Sprecher über Sternbrücken-Protest: „Wir schulden es allen, das durchzukämpfen“
Die Gegner:innen der geplanten neuen Sternbrücke versuchen, das Projekt vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht zu verhindern.
taz: Wie viel Hoffnung haben Sie, dass das Oberverwaltungsgericht den geplanten Neubau der Sternbrücke noch stoppt, Herr Bühler?
Axel Bühler: Na ja, wie das Wetter so in Hamburg ist: Für jetzt ist Regen angesagt, aber um 9 Uhr soll es aufhören.
taz: Also wettersymbolisch gesprochen kann sich der Bauwind noch drehen?
Bühler: You never know. Ich finde, wir haben wirklich gute Argumente. Die Brücke hätte so nie genehmigt werden dürfen. Das Gericht argumentiert sehr formal und war bislang bemüht, den Planfeststellungsbeschluss durchzuwinken. Insofern müssen wir schon realistisch sein.
Seit 2005 will die Deutsche Bahn die Sternbrücke in Hamburg-Altona abreißen und durch einen Neubau ersetzen.
Die Initiative Sternbrücke hat 2020 für eine Petition zum Erhalt der Brücke 20.000 Unterschriften gesammelt. Sie findet den Entwurf für die neue Brücke überdimensioniert.
Einen Eilantrag des Vereins Prellbock e. V. gegen den Neubau hat das Oberlandesgericht Hamburg im Mai 2024 abgelehnt. Prellbock ist, anders als die Sternbrückeninitiative, klageberechtigt.
Am Dienstag verhandelt das Oberverwaltungsgericht die Klage von Prellbock gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Neubau der Sternbrücke.
taz: Also stellen Sie sich auf eine Niederlage ein?
Bühler: Wir haben heute mit Ulrich Meyer jemand, der auch aus ingenieurstechnischer Sicht die aktuelle Planung und die Alternativen vergleichen kann. Es gibt deutlich bessere Alternativen und das Gericht muss sich schon Mühe geben, das abzuräumen – also abzuräumen ist der Begriff, den sie gerne verwenden, wenn es um die Argumente unserer Seite geht.
taz: Sie haben ja einmal mit deutlich radikaleren Forderungen begonnen.
Bühler: Radikaler nur in dem Sinne, dass wir sagen, es geht um die Sanierung und den Erhalt der Brücke. Wir finden, das dass immer noch eine Option ist – aber es gibt wirklich keinen mehr, der das unterstützt.
taz: Also jenseits der Linken?
Bühler: Politisch nicht, und die Bahn unterstützt es schon gar nicht. Die weitestgehende Forderung wäre jetzt ein neuer, ergebnisoffener Planungsprozess. Es muss einen Wettbewerb geben, um diese nicht ganz einfache planerische Aufgabe stadt- und klimaverträglich zu lösen. Die jetzige Planung, dieses Monstrum, finden wir, geht gar nicht.
taz: Es ist bemerkenswert, dass die Sternbrückeninitiative so viel Protestenergie aufwendet gegen ein Projekt, das so weit fortgeschritten ist. Man könnte auch sagen: Diese Messe ist gelesen.
Bühler: Das kann man immer sagen, bis sie nicht mehr gelesen ist. Wir wollen hier nicht sein. Wir sind hier, weil wir gezwungen wurden zu klagen. Wir haben seit fünf Jahren gesagt, das ist eine richtig schlechte Planung und wir schulden es allen, die mit uns protestiert haben, das bis zum Ende durchzukämpfen auf legalem Wege. Und das ist nun mal dieser Prozess vor dem Verwaltungsgericht. Jetzt wird vielen auch klar, was da gebaut wird. Vorher musste man vielleicht Städteplaner sein, um sich das vorstellen zu können. Und hinzu kommt die Frage: Was ist die politische Wirkung des Prozesses?
taz: Und, was ist sie?
Bühler: Weil wir nicht aufgeben, werden jetzt in Hamburg zu Brückenbauten vorher Beteiligungsprozesse gemacht. Wir haben Erfolge – wenn auch nicht unbedingt vor Ort.
taz: Wie viele Leute haben während dieser fünf Protestjahre das Handtuch geworfen?
Bühler: Wir sind jetzt ein harter Kern von zehn, 20 Leuten. Die Initiative macht das fast schon professionell in ihrer Freizeit. Und was ganz toll ist und was uns über die fünf Jahre gerettet hat, sind die Kreiselkonzerte. Für uns war es wichtig, dass wir diesen kulturellen Ort erhalten und die Kreiselkonzerte haben uns die Kraft dazu gegeben. Es waren immer sehr viele Leute dabei und viele Bands haben es toll gefunden, da zu spielen. Wir haben quasi das, wofür wir stehen, gelebt an der Brücke.
taz: Was passiert, wenn Sie jetzt den Prozess verlieren?
Bühler: Wir verlieren nicht, sondern das Oberverwaltungsgericht entscheidet, dass der Planfeststellungsbeschluss formal in Ordnung ist. Wir wussten, dass das eine hohe Hürde ist. Aber der Plan bleibt schlecht. Der Protest geht weiter, die Konzerte gibt es weiter und dann schauen wir mal.
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