Sri Lankas Präsident baut Macht aus: Auf dem Weg zur Autokratie
Im südasiatischen Inselstaat festigt Präsident Rajapaksa per Verfassungsänderung die Macht seines Clans – und keiner scheint ihn stoppen zu können.
Drei Oppositionsparteien, darunter die SJB, hatten die Änderungen vergebens vor dem Obersten Gericht angefochten. Erlaubt ist dem Präsidenten nun, den Premierminister und das Kabinett nach Gutdünken zu ernennen und zu entlassen.
Auch hat er fortan das Recht, das Parlament schon nach der halben Legislatur und damit nach zweieinhalb Jahren aufzulösen. Zudem darf er die Vorsitzenden der Kommissionen für Wahlen, Polizei, Menschenrechte, Korruption und Finanzen bestimmen sowie Oberste Richter.
Die regierenden singhalesischen Nationalisten der SLPP hatten dies mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament durchgesetzt und dabei sogar noch einige Stimmen der Opposition erhalten. Die SLPP argumentierte mit nationaler Sicherheit und wirtschaftlicher Entwicklung und baut unter diesem Deckmantel ihre Macht aus.
Rajapaksa-Brüder teilen sich wichtigste Regierungsämter
Die mächtigen Brüder Gotabaya und Mahinda Rajapaksa teilen sich bereits das das Amt des Präsidenten und des Premiers. Sie haben mit der Verfassungsänderung das Parlament weiter geschwächt. Darin sind zudem noch ein weiterer Bruder und drei Neffen Abgeordnete.
Bereits im März hatte Präsident Gotabaya Rajapaksa die Volksvertretung aufgelöst, bis sein Bruder Mahinda im August die Parlamentswahlen gewann und damit neuer Premierminister werden konnte.
Nachdem am Montag bei einem im Parlamentsgebäude eingesetzten Polizisten eine Corona-Infektion bekannt wurde, wurde die Volksvertretung zunächst für zwei Tage ganz geschlossen. Bislang ist die Pandemie in Sri Lanka mit rund 7.900 gemeldeten Infektions- und 16 Todesfällen noch mild verlaufen.
Doch die wirtschaftlichen Folgen werden nachwirken. Nach den Terroranschlägen auf Kirchen zu Ostern von 2019 hatte sich der wichtige Tourismussektor erst langsam erholt. Nun ist er erneut schwer getroffen.
Warnung vor Wirtschaftskrise
Oppositionspolitiker wie Karu Jayasuriya von der früheren Regierungspartei UNP, die nach einer Spaltung marginalisiert wurde, warnen vor den Folgen gestiegener Lebensmittelpreise und wachsender Arbeitslosigkeit. Der frühere Parlamentssprecher bewertet die Verfassungsänderung als „Aufstieg einer Diktatur“.
Gajendrakumar Ponnambalam von der Tamilischen Nationalen Volksfront (TNPF) sagte bei der Parlamentsdebatte, dass der verfassungsändernde Zusatz 20A Sri Lanka jetzt als „singhalesisch-buddhistischen Herrscherstaat“ auf Kosten „eines multinationalen Landes (…) mit Singhalesen, Tamilen und Muslimen“ definiere.
Vor allem die tamilische Bevölkerung im Norden spürt den Druck. Sie weiß, dass der Präsident Rajapaksa quasi nicht mehr rechenschaftspflichtig ist. Der Pater S.J. Emmanuel aus Jaffna, der sich seit dem Ende des Bürgerkriegs 2009 für eine Versöhnung von Tamilen und Singhalesen einsetzt, bezeichnet per Twitter die Verfassungsänderung als „traurigsten Tag“ seines Lebens: „Auf der einen Seite ist die Bedrohung durch das Coronavirus, auf der anderen Seite wendet sich meine Heimat leichtsinnig einer gefährlichen Zukunft zu. Lasst uns aufwachen und das Nötige tun.“
Auch die USA und Indien schauen besorgt nach Sri Lanka, aber vor allem wegen der China-freundlichen Außenpolitik der Rajapaksas. Dies war bereits der Fall, also noch Mahinda Rajapaksa von 2005 bis 2015 Präsident war. US-Außenminister Mike Pompeo, der sich gerade in Indien aufhält, will danach Sri Lanka und die Malediven besuchen. In beiden Ländern hat China in den letzten Jahren stark an Einfluss gewonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen