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Staatliche SportförderungKarriere in Uniform

Josefin Eder ist Sportschützin und Polizistin. Ihr Traum von Olympia in Tokio wäre ohne die Förderung der Landespolizei Brandenburg kaum möglich.

Nach dem Seminar ist vor dem Training: Sportschützin Josefin Eder Foto: Stephanie Steinkopf/Ostkreuz

Was Josefin Eder am Schießen am meisten liebt, ist der Wille zur Perfektion. Den braucht man, um als Sportschützin erfolgreich zu sein. Jeder Tag ist anders und jeden Tag gibt es etwas Neues, das nicht funktioniert. Da braucht es Disziplin und Ausdauer, um trotzdem hohe Punktzahlen zu schießen – außerdem Kraft, um die Pistole so ruhig wie möglich zu halten. „Schießen ist der Sport mit der höchsten psychischen Belastung“, sagt sie. „Ohne mentale Stärke kommst du da nicht weit.“

Es sind Charaktereigenschaften wie diese, die ihr auch später bei der Polizei einmal von Nutzen sein sollen. Die 24-Jährige sitzt uniformiert in einem kahlen Klassenzimmer – bis eben hat sie noch Klausur geschrieben. Auf den Tischen liegen schwere Polizei-Fachhandbücher. Sie wirkt gelassen und bodenständig, auf Fragen antwortet sie schnell und ohne zu zögern.

Die mehrfache deutsche Meisterin an der Luftpistole ist eine von zehn Nachwuchssportler:innen in der Sportfördergruppe der Landespolizei Brandenburg. Innerhalb von fünf Jahren absolviert sie hier ein gestrecktes Bachelorstudium zur Polizeikommissarin und trainiert gleichzeitig für Olympia. In Frankfurt (Oder) zu Hause, pendelt sie regelmäßig zum Olympiastützpunkt in Potsdam, wo die Landespolizei Brandenburg seit 2012 diese Möglichkeit der dualen Karriere anbietet.

Um sich bewerben zu können, müssen die Sportler:innen bereits im Spitzensport angekommen sein: Nur wer in einem Bundeskader des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) trainiert, kann gefördert werden. Josefin Eder ist derzeit im sogenannten Perspektivkader, bereits seit 2011 ist sie Kaderschützin.

Frühe Berufswahl

Das Sportschießen entdeckte sie schon im Grundschulalter für sich, besuchte im Anschluss eine Sportschule, machte 2015 ihr Sportabitur. Später einmal zur Polizei zu gehen – das kam für sie bereits da in Frage. „Als Sportlerin muss man früh anfangen, sich mit der Berufswahl zu beschäftigen“, sagt sie achselzuckend. „Sicherheit spielt für mich eine große Rolle.“

Für Nachwuchssportler:innen wie Josefin Eder, die seit ihrer Jugend auf eine WM- oder Olympiateilnahme hin trainieren, ist die begleitende Berufswahl und der Weg dorthin eine große Herausforderung: Durch das tägliche Training bleibt wenig Zeit für ein reguläres Studium, geschweige denn für einen Nebenjob. Mit jeder Wettkampfsaison verlängert sich das Studium um ein Semester. Um während einer Ausbildung oder fest im Beruf stehend Spitzensport betreiben zu können, sind verständnisvolle Arbeitgeber:innen gefragt.

„Die werden niemals von ihrem Sport leben können“, sagt Beate Pezold. Die 53-Jährige sitzt in ihrem Büro am Olympiastützpunkt (OSP) Brandenburg in Potsdam. „Olympischer Weg“ ist die Adresse – und genau bei diesem Weg unterstützt Pezold die Sportler:innen. Sie ist Laufbahnberaterin: Von der Schule über die Berufswahl bis hin zur nachsportlichen Karrie­re berät und unterstützt sie rund 100 Sportler:innen. Seit zwölf Jahren ist sie am OSP in Potsdam – „das war auch ungefähr der Zeitpunkt, wo das zunahm mit der dualen Karriere“, sagt sie. „Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, unsere Sportler:innen erst Medaillen abräumen und dann im Regen stehen zu lassen.“

Pezold war an der Einrichtung der Sportfördergruppe der Landespolizei beteiligt. Es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis das Programm angeboten werden konnte, erzählt sie. „Wir haben uns das lange gewünscht und es hat mehr als einen Innenminister dafür gebraucht.“ Unter Dietmar Woid­ke schließlich traten 2012 die ersten zehn Sportler:innen ihr Studium an. Seitdem gibt es alle zwei Jahre einen neuen Jahrgang – Josefin Eder ist im dritten.

Millionen für Medaillen

Brandenburg ist eines von elf Bundesländern, die eine eigene Sportfördergruppe anbieten. Die Bundespolizei verfügt schon seit 1978 über ein solches Programm in Bad Endorf, seit 1999 in Kienbaum. 160 Förderstellen für Sportler:innen, die für den Mittleren Dienst ausgebildet werden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im August 2018 hervorging, investiert die Bundespolizei jährlich rund 10 Millionen Euro in die Sportfördergruppen.

Ab 2005 gründeten zunehmend auch die Bundesländer Fördergruppen in Kooperation mit den jeweiligen Olympiastützpunkten. So ergaben sich insgesamt noch einmal 250 bis 300 Förderstellen. Damit ist die Polizei in Deutschland nach der Bundeswehr, die rund 750 Stellen und 35 Millionen Euro zur Verfügung stellt, der zweitgrößte Sportförderer.

„Die Spitzensportförderung der Polizei ist seit vielen Jahren ein fester Bestandteil im deutschen Leistungssportsystem“, heißt es beim DOSB. Die Fördergruppen der Landespolizei ergänzen dabei die Bemühungen um eine Leistungssportreform auf Bundesebene: Erst 2016 hatten DOSB und Bundesinnenministerium ein neues Konzept beschlossen, um deutschen Spitzensport international erfolgreicher zu machen.

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 seien ein „Weckruf“ gewesen, heißt es im Sportbericht der Bundesregierung. Seit dieser Leistungssportreform hat sich die Spitzensportförderung des Bundesinnenministeriums auf aktuell 265 Millionen Euro verdoppelt. 2019 genehmigte der Haushaltsausschuss des Bundestags noch einmal zusätzliche Fördermittel in Höhe von 30 Millionen Euro. Es sind Investitionen für Medaillen.

Werbung für die Polizei

Für die Polizei, die gerade verstärkt Nachwuchskräfte sucht, geht es jedoch nicht allein um Deutschlands Medaillenbilanz. „Wir machen Öffentlichkeitsarbeit“, formuliert es Miriam Welte. Die ehemalige Bahnradsportlerin sitzt in der Lobby eines Hotels am Berliner Velodrom. Sie ist für die Bahnrad-Weltmeisterschaft Ende Februar nach Berlin gekommen, nachdem sie im September vergangenen Jahres ihre Sportkarriere mit 33 Jahren beendet hat.

Seitdem arbeitet sie als Kommissarin bei der Landespolizei Rheinland-Pfalz, wo sie 2008 das Studium in der Sportfördergruppe begann. „In einem Unternehmen würde man sagen, wir sind Werbepartner“, sagt Welte zum Verhältnis zwischen Spitzensport und Polizei. Als mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin von 2012 weiß sie, wovon sie spricht.

Die Gegenleistung für ihren Werbeeinsatz ist für die Sportler:innen neben Geld vor allem die nötige Zeit zum Trainieren. In Josefin Eders Kader sind es höchstens 3 von 17 Schütz:innen, die ihren Leistungssport neben einem regulären Studium machen, wie die 24-Jährige meint. Laut DOSB versuchen es in Deutschland rund 600 Kader­athlet:innen mit einem solchen Karriereweg.

Wer bereits im Perspektiv- oder Olympiakader ist, wird durch ein Stipendium der Stiftung Deutsche ­Sporthilfe, der größten privaten Sportförderinitiative, unterstützt. Wer diesen Weg gehe, habe dennoch ständig finanzielle Probleme. So hat es Josefin Eder beobachtet. „Einige haben auch schon mit dem Sport aufgehört“, sagt sie. Der Großteil entscheide sich deshalb für die Bundeswehr: Hier sei die finanzielle Absicherung für zwei bis drei Jahre garantiert und danach könne man immer noch ein Studium anschließen.

Doch nach der Sportkarriere bleibt kaum eine Sportsoldatin oder ein Sportsoldat bei der Bundeswehr, wie Miriam Welte sagt. Die Olympiasiegerin war selbst zwei Jahre lang bei der Armee. Weil dort die Sportförderung zu jener Zeit noch keine Ausbildung be­inhaltete, wechselte sie zur Polizei. Erst 2019 reagierte die Bundeswehr auf die hohe Nachfrage nach dualen Karrieremöglichkeiten, sagt Laufbahnberaterin Beate Pezold, und unterstützt seitdem ein begleitendes Studium.

„Ich wollte nach meiner Sportkarriere nicht in ein Loch fallen“, sagt jedenfalls Bahnsprinterin Welte. „Ich bin 33 Jahre alt – jetzt noch einmal eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen könnte ich mir nicht vorstellen.“ Mit ihrer Entscheidung für die Polizei ist sie immer noch zufrieden: ein sicherer Arbeitgeber, vernünftiges Geld und ein facettenreicher Beruf. „Die Polizei, das Land Rheinland-Pfalz: das ist mein Hauptsponsor, ohne den ich meinen Sport nicht hätte machen können.“ Ein ganzes Jahr hat Welte nach dem Ende ihrer Karriere Zeit bekommen, um langsam abzutrainieren und sich zu entscheiden, in welchem Bereich sie arbeiten will.

„Ich bin zur Polizei gegangen, um Polizistin zu werden“

Ein attraktiver Weg für Spitzensportlerinnen wie Miriam Welte und Josefin Eder – mit dem kaum eine andere duale Karrieremöglichkeit mithalten kann. „Es soll niemand Polizist:in werden, der oder die das nicht will“, meint Laufbahnberaterin Beate Pezold auf die Frage, ob sie Nachwuchssportler:innen deshalb eine Karriere bei der Polizei nahelegt. Es gebe von vornherein viele junge Leute, die sich vorstellen können, zur Polizei zu gehen. „Es ist vielleicht kein Kindheitstraum wie die Feuerwehr“, räumt sie ein. Aber bei Polizei und Sport gebe es eine deutlich größere „Schnittmenge Mensch“ als bei anderen Berufen.

„Ich bin nicht zur Polizei gegangen, um Förderung zu bekommen, sondern um Polizistin zu werden“, sagt Josefin Eder. Im Herbst beendet sie ihr Studium. Auf lange Sicht kann sie sich vorstellen, als Einsatz- und Schießtrainerin bei der Polizei zu arbeiten, wenn die Sportkarriere vorbei ist. Jetzt aber steht erst einmal die Qualifikation für Olympia an.

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