Sprachkritiker Schneider gegen Gendern: Vor Wölfen wird gewarnt
Der ehemalige Journalist und „Sprachpapst“ Wolf Schneider mokiert sich übers Gendern. Dabei hat er nichts verstanden, findet unser Autor.
V or Wölfen wird gewarnt. Also jetzt nicht vor den possierlichen Tierchen, die dafür sorgen, dass sich in Brandenburg überhaupt mal wieder wer oder was bewegt. Nein, Vorsicht ist vor den menschlichen Wölfen geboten. Besonders, wenn sie was mit Medien machen.
Erst war da Prälat Wolf beim Rundfunkrat der Bayern mit seiner Verstrickung in den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. Dann kam der Messe-Wolf im RBB-Verwaltungsrat daher, der knietief im Compliance-Sumpf beim Hauptstadtsender steckt. Und jetzt haben wir einen alten weißen Wolf aus Starnberg am See, zu dem viele Journalist*innen früher mal aufgeschaut haben.
„Deutsch für Profis“ heißt seit 1982 ein Klassiker der Journalismus-Ausbildung und verspricht „Wege zu gutem Stil“. Geschrieben hat das Buch Wolf Schneider. Der war gefühlte Ewigkeiten selbst Journalist bei Stern und Welt und dann mindestens genauso lange Leiter der „Hach, darf die noch so heißen“-Schule in Hamburg.
Apropos, hallo Stern! Was ist denn jetzt mit Henri Nannen, nach dem die bekannteste Journalist*innenschule der Republik benannt ist?
Verhinderer gesellschaftlicher Entwicklung
Wolf Schneider war damals top. Dicht dran an der Zeit und ihrer Sprache. „Sprachpapst“ wurde er von vielen genannt. Dann veränderte sich die Gesellschaft, doch der Wolf kam nicht mehr mit und wurde zum elitären alten S…, pardon, schlechter Stil. Denn Schneider geriert sich als Sprachbewahrer, was in seinem Fall aber Gesellschaftliche-Entwicklung-Verhinderer heißt. Aus Schneider, dem Gutsprecher wurde Schneider, der Sprachbarrierist.
„Gendern ist für Wichtigtuer“, greint er also diese Woche in der Bild. Und zwar von Leuten, die „von Sprache keine Ahnung haben. Zwischen dem natürlichen und dem grammatischen Geschlecht besteht nicht der geringste Zusammenhang“, behauptet Schneider. „Wie könnte es sonst das Weib heißen?“, so der „Sprachpapst“ allen Ernstes.
Radfahrer*innen ist auch keine „Verhohnepipelung der deutschen Sprache“, wie Schneider Bild in den Blog diktiert. Da muss sich der alte weiße Wolf bloß mal die Realität mit der E-Bike-Dichte am Starnberger See angucken.
Zum Beweis, dass er rein gar nichts verstanden hat, folgt dann noch das Satz „Die Führungskraft ist heute überwiegend ein Mann und keiner hat sich je beschwert.“ Genau, mein Sprachführer! Außer vielleicht jene Frauen, die den Männern jetzt diese Führungskräfte streitig machen, wovor ihr Angst habt.
„Wolf Schneider mach dich vom Acker! Hier kommen die Frauen mit ihrer Version von Sprache!“, meint die Mitbewohnerin. „Die bekannteste Wölfin ist sowieso viel älter als Sprachgeschichte und ihre Päpste und bedeutsamer als alle drei Möchtegern-Wölfe hier. Ab jetzt wird Geschichte neu erzählt. Nix böser Wolf, sondern nur noch gute Wölf*innen!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr