Prozess wegen angemalter Bäume: Abholzen erlaubt, Anmalen nicht
Zwei Hamburger Umweltschützer müssen eine Geldstrafen zahlen, weil sie Bäume mit Farbe markiert haben. Sie wollten sie vor dem Abholzen bewahren.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte den beiden vorgeworfen, im Januar 2023 14 Bäume an der Max-Brauer-Allee mit Kreuzen in orangener Farbe markiert und damit in ihrer „Verschönerungsfunktion“ beeinträchtigt zu haben – eine strafbare Sachbeschädigung.
„Ich möchte erst mal klarstellen, dass ich die Bäume retten wollte“ sagt Ivo Jaklic zu seiner Motivation. Auch Stephan Pflug räumt ein, die Bäume angemalt zu haben. Es handele sich um Stieleichen, die nicht einfach zu ersetzen seien. Gerade an dieser Kreuzung, sagt Pflug, übernähmen sie eine wichtige Funktion als Hitze- und Starkregenschutz.
In den kommenden Monaten sollen die Bäume Platz machen für den umstrittenen Abriss und Neubau einer 100 Jahre alten Eisenbahnbrücke. Gegen das mehrere hundert Millionen Euro teure Projekt der Deutschen Bahn protestieren Initiativen und Anwohnende schon seit Jahren. Kritik gibt es wegen der Denkmalwürdigkeit der „Sternbrücke“, dem als monströs empfundenen Neubau sowie der Abholzung der Bäume.
Anzeige durch die Stadt Hamburg
Dass die Bäume todgeweiht seien, sehen auch Gericht und Staatsanwaltschaft. Einig sind sie sich allerdings auch darin, dass das für die Strafbarkeit der Aktion unerheblich sei. „Wenn man ein Auto kaputt macht, das bald verschrottet werden soll, ist das trotzdem Sachbeschädigung“, sagt der Staatsanwalt.
Dass Pflug und Jaklic wegen ihrer Aktion überhaupt vor Gericht gelandet sind, liegt an der Stadt Hamburg. Als Eigentümerin der Bäume musste sie Anzeige erstatten, damit die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleitet. Diese hätte das Verfahren auch einstellen können. Dass das offenbar nicht in Frage kam, stellte der Staatsanwalt im Gericht klar: Er sei weisungsgebundener Beamter.
Ein Sprecher der Initiative Sternbrücke kritisiert, die Stadt wolle „Protest von Bürger:innen mit Mitteln der Strafverfolgung unterbinden.“ Aktuell läuft eine Klage gegen den Feststellungsbeschluss zum Neubau der Brücke. Ein Eilantrag auf Baustopp war im Mai dieses Jahres abgelehnt worden. Dass es am Ende nicht nur um die Bäume, sondern auch um die Sternbrücke ging, war der Richterin bekannt. „Diese Frage, die eigentlich hier die Gemüter aufregt, kann ich nicht entscheiden“, sagte sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen