Staatliche Repression in Deutschland: Die Freiheit, die wir meinen
Es gibt in Deutschland tatsächlich Einschränkungen der Meinungsfreiheit: Beim Gendern, bei linken Medien und bei Kurd*innen greift der Staat ein.
![Frauen protestieren mit Kurdischen Flaggen Frauen protestieren mit Kurdischen Flaggen](https://taz.de/picture/6731983/14/31626764-1.jpeg)
K lar kann man es kaum noch hören, wenn Rechte jeglicher Couleur über die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland lamentieren. Das ist schließlich die Masche der AfD, die auf allen Kanälen ihren Rassismus und ihre Ablehnung Andersdenkender verbreitet und trotzdem ständig von der eingeschränkten Meinungsfreiheit raunt.
In etwas moderaterer Form wird auch in der neuen Formation von Sahra Wagenknecht über die einschränkte Meinungsfreiheit in Deutschland geklagt. Für die Frontfrau und versierte Talk-Show-Teilnehmerin trifft das gewiss nicht zu. Und diejenigen, die über die angebliche Diktatur durch die Gendersprache raunen, haben wohl vergessen, dass in mehreren Bundesländern das Gendern in Schulen und Universitäten verboten ist.
Ist das nicht eine Einschränkung der Meinungsfreiheit derjenigen, die auch sprachlich die unterschiedlichen Geschlechter abbilden wollen? Steht es also gar nicht so gut um die Meinungsfreiheit in Deutschland, wie man nach der Lektüre des Beitrags von Simone Schmollack in der taz vom 22. Dezember denken könnte?
Schmollack hat alles Notwendige über die Rechten gesagt, die mit ihrer Klage über ihre angeblich eingeschränkte Meinungsfreiheit nur erreichen wollen, dass niemand mehr ihrem Rassismus, Antisemitismus und ihrem Antifeminismus widersprechen darf. Doch es sollte eben nicht vergessen werden, dass es die Einschränkung der Meinungsfreiheit auch in Deutschland tatsächlich gibt. Betroffen sind meist genau die Personen und Gruppen, gegen die auch die Rechten mobil machen.
Beispielsweise Migrant*innen, deren Rechte immer wieder eingeschränkt werden. Besonders hervorzuheben sind dabei die Repressalien, denen in Deutschland lebende kurdische Aktivist*innen und türkische Oppositionelle seit Jahren ausgesetzt sind. Immer wieder landen sie wegen eigentlich ganz legaler politischer Aktivitäten wie dem Anmelden einer Demonstration oder dem Organisieren eines Konzertes vor Gericht und werden sogar zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Massive Einschränkung
Möglich macht das der Paragraf 129 b, der die angebliche Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung sanktioniert. Nur selten wird über die massive Einschränkung der Grundrechte für diese Menschen in Deutschland in den Medien berichtet. So ist auch wenig bekannt, welche individuellen Folgen diese Kriminalisierung hat. So musste die deutsch-kurdische Familie G., die in Oberhausen lebt, monatelang gegen die drohende Aberkennung des Sorgerechts für ihre noch nicht volljährige Töchter kämpfen. Das Familiengericht sah das Kindeswohl gefährdet, weil sich die beiden Jugendlichen an Veranstaltungen und Demonstrationen für die Rechte der Kurd*innen in Deutschland beteiligten. Für den Staatsschutz wurden diese Aktivitäten als Unterstützung der Kurdischen Arbeiter*innenpartei (PKK) gewertet.
Auch Klimaaktivist*innen wurden in der letzten Zeit massiv in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt. Es gab mehrere Razzien und auch erste Haftstrafen ohne Bewährung für völlig gewaltfreie Aktionen.
Erinnert sei auch daran, dass das linke Onlineportal Indymedia Linksunten 2017 durch eine Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums abgeschaltet wurde. Obwohl alle Verfahren gegen die angeblichen Betreiber*innen des Portals eingestellt werden mussten, wird weiter von der Justiz ermittelt, so gegen Redakteure von Radio Dreyeckland, weil sie unter einem Artikel das Archiv des staatlich abgeschalteten Portals verlinkten.
Darüber gab es auch in der taz immer wieder Artikel und das ist auch gut so. Schließlich ist die Zeitung 1978 gegründet worden, weil die Staatsapparate im Zuge des Deutschen Herbsts die Meinungsfreiheit und die Grundrechte der damals starken außerparlamentarischen Opposition massiv eingeschränkt hatten. Auch heute gilt, Meinungsfreiheit für Linke und Minderheiten muss täglich neu verteidigt werden, gerade publizistisch.
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