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Spritverbrauch bei neuen PKWIm Labor hui, auf der Straße pfui

Was die Autokonzerne als Normverbrauch ihrer Fahrzeuge angeben, liegt weit unter den realen Werten. Das ist böse für die Umwelt und den Staat.

Wie viel kommt wirklich raus? Bild: dpa

BERLIN taz | Die von den Autokonzernen angegebenen Normverbräuche neuer Pkw-Modelle weichen immer mehr vom tatsächlichen Verbrauch der Fahrzeuge auf der Straße ab. Das geht aus einer systematischen Auswertung der Deutschen Umwelthilfe auf Basis des ADAC-Ecotests hervor, die die Umweltorganisation am Montag in Berlin vorstellte.

Diese zeigte Abweichungen zwischen Norm- und realem Verbrauch von bis zu 42 Prozent. Unter dieser Entwicklung leiden nicht nur Umwelt und Verbraucher, sondern auch der deutsche Staat, der die Berechnungsgrundlage der Kfz-Steuer für Neufahrzeuge auf den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) umgestellt hat. Je geringer der Normverbrauch, desto geringer der CO2-Ausstoß – und damit auch die Steuereinnahmen.

Spitzenreiter bei der Abweichung war der Volvo V 40 D 2 Momentum mit 42 Prozent, dahinter folgten ein Peugeot und ein Fiat Punto mit jeweils 34 Prozent. Hohe Abweichungen über 25 Prozent gab es bei den Modellen Dacia Lodgy und Ford Fiesta; Negativ-Spitzenreiter bei deutschen Herstellern waren ein Mercedes GL und ein VW Polo mit jeweils 21 Prozent.

Insgesamt sei der durchschnittliche reale Mehrverbrauch gegenüber den Normangaben der Autokonzerne zwischen 2001 und 2011 von 7 auf 23 Prozent gestiegen, sagte Jürgen Resch, Geschäftsführer der Umwelthilfe. Abhilfe könnten nur behördliche Kontrollen schaffen, so Resch weiter. „Bei offensichtlich fehlerhaften Angaben muss es neutrale Nachmessungen unter realen Bedingungen geben.“

Entgangene Steuereinhamen in Millionenhöhe

So könnten Klima und Verbraucher geschützt werden. Immerhin zahlten Verbraucher über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs durch den Mehrverbrauch im Durchschnitt 2.000 Euro zusätzlich für ihre Automobilität. Dem Staat entgingen jährlich Steuereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe durch fehlerhafte Angaben über den Ausstoß von CO2. Unabhängige Kontrollen würden zudem Wettbewerbsgleichheit für die Hersteller schaffen. „Viele Ingenieure wollen bei der Trickserei nicht mitmachen.“

Mit welchen Kniffen die Hersteller die Normverbräuche auf dem Rollenprüfstand im Labor senken, erläuterte der Verkehrsexperte Axel Friedrich, ehemaliger Abteilungsleiter im Umweltbundesamt: Einige Hersteller schalteten die Lichtmaschine ab, sodass während der Prüfung der Kraftstoffverbrauch für das Aufladen der Batterie entfalle.

Problematisch sei auch die Feststellung des Rollwiderstandswertes, der in die Berechnung des Normverbrauchs einfließt und eigentlich dafür sorgen soll, dass die im Labor erzielten Verbrauchsergebnisse denen auf der Straße ähneln. In der Praxis aber würden besonders rollwiderstandsarme, stark aufgepumpte Spezialreifen benutzt und der Kühlergrill beziehungsweise die Türschlitze verklebt, um die Aerodynamik des Testfahrzeugs zu verbessern. Auch könnten die Tests in Höhenlagen bis 600 Meter über dem Meeresspiegel stattfinden, wo die Luft dünner und damit der Rollwiderstand etwas geringer ist.

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8 Kommentare

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  • J
    Jürgen

    Deutsche Luxusautos haben eine geringe Basisausstattung.

    Ein PKW ohne Klimaanlage, Radio, Navi, Schiebedach hat einen deutlich niedrigeren Verbrauch bei langsamer Fahrt als ein PKW mit Vollausstattung.

    Realistischer war wohl der Mittelwert aus konstant 120km/h und Stadtverkehr aus dem alten Drittelmix.

  • W
    Waage

    Ein Problem ist die heute übliche Überbereifung: zwischen 165ern, für eine gute Tonne Auto bis 100PS absolut ausreichend (mit denen sich heute außer im Winter aber kaum noch jemand aus Scham auf die Straße traut) und den stattdessen montierten 205ern aufwärts liegen schnell schon mal ein Liter Mehrverbrauch...

     

    Dummerweise werden die Verbrauchsversuche mit er schmalen Bereifung, oder wie im Text ja erläutert, sogar mit speziellen Sparbereifungen gefahren.

     

    Das Problem ist ja nicht nur die Reifenbreite, durch meist auch noch extrem hohe Felgen ohne angepasstes Fahrwerk vergrößert sich der Abstand Fahrzeugboden - Fahrbahn, dadurch hat das Gefährt defakto eine größere Stirnfläche und es wird auch ein größerer Volumenstrom unter dem Wagen hergezogen was zu bremsenden Verwirbelungen führt.

  • C
    cyctologie

    vergleichbare ergebnisse können nur bei einem standardtest wie ihn die industrie durchführt erreicht werden.

    so ein test kann nur unter laborbedingungen stattfinden.

     

    ein zurück zum alten drittelmix den jede autozeitung selber berechnet....sicher kein weg.

     

    die laborbedingungen könnten schon näher an der realität sein. dafür kann die politik sorgen. wie sehr ein hersteller betrügt können aber nur die für alle gleichen laborbedingungen verraten.

     

    das ergebnis eines vergleichbaren und wiederholbaren laborversuchs, muss nicht dem auf der straße entsprechen. nicht der abgleich mit der realität ist das ziel, sondern die vergleichbarkeit mit anderen, unter den selben bedingungen getesteten, produkten.

  • V
    vic

    Das ist "böse" - hihi, die Wortwahl der taz ist immer so witzig! Ist Richard Rother nicht im richtigen Leben sogar Komiker? Der Artikel ist jedenfalls witzig - und immer dieser bierernste Empörungston! Böse Konzerne, verantwortungslose Politiker, aufrichtige Umweltschützer - köstlich!

  • F
    franz

    Ich schlage folgende Konsequenzen vor:

    1. Wie ob bereits erwähnt, unabhängige Kontrollen.

    2. Anzeige der Autofirmen wegen Betrug, da zumindest einige der oben genannten Methoden wie Türen zukleben, wohl nicht nur nach meiner Meinung Betrug sind. Und wegen der entgangenen Steuereinnahmen gibt es auch einen Geschädigten, der Schadensersatz fordern sollte.

  • TS
    Thomas Sch.

    Mein erstes Auto, ein Opel Baujahr 1966, den ich 1979 kaufte, verbrauchte so um acht Liter auf hundert Kilometer. Heute, 34 Jahre später verbraucht mein ein paar Jahre alter Mittelklassewagen auch so um die acht Liter auf hundert. Was für ein Fortschritt.

  • P
    PeterWolf

    Das liegt nicht an den Herstellern, sondern an den Fahrern.

    Wer ein SUV auf der Autobahn unbedingt mit 180 km/h fahren will, vor langsameren Fahrzeugen nicht vom Gas sondern auf die Bremse geht, muss sich nicht wundern, dass er nicht mit dem Normverbrauch auskommt.

    Wahrscheinlich sind es Firmenfahrzeuge, die pauschal versteuert werden und der Mehrverbrauch nicht den Fahrer belastet.

    Der Vorbesitzer meines Fahrzeuges hat in 200.000 Kilometern mit 8,5 Litern Diesel auf hundert Kilometer 4.000 Liter mehr verbrannt als nötig.

    Ich fahre ihn (seit 15.000 km) mit weniger als 6,5 Litern, mit Mitfahrern inklusive Anhängerbetrieb.

    Die anderen 50.000 Kilometer (meistens alleine) fahre ich aber lieber mit dem ICE, zuviele Bekloppte und Baustellen auf der Autobahn, von Zeit, Kosten, Gefahr, Stress und Umweltbelastung gar nicht zu reden.

    Warum nur werden die Züge immer voller?

  • P
    Peter

    Die dargestellten Tricks sind alle richtig genannt.

     

    Ein wichtiger Punkt ist allerdings auch der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) mit dem die Verbräuche gemessen werden. Dieser spiegelt ziemlich unrealistisch das Fahrverhalten wieder z.B. hat er nur sehr geringe Anteile im Geschwindigkeitsbereich 100 - 120 km/h. Stop-Go-Stadtverkehrsbedingungen werden daher besser abgebildet als längere Überlandfahrten. Die Gesamtfahrleistung besteht jedoch deutlich stärker aus Zweiterem als aus Ersterem.

     

    Dazu ist er auch in seinem Verlauf absolut vorhersehbar. Wie lange braucht ein Motorchip um zu erkennen, dass er im NEFZ gefahren wird? Wurden die Motoreinstellungen darauf geprüft, dass sie im NEFZ genauso sind, wie im realen Betrieb? Hat vielleicht mancher Hersteller hier einen NEFZ-Spritspar-Modus eingebaut? Wer weiß...