, die Wiederaufnahme seines Verfahrens zu beantragen. Denn seine Verurteilung ist ja rechtskräftig.

         

        Das ist der Schwachsinn, den uns deutsche obrigkeitshörige Juristen einbrocken.

         

        In meinem Augen ist das eine Pervertierung des Rechts.

         

        In einem Rechtsstaat darf man sich nicht davor scheuen, dem materiellen Recht Geltung zu verschaffen.

        • @Michael Laube:

          Ok. Ok. - cum grano salis -

          &

          "...In einem Rechtsstaat darf man sich nicht davor scheuen, dem materiellen Recht Geltung zu verschaffen."

           

          No - a weng schief. Aber klar was gemeint ist.

          kurz - Des Schweißes der Edlen wert. Immer.

          Nur zu. Da simmer dabei. Gern & gern aber überall.

          • @Lowandorder:

            Auch interessant könnte sein, dass das Grundgesetz das "ne bis in idem" Prinzip nur als Verbot der Doppelbestrafung kennt.

             

            In Artikel 103 Abs. 3 GG steht nämlich nur, dass niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf.

             

            Das Zauberwort heißt hier: "bestraft".

             

            Von "verurteilt" steht da nichts.

             

            Das heißt, dass in Art. 103 Abs. 3 GG nichts davon steht, dass jemand nicht mehrmals verurteilt werden darf.

             

            Wenn also, wie in dem Artikel beschrieben, jemand in Abwesenheit verurteilt wurde, aber die in dem Urteil vorgesehene Strafe nie vollstreckt wurde, dann verbietet Art. 103 Abs. 3 GG - jedenfalls von seinem Wortlaut ausgehend - nicht, dass derjenige noch einmal sich einem Strafprozess stellen muss, noch einmal verurteilt werden kann und dann wegen der Tat bestraft wird.

             

            Schließlich wäre das ja die erste Strafe, die tatsächlich vollstreckt wird.

             

             

             

            Aber wer macht uns da wieder ein Strich durch die Rechnung:

             

            Deutsche obrigkeitshörige Juristen - in dem Fall die schlimmsten von allen, nämlich die, die beim Bundesverfassungsgericht zu finden sind.

             

            Denn nach nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reicht Art. 103 Abs. 3 GG über ein bloßes Verbot der Doppelbestrafung hinaus.

             

            Obwohl davon nichts im Art. 103 Abs. 3 GG steht, meint das Bundesverfassungsgericht, dass dieser grundsätzlich auch eine erneute Strafverfolgung verbietet.

             

            Denn der Betroffene soll durch Art. 103 Abs. 3 GG auch vor den existentiellen Unsicherheiten eines zweiten Strafverfahrens in derselben Sache geschützt werden.

             

            Und da sind wir wieder bei einem völlig absurden Verständnis von Vertrauensschutz in der deutschen Justiz.

             

            Kann derjenige, der sich seiner Bestrafung, zu der er verurteilt wurde, entzieht, ein schützenswertes Vertrauen darauf, haben, nicht noch einmal vor Gericht gestellt zu werden?

             

            Schließlich ist das erst einmal wohl auch das geringere Übel gegenüber einer Vollstreckung der Strafe aus dem ersten Urteil.

            • @Michael Laube:

              Interessant ist auch, dass das Verbot der doppelten Strafverfolgung zwar offiziell damit begründet wird, dass die Interessen des Straftäters geschützt werden sollen.

               

              Zugleich wird es aber im Ergebnis auch gegen den Straftäter gewendet.

               

              Selbst wenn er sich einen neuen Prozess wünscht, wird ihm der verweigert.

               

              Wer also einmal verurteilt wurde, kann nicht verlangen, dass, nach geänderter Gesetzeslage oder veränderter Rechtsprechung, über seine Tat noch einmal entschieden wird.

               

              Selbst wenn die Tat, wegen derer er verurteilt wurde, längst nicht mehr strafbar ist, kann er nicht verlangen, dass über die Tat - unter Beachtung der neuen Rechtslage - erneut entschieden wird.

               

              Das kann dazu führen, dass Menschen wegen Taten noch immer Freiheitsstrafen verbüßen müssen, die gegenwärtig gar nicht mehr als strafbar angesehen werden oder nicht mehr so hart bestraft werden, wie sie bestraft wurden, als derjenige verurteilt wurde.

               

              Nähmen wir beispielsweise an, dass der Mordtatbestand demnächst vielleicht tatsächlich grundlegend reformiert wird.

               

              Dann kann es passieren, dass Taten, die heute noch als Mord mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe geahndet werden, künftig vielleicht kein Mord mehr sind oder jedenfalls nicht mehr mit lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden.

               

              Pech für denjenigen, der vor einer solchen Änderung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

               

              Ein neues Verfahren, damit seine Strafe an die neue Rechtslage angepasst wird, kann er nicht verlangen.

