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St. Pauli verliert Aufstiegs-DuellNachbarschaftshilfe für den HSV

1:2 verliert St. Pauli gegen Konkurrent Darmstadt. Vier Spieltage vor Saisonende stehen die Hamburger damit nicht mehr auf einem Aufstiegsplatz.

Die Stille nach dem Spiel: Nur das Riesenrad auf dem Hamburger Dom dreht sich nach dem 1:2 weiter Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Solange im Profibetrieb noch echte Vereine mitmischen, gehört zur Fußballfolklore, dass vor Spielen Glückwünsche über die Stadionlautsprecher ausgesprochen werden – zu Vereinsjubiläen langjähriger Mitglieder, Hochzeiten oder Geburtstagen. Eher selten dürfte es sein, dass dazu ein eigener Song in voller Länge gespielt wird. Und dass der Jubilar die örtliche Skinhead-Gruppe ist – das gibt es wohl nur auf St. Pauli. Allein, mit dem Geburtstagsgeschenk wurde es nichts.

Dabei wurde fürs Auge durchaus was geboten beim Samstagabendspiel der Zweiten Bundesliga gegen den Aufstiegskonkurrenten Darmstadt 98. St. Pauli entdeckte plötzlich und unerwartet wieder, was die überragende Hinrunde ausgemacht hatte: Dieses irrwitzig schnelle Kurzpassspiel, mit dem sie die Liga ein paar Monate lang schwindlig gespielt hatten und das ihnen dann irgendwie abhanden gekommen war. Nur besannen sie sich darauf gegen Darmstadt erst, als sie schon mit 0:2 hinten lagen.

Trotzdem begann das Millerntor noch einmal zu beben, schien spätestens nach Lukas Daschners Treffer zum 1:2 die große Mehrheit der 29.546 Menschen im Stadion den Ball zum Ausgleich ins Darmstädter Tor brüllen zu wollen. Die Atmosphäre beeindruckte auch Gästetrainer Torsten Lieberknecht, der nach vier gelben Karten auf der Tribüne Platz nehmen musste – mitten unter St.-Pauli-Fans.

Hinterher musste er erst mal einen „Riesendank an alle Zuschauer“ loswerden. Es sei „so ein Privileg, hier spielen zu dürfen“, dass man darüber „fast den Sieg vergisst“. Den hatte sein Team aber geholt – und St. Pauli damit von Rang drei der Tabelle verdrängt, der zu den Relegationsspielen um den Aufstieg berechtigt.

„Die Jungs sind fokussiert“

Da half es auch nichts, dass Lieberknecht sagte, „es würd’ mich tierisch freuen, wenn’s uns beiden gelingt“ – für St. Pauli ist der Aufstieg um einiges unwahrscheinlicher geworden, bei nur noch drei ausstehenden Spielen gegen ausnahmslos schwere Gegner. Auch wenn Trainer Timo Schultz meinte, vielleicht tue sein Team sich sogar ein bisschen leichter, „jetzt, wo wir mal runter sind von den Aufstiegsplätzen“.

Nicht gelten lassen wollte Schultz, worüber die Bild spekuliert hatte: Dass die unklare Vertragssituation vieler Spieler und Prämienverhandlungen die Leistung des Teams beeinträchtigen könnten. „Die Jungs sind fokussiert, die haben Bock zu trainieren, die haben Bock zu spielen – ich denke, das hat man heute auch gesehen“ – trotz der „ganzen Themen, die da drumherum reingedichtet werden“.

Allerdings ist der souveräne Herbstmeister tatsächlich in die unkomfortable Lage geraten, dass drei Wochen vor Saisonende nicht klar ist, in welcher Liga er spielen wird. Steigt er auf, das haben die vergangenen Wochen deutlich gemacht, müssten erhebliche Verstärkungen her – und eine Reihe der jetzigen Spieler müsste gehen. Und das könnte sich im Relegationsfall erst dann entscheiden, wenn das Gros der Fußballprofis längst im Sommerurlaub ist.

Das sind Luxusprobleme, die man beim Lokalrivalen HSV gern hätte, bei dem wegen des vermeintlich neuerlich verpassten Aufstiegs schon wieder die Trainerdiskussion eingesetzt hat. Mit der Heimniederlage leistete St. Pauli nun ungewollte Nachbarschaftshilfe: Die Hamburger haben nach ihrem 4:2-Sieg in Regensburg in letzter Minute plötzlich auch wieder Chancen auf Platz drei – und das mit Abstand leichteste Restprogramm in der Spitzengruppe.

Unaufgeregt kann man das alles in Bremen betrachten: Werder hat mit einer 4:1-Machtdemonstration Schalke 04 von Platz eins verdrängt und könnte, wenn alle mitspielen, den Aufstieg mit einem Sieg gegen Holstein Kiel am Freitag schon praktisch perfekt machen.

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