               

              Dem steht nicht nur die Rechtskraft der ursprünglichen Verurteilung entgegen.

               

              Ein zweites Strafverfahren wäre auch, so das Bundesverfassungsgericht, verfassungswidrig.

               

              Die Frage nur ist, in welchem Interesse das sein soll und wessen schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Urteils hier geschützt wird.

  • Warten auf den französischen Auslieferungsantrag ...

  • Ne bis in idem -

     

    Der Grundsatz ne bis in idem (lateinisch für nicht zweimal in derselben [sache]), eigentlich bis de eadem re ne sit actio (‚zweimal sei in derselben Sache keine Gerichtsverhandlung‘) soll auf den athenischen Redner Demosthenes (* 384 v. Chr.; † 322 v. Chr.) zurückgehen. Er wurde aber wohl erst später formuliert. Ne bis in idem beschreibt einen Teilaspekt der materiellen Rechtskraft: Ein mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbares Urteil klärt einen bestimmten Sachverhalt im Umfang des Tenors abschließend. Der Sachverhalt darf dann grundsätzlich nicht mehr zum Gegenstand einer neuen richterlichen Entscheidung gegen den Betroffenen gemacht werden. Mit dieser Bedeutung als Wiederholungsverbot gilt er in allen Rechtsbereichen. Viele Staaten haben unter Vorrangstellung der materiellen Gerechtigkeit gegenüber der formellen unter bestimmten Voraussetzungen – z. B. bei nachträglichem Geständnis des Täters – Einschränkungen dieses Grundsatzes vorgenommen. In Indien und Mexiko ist der Grundsatz bislang uneingeschränkt gültig, da er verfassungsrechtlich abgesichert ist.

     

    Für den Bereich des Strafrechtes ist ne bis in idem als Verbot der Doppelbestrafung ein fundamentaler Grundsatz eines jeden fairen Strafprozesses. Er findet sich in unterschiedlichen Gestaltungen in allen modernen (Straf-)Rechtsordnungen wieder.

     

    Das Verbot der Doppelbestrafung stellt für den Einzelnen ein subjektiv-öffentliches Recht dar. Die Terminologie ist nicht immer einheitlich, überwiegend wird vom ne bis in idem als Grundrecht oder jedenfalls grundrechtsgleichem Recht gesprochen. Wegen der Bedeutung für das rechtsstaatliche Strafverfahren ist auch der Begriff des Justiz- oder Prozessgrundrechts gebräuchlich....

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ne_bis_in_idem

    (die us-amerikanische variante umfaßt selbst das sich Berühmen nach Freispruch.

    Bekanntes Beispiel - der Freigesprochene wg fehlender Opferleiche berühmt sich im Nachhinein - "sie zerstückelt aus einem Flugzeug ins Meer geworfen."

    • @Lowandorder:

      Sie referieren den Stand der juristischen Sachlage sicher zutreffend.

      Was mich etwas wundert, ist ihr nicht vorhandener Protest gegen dieses Rechtskonstrukt in seiner jetzigen Form (die US-Variante ist schlicht indiskutabel). Dieses Konstrukt ist nämlich (in viel zu vielen Fällen auch in Deutschland) dazu geeignet einen Täter (Täterin) straflos oder mit zu geringer Strafe zu lassen.

      Ich verstehe auch rechtstheoretisch nicht, dass es nicht umfangreichere Schranken des ne bis in idem gibt - im Sinne der Spezialprävention, der Generalprävention und der Sühne (die drei Grundfunktionen der Strafe im modernen Rechtsstaat).

      • @Arno Birner:

        @ Arno Birner

        Hundert Staaten, hundert Rechtssysteme können nicht irren! Ihr Vorwurf, "in viel zu vielen Fällen" wäre das Konstrukt geeignet, einen Täter straflos zu lassen trifft nicht zu. Es handelt sich um Ausnahmen, die kaum im Promillebereich liegen. Wenn Straftäter ohne Strafe davonkommen, dann in der Praxis eher, weil sie von den Verfährungsfristen profitieren.

        Der rechtstheoretische Zweck der Vorschrift ist jedoch nicht zu verachten. Er soll die Anklagebehörde schlichtweg zu fristgerechter und ordnungsgemäßer Arbeit verpflichten und eine mögliche Anklagedisposition vermeiden.



        Um das zu verdeutlichen ein Beispiel aus Japan, wo dies Recht eingeschränkt gilt. Bei einer Anklage wegen schweren Betruges, der von Seiten der Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht ausreichend belegbar war, benötigte die StA ein Geständnis. Um dies zu erreichen wurde insgesamt sechs (!) mal Anklage erhoben, ohne eine Verurteilung zu erreichen. Vor jedem Prozess hat die StA Untersuchungshaft beantragt, was dazu führte, dass der Angeklagte insgesamt mehr als fünf Jahre (U-)Haft erlitten hat, ohne das es je zu einer Verurteilung gekommen ist.



        Solche Auswüchse des Strafrechts (die zur NS-Zeit sehr häufig vorgekommen sind) zu verhindern, ist ein wesentlicher Grund für ne bis in idem.

      • @Arno Birner:

        Fischer im Recht - der Vulkan ist ja noch aktiv!;)

         

        Da schaugnmer mal dann sengmers scho! ~> frisch ausse mailtüte ~>

        "und btw: Thomas Fischer hat bei Übermedien nachgelegt. https://uebermedien.de/26573/die-zeit-verlaeuft-sich-auf-der-suche-nach-dem-system-wedel/

         

        Nun werde ich wohl doch uebermedien.de abonnieren müssen.…"

         

        Mach ich auch. & Nicht nur aus Respekt

        & mit Rücksicht auf meine suboptimale Note meiner letzten Strafrechtskrücke!;

        Aber halte - usa mal außen vor - den in wiki skizzierten Rechtstand für überzeugend. Da soll aber lieber der andere "ungläubige Thomas"* - mal brillieren. Gellewelle

         

        (* innerfamiliär gern angedrohte -

        Umtaufe!;))

        • @Lowandorder:

          Ok - btw - Wo wir grad beim Notenzusatz

          "…ob die Arbeit den Schritt zum ungenügend getan hat mag dahinstehen!"

          Sün - newahr!;)

           

          Denn. Doch nochmal zu Ihrer "DreiSäulentheorie des Strafrechts!"

          (Im StrR - schimpft sich ja jede "FN in Festschrift f. Honigmann" ~>Theorie!;) Gellewelle.

           

          Mein Immi-Start in Kölle mit der WeihnachtsfeierSotissi ~>

           

          "Da müssen wir ja mal sehen - wie wir mit dem widerborstigen linken Kollegen aus Westfälisch Sibiruen zurechtkommen!"

           

          Gründete - Nicht nur aus ~>

          "Sie haben ja schon im ersten Monat gegen den Vorsitzenden über/gestimmt!" ( Beratungsgeheimnis? - unbekannt im Suerland!)

           

          Nein. "Schon wieder einer der die Generalprävention ablehnt!"

          &dess ~> noch dazu (im AuslR - wo doch der KollegeVors. ~>

          Ausländer - vorr. einst Italiener Spanier usw - jaja

          & Däh ~> für Untermenschen hie/ält! Woll!)

          Get it?! Fein.

           

          Ok & weiter in Takt ~>

          "Mein ist die Rache - redet Gott!" ("Füße im Feuer" - Mittelstufe!;)

          Hat mir - wiewohl dem alten Herrn nie die Hand geschüttelt iSv Arturo Rubinstein - bis heute vs Sühne eingeleuchtet! Woll!

           

          & conclusio ~>

          No & Schwupps - Bleibt Ihnen ganz im Sinne eines

          Individualstrafrechts! Newahr!

          Genau. Genau. Nur noch - Die eine eine Säule für dero Heiligkeit!

          So geit dat. Normal.

           

          Aber Trost is at hand - Den Säulenheiligen im ollen Ägypten! Woll.

          Genau. Genügte auch eine Säule pro Heiliger! Na bitte geht doch!

           

          & sodele ~>

          kurz - mal ~> Eine L&Osche-Vermutung ~>

          Aus genau diesen KlettFäden innerer Verwirrnis - doch doch!

          Mißlingen einem Klaus Hillenbrand seine -

          So gern mit moralischer Verve gewürzten Beiträge - fast regelmäßig.

          No. Da mähtste nix. Normal.

           

          (ps - Nu. Erst später ist mir die Ironie in der schmunzelnden

          Bemerkung des Prüfers (aka der "Bluteymer!;) zu meinem ~>

          "Ist ja nochmal gut gegangen!" - ;)

          &

          Sein Glückwunsch dazu & zum doch passablen Ergebnis -

          "Hatten Sie etwelche Zweifel?"! - Erst nach Akteneinsicht - Aufgegangen!;))

           

          Jau. So kann`s gehen. Njorp.

    • @Lowandorder:

      Einer der bekanntesten Fälle in Deutschland, bei dem dieser Grundsatz zur Anwendung kam, dürfte der eines Bankräubers sein, der bei seiner Flucht nicht nur Ordnungswidrigkeiten (wobei ich nicht weiß, ob sogar eine solche vielleicht auch genügt hätte), sondern auch eine Straftat (Verkehrsdelikt) begangen hat. Wegen diesem Verkehrsdelikt wurde der Täter verurteilt. Etwas später konnte man ihm den Bankraub nachweisen. Eine Verurteilung scheiterte daran, dass das Urteil in dem Verkehrsdelikt (mit sehr geringer Strafe) rechtskräftig war und der BGH eine einheitliche Tat annahm... Leider habe ich das AZ nicht...